daß der Argwohn auf mich fiele. Das ist aber mein vester Entschluß: Kan ich seine Schwester nicht haben, so will ich ihn haben.
Doch dieses ausgesetzte so scheint jetzt die be- ste Gelegenheit zu seyn, etwas recht rühmwür- diges Böses vorzunehmen. Vor einiger Zeit ward eine Bande gegen mich gemacht: von nun an werden die Onckles und der Bruder stets zwey Bedienten um sich haben, anstatt daß sie vorhin Einen hatten; und diese Bedienten sollen doppelt bewafnet seyn wenn ihre Herren den Fuß aus dem Hause setzen. Dis ist ein Zeichen ihrer unver- söhnlichen Feindschaft gegen mich, und ihrer un- zertrennlichen Freundschaft mit Solmes.
Der widerholte Befehl, diese kriegerische Rü- stung anzulegen, ist dem zuzuschreiben, daß ich ge- stern, in ihrer Kirche gewesen bin: einem Orte, der sich am besten schickte, den Anfang zur Aussöhnung zu machen, wenn die Leute Christen wären, und bey ihrem Gebet einige Gedancken hätten. Jch hoffete, daß man mich ersuchen oder mir zum we- nigsten erlauben würde, den alten mürrischen Jun- cker nach Hause zu begleiten, damit ich meine Göttin einmal zu sehen bekommen möchte: denn ich dachte, man würde sich nicht unterstehen, gegen mich unhöflich zu seyn. Allein es schien, daß sie alle so bald ich in die Kirche trat mit Schrecken er- füllet wurden, und sie konten dieses Schrecken we- der überwinden noch verbergen. Jn ihrem Gesichte konte ich lesen, daß sie einen traurigen Ausgang er- warteten: und der solte auch gewiß erfolget seyn,
wenn
Die Geſchichte
daß der Argwohn auf mich fiele. Das iſt aber mein veſter Entſchluß: Kan ich ſeine Schweſter nicht haben, ſo will ich ihn haben.
Doch dieſes ausgeſetzte ſo ſcheint jetzt die be- ſte Gelegenheit zu ſeyn, etwas recht ruͤhmwuͤr- diges Boͤſes vorzunehmen. Vor einiger Zeit ward eine Bande gegen mich gemacht: von nun an werden die Onckles und der Bruder ſtets zwey Bedienten um ſich haben, anſtatt daß ſie vorhin Einen hatten; und dieſe Bedienten ſollen doppelt bewafnet ſeyn wenn ihre Herren den Fuß aus dem Hauſe ſetzen. Dis iſt ein Zeichen ihrer unver- ſoͤhnlichen Feindſchaft gegen mich, und ihrer un- zertrennlichen Freundſchaft mit Solmes.
Der widerholte Befehl, dieſe kriegeriſche Ruͤ- ſtung anzulegen, iſt dem zuzuſchreiben, daß ich ge- ſtern, in ihrer Kirche geweſen bin: einem Orte, der ſich am beſten ſchickte, den Anfang zur Ausſoͤhnung zu machen, wenn die Leute Chriſten waͤren, und bey ihrem Gebet einige Gedancken haͤtten. Jch hoffete, daß man mich erſuchen oder mir zum we- nigſten erlauben wuͤrde, den alten muͤrriſchen Jun- cker nach Hauſe zu begleiten, damit ich meine Goͤttin einmal zu ſehen bekommen moͤchte: denn ich dachte, man wuͤrde ſich nicht unterſtehen, gegen mich unhoͤflich zu ſeyn. Allein es ſchien, daß ſie alle ſo bald ich in die Kirche trat mit Schrecken er- fuͤllet wurden, und ſie konten dieſes Schrecken we- der uͤberwinden noch verbergen. Jn ihrem Geſichte konte ich leſen, daß ſie einen traurigen Ausgang er- warteten: und der ſolte auch gewiß erfolget ſeyn,
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Die Geſchichte
daß der Argwohn auf mich fiele. Das iſt aber
mein veſter Entſchluß: Kan ich ſeine Schweſter
nicht haben, ſo will ich ihn haben.
Doch dieſes ausgeſetzte ſo ſcheint jetzt die be-
ſte Gelegenheit zu ſeyn, etwas recht ruͤhmwuͤr-
diges Boͤſes vorzunehmen. Vor einiger Zeit
ward eine Bande gegen mich gemacht: von nun
an werden die Onckles und der Bruder ſtets zwey
Bedienten um ſich haben, anſtatt daß ſie vorhin
Einen hatten; und dieſe Bedienten ſollen doppelt
bewafnet ſeyn wenn ihre Herren den Fuß aus dem
Hauſe ſetzen. Dis iſt ein Zeichen ihrer unver-
ſoͤhnlichen Feindſchaft gegen mich, und ihrer un-
zertrennlichen Freundſchaft mit Solmes.
Der widerholte Befehl, dieſe kriegeriſche Ruͤ-
ſtung anzulegen, iſt dem zuzuſchreiben, daß ich ge-
ſtern, in ihrer Kirche geweſen bin: einem Orte, der
ſich am beſten ſchickte, den Anfang zur Ausſoͤhnung
zu machen, wenn die Leute Chriſten waͤren, und
bey ihrem Gebet einige Gedancken haͤtten. Jch
hoffete, daß man mich erſuchen oder mir zum we-
nigſten erlauben wuͤrde, den alten muͤrriſchen Jun-
cker nach Hauſe zu begleiten, damit ich meine
Goͤttin einmal zu ſehen bekommen moͤchte: denn
ich dachte, man wuͤrde ſich nicht unterſtehen, gegen
mich unhoͤflich zu ſeyn. Allein es ſchien, daß ſie
alle ſo bald ich in die Kirche trat mit Schrecken er-
fuͤllet wurden, und ſie konten dieſes Schrecken we-
der uͤberwinden noch verbergen. Jn ihrem Geſichte
konte ich leſen, daß ſie einen traurigen Ausgang er-
warteten: und der ſolte auch gewiß erfolget ſeyn,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/360>, abgerufen am 23.11.2024.
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