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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.

"Du wirst aber den Unterschied sehen, mein
"Kind (fuhr meine Mutter fort) wenn du be-
"denckst, wie ich mit dir umgehe. Jch preise
"dir einen der tugendhaftesten Männer in Eng-
"land an, der zugleich einer der artigsten ist

(Meiner Mutter Einsichten in die Artigkeit und
Aufführung einer Manns-Person gelten bey mir
sehr wenig. Sie urtheilet für ihre Tochter nach
eben den Regeln, nach welchen sie vor zwantzig
Jahren für sich selbst geurtheilet haben würde:
denn von diesem alten Schrot und Korn scheint
mir Hickman zu seyn, wenn ich auf sein Gemüth
sehe. Sie werden selbst nicht leugnen können,
daß er allzupünctlich und gezwungen, und viel zu
voll von Complimenten ist.)

"Einen Mann (fuhr meine Mutter fort) von
"guter Familie, der artige, unverschuldete und
"einträgliche Güter hat. (Eine Haupt-Betrach-
tung, die meine Mutter mit gewissen andern
Leuten gemein hat) "Jch bitte und flehe dich,
"ihm einige Hoffnung zu geben, und ihm zum
"wenigsten nicht deswegen unartiger zu begeg-
"nen, weil er so folgsam gegen dich ist."

(Das wäre eben recht, wenn ich ihm freundlich
begegnete. Er würde mir bald vertraulich be-
gegnen wollen. Fremde muß man gegen die
dreisten Manns-Leute thun!)

"Alles dieses richtet bey dir nicht so viel aus,
"daß du meinem Willen folgetest. Was würdest
"du sagen, wenn dir so begegnet würde, als der
"Fräulein Harlowe von ihrem Vater und Mut-
"ter?"

Was
T 2
der Clariſſa.

„Du wirſt aber den Unterſchied ſehen, mein
„Kind (fuhr meine Mutter fort) wenn du be-
„denckſt, wie ich mit dir umgehe. Jch preiſe
„dir einen der tugendhafteſten Maͤnner in Eng-
„land an, der zugleich einer der artigſten iſt

(Meiner Mutter Einſichten in die Artigkeit und
Auffuͤhrung einer Manns-Perſon gelten bey mir
ſehr wenig. Sie urtheilet fuͤr ihre Tochter nach
eben den Regeln, nach welchen ſie vor zwantzig
Jahren fuͤr ſich ſelbſt geurtheilet haben wuͤrde:
denn von dieſem alten Schrot und Korn ſcheint
mir Hickman zu ſeyn, wenn ich auf ſein Gemuͤth
ſehe. Sie werden ſelbſt nicht leugnen koͤnnen,
daß er allzupuͤnctlich und gezwungen, und viel zu
voll von Complimenten iſt.)

„Einen Mann (fuhr meine Mutter fort) von
„guter Familie, der artige, unverſchuldete und
„eintraͤgliche Guͤter hat. (Eine Haupt-Betrach-
tung, die meine Mutter mit gewiſſen andern
Leuten gemein hat) „Jch bitte und flehe dich,
„ihm einige Hoffnung zu geben, und ihm zum
„wenigſten nicht deswegen unartiger zu begeg-
„nen, weil er ſo folgſam gegen dich iſt.„

(Das waͤre eben recht, wenn ich ihm freundlich
begegnete. Er wuͤrde mir bald vertraulich be-
gegnen wollen. Fremde muß man gegen die
dreiſten Manns-Leute thun!)

„Alles dieſes richtet bey dir nicht ſo viel aus,
„daß du meinem Willen folgeteſt. Was wuͤrdeſt
„du ſagen, wenn dir ſo begegnet wuͤrde, als der
„Fraͤulein Harlowe von ihrem Vater und Mut-
„ter?„

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[291/0311] der Clariſſa. „Du wirſt aber den Unterſchied ſehen, mein „Kind (fuhr meine Mutter fort) wenn du be- „denckſt, wie ich mit dir umgehe. Jch preiſe „dir einen der tugendhafteſten Maͤnner in Eng- „land an, der zugleich einer der artigſten iſt (Meiner Mutter Einſichten in die Artigkeit und Auffuͤhrung einer Manns-Perſon gelten bey mir ſehr wenig. Sie urtheilet fuͤr ihre Tochter nach eben den Regeln, nach welchen ſie vor zwantzig Jahren fuͤr ſich ſelbſt geurtheilet haben wuͤrde: denn von dieſem alten Schrot und Korn ſcheint mir Hickman zu ſeyn, wenn ich auf ſein Gemuͤth ſehe. Sie werden ſelbſt nicht leugnen koͤnnen, daß er allzupuͤnctlich und gezwungen, und viel zu voll von Complimenten iſt.) „Einen Mann (fuhr meine Mutter fort) von „guter Familie, der artige, unverſchuldete und „eintraͤgliche Guͤter hat. (Eine Haupt-Betrach- tung, die meine Mutter mit gewiſſen andern Leuten gemein hat) „Jch bitte und flehe dich, „ihm einige Hoffnung zu geben, und ihm zum „wenigſten nicht deswegen unartiger zu begeg- „nen, weil er ſo folgſam gegen dich iſt.„ (Das waͤre eben recht, wenn ich ihm freundlich begegnete. Er wuͤrde mir bald vertraulich be- gegnen wollen. Fremde muß man gegen die dreiſten Manns-Leute thun!) „Alles dieſes richtet bey dir nicht ſo viel aus, „daß du meinem Willen folgeteſt. Was wuͤrdeſt „du ſagen, wenn dir ſo begegnet wuͤrde, als der „Fraͤulein Harlowe von ihrem Vater und Mut- „ter?„ Was T 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/311>, abgerufen am 25.11.2024.