Herrn Anton Harlowes Antwort. Meine Base Clärchen/
Es würde besser gewesen seyn, wenn Sie nicht an uns, an keinen von nns beyden geschrieben hät- ten. Jnsonderheit hätten Sie wohl gethan, wenn Sie nie die Feder angesetzt hätten, an mich in ei- ner solchen Sache zu schreiben. Nach dem Aus- spruch des weisen Mannes scheint der zwar Recht zu haben/ der seine Sache zuerst an- bringt; allein sein Nächster kommt auch/ und untersucht ihn. Jch will jetzt Jhr Näch- ster seyn, und den Grund und Boden Jhres Her- tzens untersuchen: ich will untersuchen, ob Jhr Brief Jhnen von Hertzen gehe. Jch weiß wol, was ich mir für eine Arbeit aufbürde, weil Sie wegen Jhrer fertigen Feder bekant sind. Allein es wäre schlimm, wenn einer der die Rechte der Eltern vertheidigen will, und der vor die Wohl- sart und Ehre seiner Familie besorgt ist, nicht al- les das zu Boden schlagen könte, was eine rebelli- sche Tochter (wie ungern schreibe ich das von Fräulein Clarissa Harlowe! vorbringen kan, ihren Eigensinn zu entschuldigen.
Erklären Sie sich nicht deutlich genug, daß Sie den Menschen vorziehen, den wir alle hassen, und der uns eben so sehr haßt? Jst das nicht das Wi- derspiel von dem, was Sie ihrer Mutter gesagt haben? Wie mahlen sie einen braven rechtschaf- nen Cavallier ab? Jch wundere mich, daß Sie
sich
Die Geſchichte
Herrn Anton Harlowes Antwort. Meine Baſe Claͤrchen/
Es wuͤrde beſſer geweſen ſeyn, wenn Sie nicht an uns, an keinen von nns beyden geſchrieben haͤt- ten. Jnſonderheit haͤtten Sie wohl gethan, wenn Sie nie die Feder angeſetzt haͤtten, an mich in ei- ner ſolchen Sache zu ſchreiben. Nach dem Aus- ſpruch des weiſen Mannes ſcheint der zwar Recht zu haben/ der ſeine Sache zuerſt an- bringt; allein ſein Naͤchſter kommt auch/ und unterſucht ihn. Jch will jetzt Jhr Naͤch- ſter ſeyn, und den Grund und Boden Jhres Her- tzens unterſuchen: ich will unterſuchen, ob Jhr Brief Jhnen von Hertzen gehe. Jch weiß wol, was ich mir fuͤr eine Arbeit aufbuͤrde, weil Sie wegen Jhrer fertigen Feder bekant ſind. Allein es waͤre ſchlimm, wenn einer der die Rechte der Eltern vertheidigen will, und der vor die Wohl- ſart und Ehre ſeiner Familie beſorgt iſt, nicht al- les das zu Boden ſchlagen koͤnte, was eine rebelli- ſche Tochter (wie ungern ſchreibe ich das von Fraͤulein Clariſſa Harlowe! vorbringen kan, ihren Eigenſinn zu entſchuldigen.
