für Jhres Bruders Kind, und würcken Sie aus, daß ich nicht das Opfer eines mir so eckelhaften Mannes werde.
Sie und mein anderer Onckle können viel bey meinem Vater ausrichten, wenn Sie nur so gütig seyn wollen. Glauben Sie, das es nicht ein Ei- gensinn ist, sondern ein natürlicher ein unüber- windlicher Widerwille. Denn so oft ich aus Ge- horsam gegen meinen Vater mit mir selbst habe streiten und mich überreden wollen, Folge zu lei- sten, so hat sich mein gantzes Hertz empöret, und ich habe einen Widerwillen gegen mich selbst dar- über empfunden, daß ich mir einen Menschen, der nicht das geringste Gute an sich hat, als erträglich vorzustellen gesucht habe: einen Menschen, der ohnmöglich bey seiner Anwerbung beharren kön- te, nachdem er meine Abneigung wüste, wenn er etwas männliches oder etwas adliches in seinem Gemüth hätte.
Wenn Sie einsehen, daß der Jnhalt dieses Briefes nicht unvernünftig ist, so bitte ich Sie um Jhr gütiges Vorwort: wo nicht, so bin ich höchst-unglücklich. Es ist indessen meine Schul- digkeit gewesen, so zu schreiben, daß Herr Sol- mes wissen könte, woran er sey.
Entschuldigen Sie diesen meinen verdrießlichen Brief, und gönnen Sie ihm, daß er etwas aus- richtet: so werden Sie ewig verbinden,
Jhre gehorsamste und ergebenste Base Clarissa Harlowe.
Herrn
Z 4
der Clariſſa.
fuͤr Jhres Bruders Kind, und wuͤrcken Sie aus, daß ich nicht das Opfer eines mir ſo eckelhaften Mannes werde.
Sie und mein anderer Onckle koͤnnen viel bey meinem Vater ausrichten, wenn Sie nur ſo guͤtig ſeyn wollen. Glauben Sie, das es nicht ein Ei- genſinn iſt, ſondern ein natuͤrlicher ein unuͤber- windlicher Widerwille. Denn ſo oft ich aus Ge- horſam gegen meinen Vater mit mir ſelbſt habe ſtreiten und mich uͤberreden wollen, Folge zu lei- ſten, ſo hat ſich mein gantzes Hertz empoͤret, und ich habe einen Widerwillen gegen mich ſelbſt dar- uͤber empfunden, daß ich mir einen Menſchen, der nicht das geringſte Gute an ſich hat, als ertraͤglich vorzuſtellen geſucht habe: einen Menſchen, der ohnmoͤglich bey ſeiner Anwerbung beharren koͤn- te, nachdem er meine Abneigung wuͤſte, wenn er etwas maͤnnliches oder etwas adliches in ſeinem Gemuͤth haͤtte.
Wenn Sie einſehen, daß der Jnhalt dieſes Briefes nicht unvernuͤnftig iſt, ſo bitte ich Sie um Jhr guͤtiges Vorwort: wo nicht, ſo bin ich hoͤchſt-ungluͤcklich. Es iſt indeſſen meine Schul- digkeit geweſen, ſo zu ſchreiben, daß Herr Sol- mes wiſſen koͤnte, woran er ſey.
Entſchuldigen Sie dieſen meinen verdrießlichen Brief, und goͤnnen Sie ihm, daß er etwas aus- richtet: ſo werden Sie ewig verbinden,
Jhre gehorſamſte und ergebenſte Baſe Clariſſa Harlowe.
