Frauenzimmer Vergnügen an meiner Gesellschaft fand: denn wer tantzte, wer sung, wer spielte bes- ser als dein Freund? (Jch habe jetzt eben Lust, Wind zu machen.)
Jch kan kein solcher Heuchler seyn, daß ich das an mir nicht erkennen solte, was ein jeder er- kennet. Das ist eine niederträchtige Heucheley, dadurch man Ruhm zu stehlen sucht! Es ist mir verächtlich, sich das auf eine gezwungene Weise abzusprechen, was man besitzt, und dem Lobe gleich- sam Netze zu stellen! Soll sich aber meine Eitel- keit blos bey den äussern Vorzügen aufhalten? bey der Gestalt, bey der Freundlichkeit und Muth, so das Gesicht verspricht? Diese sind es, die wir uns selbst geben und uns selbst lehren Meines Verstandes wegen rühme ich mich nicht. Viel- leicht antwortest du: ich hätte es auch richt Ursa- che. Das kan wahr seyn: wenn ich aber auch einige Vorzüge des Verstandes hätte, so ist das nicht mein eigenes von mir erworbenes Gut. Was ist es aber anders, als sich mit der Krähe in fremden Federn brüsten, wenn man überdas stoltz wird, davon uns der Misbrauch zugerechnet, der rechte Gebrauch aber nicht als ein Verdienst ange- rechnet werden kan.
Allein um wieder auf meine schöne Betrügerin zu kommen, so war es mir unerträglich, daß das erste Frauenzimmer, welches mich mit seidenen Fesseln gefesselt hatte, (nicht mit eisernen, wie meine jetzigen sind) mir einen Cornet vorziehen solte: und als der Vogel einmal weggeflogen
war,
Die Geſchichte
Frauenzimmer Vergnuͤgen an meiner Geſellſchaft fand: denn wer tantzte, wer ſung, wer ſpielte beſ- ſer als dein Freund? (Jch habe jetzt eben Luſt, Wind zu machen.)
Jch kan kein ſolcher Heuchler ſeyn, daß ich das an mir nicht erkennen ſolte, was ein jeder er- kennet. Das iſt eine niedertraͤchtige Heucheley, dadurch man Ruhm zu ſtehlen ſucht! Es iſt mir veraͤchtlich, ſich das auf eine gezwungene Weiſe abzuſprechen, was man beſitzt, und dem Lobe gleich- ſam Netze zu ſtellen! Soll ſich aber meine Eitel- keit blos bey den aͤuſſern Vorzuͤgen aufhalten? bey der Geſtalt, bey der Freundlichkeit und Muth, ſo das Geſicht verſpricht? Dieſe ſind es, die wir uns ſelbſt geben und uns ſelbſt lehren Meines Verſtandes wegen ruͤhme ich mich nicht. Viel- leicht antworteſt du: ich haͤtte es auch richt Urſa- che. Das kan wahr ſeyn: wenn ich aber auch einige Vorzuͤge des Verſtandes haͤtte, ſo iſt das nicht mein eigenes von mir erworbenes Gut. Was iſt es aber anders, als ſich mit der Kraͤhe in fremden Federn bruͤſten, wenn man uͤberdas ſtoltz wird, davon uns der Misbrauch zugerechnet, der rechte Gebrauch aber nicht als ein Verdienſt ange- rechnet werden kan.
Allein um wieder auf meine ſchoͤne Betruͤgerin zu kommen, ſo war es mir unertraͤglich, daß das erſte Frauenzimmer, welches mich mit ſeidenen Feſſeln gefeſſelt hatte, (nicht mit eiſernen, wie meine jetzigen ſind) mir einen Cornet vorziehen ſolte: und als der Vogel einmal weggeflogen
war,
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Die Geſchichte
Frauenzimmer Vergnuͤgen an meiner Geſellſchaft
fand: denn wer tantzte, wer ſung, wer ſpielte beſ-
ſer als dein Freund? (Jch habe jetzt eben Luſt,
Wind zu machen.)
Jch kan kein ſolcher Heuchler ſeyn, daß ich
das an mir nicht erkennen ſolte, was ein jeder er-
kennet. Das iſt eine niedertraͤchtige Heucheley,
dadurch man Ruhm zu ſtehlen ſucht! Es iſt mir
veraͤchtlich, ſich das auf eine gezwungene Weiſe
abzuſprechen, was man beſitzt, und dem Lobe gleich-
ſam Netze zu ſtellen! Soll ſich aber meine Eitel-
keit blos bey den aͤuſſern Vorzuͤgen aufhalten? bey
der Geſtalt, bey der Freundlichkeit und Muth, ſo
das Geſicht verſpricht? Dieſe ſind es, die wir
uns ſelbſt geben und uns ſelbſt lehren Meines
Verſtandes wegen ruͤhme ich mich nicht. Viel-
leicht antworteſt du: ich haͤtte es auch richt Urſa-
che. Das kan wahr ſeyn: wenn ich aber auch
einige Vorzuͤge des Verſtandes haͤtte, ſo iſt das
nicht mein eigenes von mir erworbenes Gut.
Was iſt es aber anders, als ſich mit der Kraͤhe in
fremden Federn bruͤſten, wenn man uͤberdas ſtoltz
wird, davon uns der Misbrauch zugerechnet, der
rechte Gebrauch aber nicht als ein Verdienſt ange-
rechnet werden kan.
Allein um wieder auf meine ſchoͤne Betruͤgerin
zu kommen, ſo war es mir unertraͤglich, daß das
erſte Frauenzimmer, welches mich mit ſeidenen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/348>, abgerufen am 25.11.2024.
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