Person, die ich unter allen andern am wenigsten lieben kann, allen andern vorziehen soll.
Da ich so geängstiget und unglücklich gemacht werde, und zwar das alles um Jhrent willen, und wegen Jhrer grausamen Beständigkeit, so schrei- be ich an Sie, um von Jhnen die Gemüths-Ruhe wider zu fodern, die Sie mir geraubet haben: um die Liebe so vieler werthen Freunde mir von Jhnen auszubitten, der Sie mich verlustig machen: und (falls Sie anders ein so edles Hertz haben, als man bey einer Manns-Person und bey einem Ca- vallier erwarten sollte) um Sie zu beschweren, daß Sie von einem Gesuch abstehen, das mit so uner- träglichen Folgen gegen die, welche Sie zu lieben vorgeben, verknüpft gewesen ist.
Wenn Sie mich in der That werth schätzen, wie mich meine Freunde bereden wollen, und Sie selbst vorgeben, so muß es doch eine sehr eigennü- zige Werthschätzung seyn: eine Werthschätzung die mich zu keiner Danckbarkeit verpflichten kann, weil sie für mich die unglücklichsten Würckungen hat. Um Jhrer und nicht um meinetwillen mö- gen Sie mich werth schätzen: und selbst in dieser Absicht irren Sie sich. Denn wird ein kluger Mann wünschen, eine solche Person zu heyrathen, die kein Hertz zu vergeben hat? Die ihn nicht lie- ben kann? Die eine schlimme Frau werden muß? Und wie grausam ist es, ein arm es Kind, das gern eine gute Frau werden wollte, dazu zwingen, daß sie eine schlimme Frau werden muß?
Wenn
Die Geſchichte
Perſon, die ich unter allen andern am wenigſten lieben kann, allen andern vorziehen ſoll.
Da ich ſo geaͤngſtiget und ungluͤcklich gemacht werde, und zwar das alles um Jhrent willen, und wegen Jhrer grauſamen Beſtaͤndigkeit, ſo ſchrei- be ich an Sie, um von Jhnen die Gemuͤths-Ruhe wider zu fodern, die Sie mir geraubet haben: um die Liebe ſo vieler werthen Freunde mir von Jhnen auszubitten, der Sie mich verluſtig machen: und (falls Sie anders ein ſo edles Hertz haben, als man bey einer Manns-Perſon und bey einem Ca- vallier erwarten ſollte) um Sie zu beſchweren, daß Sie von einem Geſuch abſtehen, das mit ſo uner- traͤglichen Folgen gegen die, welche Sie zu lieben vorgeben, verknuͤpft geweſen iſt.
Wenn Sie mich in der That werth ſchaͤtzen, wie mich meine Freunde bereden wollen, und Sie ſelbſt vorgeben, ſo muß es doch eine ſehr eigennuͤ- zige Werthſchaͤtzung ſeyn: eine Werthſchaͤtzung die mich zu keiner Danckbarkeit verpflichten kann, weil ſie fuͤr mich die ungluͤcklichſten Wuͤrckungen hat. Um Jhrer und nicht um meinetwillen moͤ- gen Sie mich werth ſchaͤtzen: und ſelbſt in dieſer Abſicht irren Sie ſich. Denn wird ein kluger Mann wuͤnſchen, eine ſolche Perſon zu heyrathen, die kein Hertz zu vergeben hat? Die ihn nicht lie- ben kann? Die eine ſchlimme Frau werden muß? Und wie grauſam iſt es, ein arm es Kind, das gern eine gute Frau werden wollte, dazu zwingen, daß ſie eine ſchlimme Frau werden muß?
Wenn
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Die Geſchichte
Perſon, die ich unter allen andern am wenigſten
lieben kann, allen andern vorziehen ſoll.
Da ich ſo geaͤngſtiget und ungluͤcklich gemacht
werde, und zwar das alles um Jhrent willen, und
wegen Jhrer grauſamen Beſtaͤndigkeit, ſo ſchrei-
be ich an Sie, um von Jhnen die Gemuͤths-Ruhe
wider zu fodern, die Sie mir geraubet haben: um
die Liebe ſo vieler werthen Freunde mir von Jhnen
auszubitten, der Sie mich verluſtig machen: und
(falls Sie anders ein ſo edles Hertz haben, als
man bey einer Manns-Perſon und bey einem Ca-
vallier erwarten ſollte) um Sie zu beſchweren, daß
Sie von einem Geſuch abſtehen, das mit ſo uner-
traͤglichen Folgen gegen die, welche Sie zu lieben
vorgeben, verknuͤpft geweſen iſt.
Wenn Sie mich in der That werth ſchaͤtzen,
wie mich meine Freunde bereden wollen, und Sie
ſelbſt vorgeben, ſo muß es doch eine ſehr eigennuͤ-
zige Werthſchaͤtzung ſeyn: eine Werthſchaͤtzung
die mich zu keiner Danckbarkeit verpflichten kann,
weil ſie fuͤr mich die ungluͤcklichſten Wuͤrckungen
hat. Um Jhrer und nicht um meinetwillen moͤ-
gen Sie mich werth ſchaͤtzen: und ſelbſt in dieſer
Abſicht irren Sie ſich. Denn wird ein kluger
Mann wuͤnſchen, eine ſolche Perſon zu heyrathen,
die kein Hertz zu vergeben hat? Die ihn nicht lie-
ben kann? Die eine ſchlimme Frau werden muß?
Und wie grauſam iſt es, ein arm es Kind, das
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/398>, abgerufen am 27.11.2024.
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