Herrn
Z 4
<TEI><text><body><divn="2"><div><p><pbfacs="#f0379"n="359"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
fuͤr Jhres Bruders Kind, und wuͤrcken Sie aus,<lb/>
daß ich nicht das Opfer eines mir ſo eckelhaften<lb/>
Mannes werde.</p><lb/><p>Sie und mein anderer Onckle koͤnnen viel bey<lb/>
meinem Vater ausrichten, wenn Sie nur ſo guͤtig<lb/>ſeyn wollen. Glauben Sie, das es nicht ein Ei-<lb/>
genſinn iſt, ſondern ein natuͤrlicher ein unuͤber-<lb/>
windlicher Widerwille. Denn ſo oft ich aus Ge-<lb/>
horſam gegen meinen Vater mit mir ſelbſt habe<lb/>ſtreiten und mich uͤberreden wollen, Folge zu lei-<lb/>ſten, ſo hat ſich mein gantzes Hertz empoͤret, und<lb/>
ich habe einen Widerwillen gegen mich ſelbſt dar-<lb/>
uͤber empfunden, daß ich mir einen Menſchen, der<lb/>
nicht das geringſte Gute an ſich hat, als ertraͤglich<lb/>
vorzuſtellen geſucht habe: einen Menſchen, der<lb/>
ohnmoͤglich bey ſeiner Anwerbung beharren koͤn-<lb/>
te, nachdem er meine Abneigung wuͤſte, wenn er<lb/>
etwas maͤnnliches oder etwas adliches in ſeinem<lb/>
Gemuͤth haͤtte.</p><lb/><p>Wenn Sie einſehen, daß der Jnhalt dieſes<lb/>
Briefes nicht unvernuͤnftig iſt, ſo bitte ich Sie<lb/>
um Jhr guͤtiges Vorwort: wo nicht, ſo bin ich<lb/>
hoͤchſt-ungluͤcklich. Es iſt indeſſen meine Schul-<lb/>
digkeit geweſen, ſo zu ſchreiben, daß Herr <hirendition="#fr">Sol-<lb/>
mes</hi> wiſſen koͤnte, woran er ſey.</p><lb/><p>Entſchuldigen Sie dieſen meinen verdrießlichen<lb/>
Brief, und goͤnnen Sie ihm, daß er etwas aus-<lb/>
richtet: ſo werden Sie ewig verbinden,</p><lb/><closer><salute><hirendition="#fr">Jhre gehorſamſte und ergebenſte Baſe<lb/><hirendition="#et">Clariſſa Harlowe.</hi></hi></salute></closer></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 4</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Herrn</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[359/0379]
der Clariſſa.
fuͤr Jhres Bruders Kind, und wuͤrcken Sie aus,
daß ich nicht das Opfer eines mir ſo eckelhaften
Mannes werde.
Sie und mein anderer Onckle koͤnnen viel bey
meinem Vater ausrichten, wenn Sie nur ſo guͤtig
ſeyn wollen. Glauben Sie, das es nicht ein Ei-
genſinn iſt, ſondern ein natuͤrlicher ein unuͤber-
windlicher Widerwille. Denn ſo oft ich aus Ge-
horſam gegen meinen Vater mit mir ſelbſt habe
ſtreiten und mich uͤberreden wollen, Folge zu lei-
ſten, ſo hat ſich mein gantzes Hertz empoͤret, und
ich habe einen Widerwillen gegen mich ſelbſt dar-
uͤber empfunden, daß ich mir einen Menſchen, der
nicht das geringſte Gute an ſich hat, als ertraͤglich
vorzuſtellen geſucht habe: einen Menſchen, der
ohnmoͤglich bey ſeiner Anwerbung beharren koͤn-
te, nachdem er meine Abneigung wuͤſte, wenn er
etwas maͤnnliches oder etwas adliches in ſeinem
Gemuͤth haͤtte.
Wenn Sie einſehen, daß der Jnhalt dieſes
Briefes nicht unvernuͤnftig iſt, ſo bitte ich Sie
um Jhr guͤtiges Vorwort: wo nicht, ſo bin ich
hoͤchſt-ungluͤcklich. Es iſt indeſſen meine Schul-
digkeit geweſen, ſo zu ſchreiben, daß Herr Sol-
mes wiſſen koͤnte, woran er ſey.
Entſchuldigen Sie dieſen meinen verdrießlichen
Brief, und goͤnnen Sie ihm, daß er etwas aus-
richtet: ſo werden Sie ewig verbinden,
Jhre gehorſamſte und ergebenſte Baſe
Clariſſa Harlowe.
Herrn
Z 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/379>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.