schreiben, was Jhnen Jhre lebhafte Erfindungs- Kraft eingiebt, wenn es gleich nicht völlig mit der Sache übereinstimmet. Man könnte zwar erwarten, daß ich weniger hievon sagen sollte, weil Sie aus Liebe zu mir auf jenen ungehalten sind. Sollten wir uns aber nicht billig bestreben, so von uns und allem dem was uns betrifft zu urtheilen, als wir mit Recht glauben können, daß andere von uns und von unsern Handlun- gen urtheilen werden?
Was Jhren Rath anlangt, das meinige wider zu nehmen, so bin ich einmal vest entschlossen, kei- nen Proceß mit meinem Vater anzufangen, es mag auch daraus kommen, was da will. Jch werde Jhnen vielleicht zu anderer Zeit eine voll- ständigere Antwort auf diese Jhre Gedancken ge- ben können: jetzt will ich blos die Anmerckung machen, daß Herr Lovelace es schwerlich der Mühe werth achten würde, sich um mich zu be- werben, wenn er diese meine Entschliessung wüßte. So viel auch die Manns-Personen schmeicheln, so haben sie doch immer ihre Absich- ten auf dasjenige gerichtet, was ihnen beständig bleibt. Sie thun recht daran. Es müste einem die Liebe sehr thöricht vorkommen, wenn man am Ende wider zurücksähe, und sie hätte Leute, die zum Ueberfluß geboren sind, in Dürfftigkeit ge- setzt, und ein erhabenes Gemüth in die Umstände gebracht, daß es anderer Gnade leben müste.
Sie haben einen sehr artigen Einfall; daß der Unterscheid unserer Gemüther macht, daß wir
uns
Die Geſchichte
ſchreiben, was Jhnen Jhre lebhafte Erfindungs- Kraft eingiebt, wenn es gleich nicht voͤllig mit der Sache uͤbereinſtimmet. Man koͤnnte zwar erwarten, daß ich weniger hievon ſagen ſollte, weil Sie aus Liebe zu mir auf jenen ungehalten ſind. Sollten wir uns aber nicht billig beſtreben, ſo von uns und allem dem was uns betrifft zu urtheilen, als wir mit Recht glauben koͤnnen, daß andere von uns und von unſern Handlun- gen urtheilen werden?
Was Jhren Rath anlangt, das meinige wider zu nehmen, ſo bin ich einmal veſt entſchloſſen, kei- nen Proceß mit meinem Vater anzufangen, es mag auch daraus kommen, was da will. Jch werde Jhnen vielleicht zu anderer Zeit eine voll- ſtaͤndigere Antwort auf dieſe Jhre Gedancken ge- ben koͤnnen: jetzt will ich blos die Anmerckung machen, daß Herr Lovelace es ſchwerlich der Muͤhe werth achten wuͤrde, ſich um mich zu be- werben, wenn er dieſe meine Entſchlieſſung wuͤßte. So viel auch die Manns-Perſonen ſchmeicheln, ſo haben ſie doch immer ihre Abſich- ten auf dasjenige gerichtet, was ihnen beſtaͤndig bleibt. Sie thun recht daran. Es muͤſte einem die Liebe ſehr thoͤricht vorkommen, wenn man am Ende wider zuruͤckſaͤhe, und ſie haͤtte Leute, die zum Ueberfluß geboren ſind, in Duͤrfftigkeit ge- ſetzt, und ein erhabenes Gemuͤth in die Umſtaͤnde gebracht, daß es anderer Gnade leben muͤſte.