Erklaͤren Sie ſich nicht deutlich genug, daß Sie den Menſchen vorziehen, den wir alle haſſen, und der uns eben ſo ſehr haßt? Jſt das nicht das Wi- derſpiel von dem, was Sie ihrer Mutter geſagt haben? Wie mahlen ſie einen braven rechtſchaf- nen Cavallier ab? Jch wundere mich, daß Sie
ſich
<TEI><text><body><divn="2"><pbfacs="#f0380"n="360"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><div><salute>H<hirendition="#fr">errn Anton</hi> H<hirendition="#fr">arlowes Antwort.<lb/><hirendition="#et">Meine Baſe Claͤrchen/</hi></hi></salute><lb/><p>Es wuͤrde beſſer geweſen ſeyn, wenn Sie nicht<lb/>
an uns, an keinen von nns beyden geſchrieben haͤt-<lb/>
ten. Jnſonderheit haͤtten Sie wohl gethan, wenn<lb/>
Sie nie die Feder angeſetzt haͤtten, an mich in ei-<lb/>
ner ſolchen Sache zu ſchreiben. Nach dem Aus-<lb/>ſpruch des weiſen Mannes <hirendition="#fr">ſcheint der zwar<lb/>
Recht zu haben/ der ſeine Sache zuerſt an-<lb/>
bringt; allein ſein Naͤchſter kommt auch/<lb/>
und unterſucht ihn.</hi> Jch will jetzt Jhr <hirendition="#fr">Naͤch-<lb/>ſter</hi>ſeyn, und den Grund und Boden Jhres Her-<lb/>
tzens unterſuchen: ich will unterſuchen, ob Jhr<lb/>
Brief Jhnen von Hertzen gehe. Jch weiß wol,<lb/>
was ich mir fuͤr eine Arbeit aufbuͤrde, weil Sie<lb/>
wegen Jhrer fertigen Feder bekant ſind. Allein<lb/>
es waͤre ſchlimm, wenn einer der die Rechte der<lb/>
Eltern vertheidigen will, und der vor die Wohl-<lb/>ſart und Ehre ſeiner Familie beſorgt iſt, nicht al-<lb/>
les das zu Boden ſchlagen koͤnte, was eine rebelli-<lb/>ſche Tochter (wie ungern ſchreibe ich das von<lb/>
Fraͤulein <hirendition="#fr">Clariſſa</hi> H<hirendition="#fr">arlowe!</hi> vorbringen kan,<lb/>
ihren Eigenſinn zu entſchuldigen.</p><lb/><p>Erklaͤren Sie ſich nicht deutlich genug, daß Sie<lb/>
den Menſchen vorziehen, den wir alle haſſen, und<lb/>
der uns eben ſo ſehr haßt? Jſt das nicht das Wi-<lb/>
derſpiel von dem, was Sie ihrer Mutter geſagt<lb/>
haben? Wie mahlen ſie einen braven rechtſchaf-<lb/>
nen Cavallier ab? Jch wundere mich, daß Sie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[360/0380]
Die Geſchichte
Herrn Anton Harlowes Antwort.
Meine Baſe Claͤrchen/
Es wuͤrde beſſer geweſen ſeyn, wenn Sie nicht
an uns, an keinen von nns beyden geſchrieben haͤt-
ten. Jnſonderheit haͤtten Sie wohl gethan, wenn
Sie nie die Feder angeſetzt haͤtten, an mich in ei-
ner ſolchen Sache zu ſchreiben. Nach dem Aus-
ſpruch des weiſen Mannes ſcheint der zwar
Recht zu haben/ der ſeine Sache zuerſt an-
bringt; allein ſein Naͤchſter kommt auch/
und unterſucht ihn. Jch will jetzt Jhr Naͤch-
ſter ſeyn, und den Grund und Boden Jhres Her-
tzens unterſuchen: ich will unterſuchen, ob Jhr
Brief Jhnen von Hertzen gehe. Jch weiß wol,
was ich mir fuͤr eine Arbeit aufbuͤrde, weil Sie
wegen Jhrer fertigen Feder bekant ſind. Allein
es waͤre ſchlimm, wenn einer der die Rechte der
Eltern vertheidigen will, und der vor die Wohl-
ſart und Ehre ſeiner Familie beſorgt iſt, nicht al-
les das zu Boden ſchlagen koͤnte, was eine rebelli-
ſche Tochter (wie ungern ſchreibe ich das von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe! vorbringen kan,
ihren Eigenſinn zu entſchuldigen.
Erklaͤren Sie ſich nicht deutlich genug, daß Sie
den Menſchen vorziehen, den wir alle haſſen, und
der uns eben ſo ſehr haßt? Jſt das nicht das Wi-
derſpiel von dem, was Sie ihrer Mutter geſagt
haben? Wie mahlen ſie einen braven rechtſchaf-
nen Cavallier ab? Jch wundere mich, daß Sie
ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/380>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.