[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.Die Geschichte fremde Familie eingepfropft werden: den Namensogar verändern, und dadurch ein Zeugniß ablegen, daß sie das vollkommene Eigenthum des Mannes sey: diesem fremden Vater, Mutter und jedermann, wie er Namen haben mag, vorziehen müssen: sich bequemen, seine Grillen ihren eigenen Einsichten vorzuziehen, oder mit ihm in beständigem Zanck leben, so oft sie handeln will, als hätte sie einen freyen Willen, und dabey den Vorwurf hören, daß sie ein vor dem Altar-gethanes Gelübde breche: an keinen Ort ohne seinen Willen gehen: keine Bekandtschaft machen, und die älteste und beste Freundschaft aufgeben, wie er es haben will, es mag ihr vernünftig oder unvernünftig vorkom- men: das sind in der That harte Forderungen. Jst es billig, daß ein Frauenzimmer dergleichen Bedingungen einem andern zu Liebe eingehet, als dem sie selbst ihr williges Ja-Wort giebt? Wenn Sie das billig nennen können, wie unglücklich ist denn eine solche Person? wie mühselig muß ihr Leben seyn, wenn es anders noch des Namens des Lebens werth ist? Jch wünschte, daß ich Jhnen insgesamt ge- Allein
Die Geſchichte fremde Familie eingepfropft werden: den Namenſogar veraͤndern, und dadurch ein Zeugniß ablegen, daß ſie das vollkommene Eigenthum des Mannes ſey: dieſem fremden Vater, Mutter und jedermañ, wie er Namen haben mag, vorziehen muͤſſen: ſich bequemen, ſeine Grillen ihren eigenen Einſichten vorzuziehen, oder mit ihm in beſtaͤndigem Zanck leben, ſo oft ſie handeln will, als haͤtte ſie einen freyen Willen, und dabey den Vorwurf hoͤren, daß ſie ein vor dem Altar-gethanes Geluͤbde breche: an keinen Ort ohne ſeinen Willen gehen: keine Bekandtſchaft machen, und die aͤlteſte und beſte Freundſchaft aufgeben, wie er es haben will, es mag ihr vernuͤnftig oder unvernuͤnftig vorkom- men: das ſind in der That harte Forderungen. Jſt es billig, daß ein Frauenzimmer dergleichen Bedingungen einem andern zu Liebe eingehet, als dem ſie ſelbſt ihr williges Ja-Wort giebt? Wenn Sie das billig nennen koͤnnen, wie ungluͤcklich iſt denn eine ſolche Perſon? wie muͤhſelig muß ihr Leben ſeyn, wenn es anders noch des Namens des Lebens werth iſt? Jch wuͤnſchte, daß ich Jhnen insgeſamt ge- Allein
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Die Geſchichte
fremde Familie eingepfropft werden: den Namen
ſogar veraͤndern, und dadurch ein Zeugniß ablegen,
daß ſie das vollkommene Eigenthum des Mannes
ſey: dieſem fremden Vater, Mutter und jedermañ,
wie er Namen haben mag, vorziehen muͤſſen: ſich
bequemen, ſeine Grillen ihren eigenen Einſichten
vorzuziehen, oder mit ihm in beſtaͤndigem Zanck
leben, ſo oft ſie handeln will, als haͤtte ſie einen
freyen Willen, und dabey den Vorwurf hoͤren,
daß ſie ein vor dem Altar-gethanes Geluͤbde breche:
an keinen Ort ohne ſeinen Willen gehen: keine
Bekandtſchaft machen, und die aͤlteſte und beſte
Freundſchaft aufgeben, wie er es haben will, es
mag ihr vernuͤnftig oder unvernuͤnftig vorkom-
men: das ſind in der That harte Forderungen.
Jſt es billig, daß ein Frauenzimmer dergleichen
Bedingungen einem andern zu Liebe eingehet, als
dem ſie ſelbſt ihr williges Ja-Wort giebt? Wenn
Sie das billig nennen koͤnnen, wie ungluͤcklich iſt
denn eine ſolche Perſon? wie muͤhſelig muß ihr
Leben ſeyn, wenn es anders noch des Namens des
Lebens werth iſt?
Jch wuͤnſchte, daß ich Jhnen insgeſamt ge-
horchen koͤnte. Wie vergnuͤgt wuͤrde ich daruͤber
ſeyn! Einer von meinen beſten Freunden gab die
Regel: erſt zu Heyrathen: die Liebe wuͤrde
ſich hernach ſchon finden. Ein fuͤrchterlicher
und widerſinniſcher Rath! Wo anfaͤnglich noch
ſo viel Liebe und Zaͤrtlichkeit iſt, koͤnnen tauſend
Dinge dazwiſchen kommen, die dieſen Stand ſo
beſchwerlich machen, daß es kaum zu ertragen iſt.
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