Sie haben einen ſehr artigen Einfall; daß der Unterſcheid unſerer Gemuͤther macht, daß wir
uns
<TEI><text><body><divn="2"><divn="2"><p><pbfacs="#f0320"n="300"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>ſchreiben, was Jhnen Jhre lebhafte Erfindungs-<lb/>
Kraft eingiebt, wenn es gleich nicht voͤllig mit<lb/>
der Sache uͤbereinſtimmet. Man koͤnnte zwar<lb/>
erwarten, daß ich weniger hievon ſagen ſollte,<lb/>
weil Sie aus Liebe zu mir auf jenen ungehalten<lb/>ſind. Sollten wir uns aber nicht billig beſtreben,<lb/>ſo von uns und allem dem was uns betrifft zu<lb/>
urtheilen, als wir mit Recht glauben koͤnnen,<lb/>
daß andere von uns und von unſern Handlun-<lb/>
gen urtheilen werden?</p><lb/><p>Was Jhren Rath anlangt, das meinige wider<lb/>
zu nehmen, ſo bin ich einmal veſt entſchloſſen, kei-<lb/>
nen Proceß mit meinem Vater anzufangen, es<lb/>
mag auch daraus kommen, was da will. Jch<lb/>
werde Jhnen vielleicht zu anderer Zeit eine voll-<lb/>ſtaͤndigere Antwort auf dieſe Jhre Gedancken ge-<lb/>
ben koͤnnen: jetzt will ich blos die Anmerckung<lb/>
machen, daß Herr <hirendition="#fr">Lovelace</hi> es ſchwerlich der<lb/>
Muͤhe werth achten wuͤrde, ſich um mich zu be-<lb/>
werben, wenn er dieſe meine Entſchlieſſung<lb/>
wuͤßte. So viel auch die Manns-Perſonen<lb/>ſchmeicheln, ſo haben ſie doch immer ihre Abſich-<lb/>
ten auf dasjenige gerichtet, was ihnen beſtaͤndig<lb/>
bleibt. Sie thun recht daran. Es muͤſte einem<lb/>
die Liebe ſehr thoͤricht vorkommen, wenn man am<lb/>
Ende wider zuruͤckſaͤhe, und ſie haͤtte Leute, die<lb/>
zum Ueberfluß geboren ſind, in Duͤrfftigkeit ge-<lb/>ſetzt, und ein erhabenes Gemuͤth in die Umſtaͤnde<lb/>
gebracht, daß es anderer Gnade leben muͤſte.</p><lb/><p>Sie haben einen ſehr artigen Einfall; daß der<lb/>
Unterſcheid unſerer Gemuͤther macht, daß wir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">uns</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[300/0320]
Die Geſchichte
ſchreiben, was Jhnen Jhre lebhafte Erfindungs-
Kraft eingiebt, wenn es gleich nicht voͤllig mit
der Sache uͤbereinſtimmet. Man koͤnnte zwar
erwarten, daß ich weniger hievon ſagen ſollte,
weil Sie aus Liebe zu mir auf jenen ungehalten
ſind. Sollten wir uns aber nicht billig beſtreben,
ſo von uns und allem dem was uns betrifft zu
urtheilen, als wir mit Recht glauben koͤnnen,
daß andere von uns und von unſern Handlun-
gen urtheilen werden?
Was Jhren Rath anlangt, das meinige wider
zu nehmen, ſo bin ich einmal veſt entſchloſſen, kei-
nen Proceß mit meinem Vater anzufangen, es
mag auch daraus kommen, was da will. Jch
werde Jhnen vielleicht zu anderer Zeit eine voll-
ſtaͤndigere Antwort auf dieſe Jhre Gedancken ge-
ben koͤnnen: jetzt will ich blos die Anmerckung
machen, daß Herr Lovelace es ſchwerlich der
Muͤhe werth achten wuͤrde, ſich um mich zu be-
werben, wenn er dieſe meine Entſchlieſſung
wuͤßte. So viel auch die Manns-Perſonen
ſchmeicheln, ſo haben ſie doch immer ihre Abſich-
ten auf dasjenige gerichtet, was ihnen beſtaͤndig
bleibt. Sie thun recht daran. Es muͤſte einem
die Liebe ſehr thoͤricht vorkommen, wenn man am
Ende wider zuruͤckſaͤhe, und ſie haͤtte Leute, die
zum Ueberfluß geboren ſind, in Duͤrfftigkeit ge-
ſetzt, und ein erhabenes Gemuͤth in die Umſtaͤnde
gebracht, daß es anderer Gnade leben muͤſte.
Sie haben einen ſehr artigen Einfall; daß der
Unterſcheid unſerer Gemuͤther macht, daß wir
uns
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/320>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.