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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
"über, daß es mir schmertzlich sey von seiner Ge-
"genwart ausgeschlossen und auf meine Stube
"verbannet zu seyn. Jch verspreche in allen übri-
"gen Dingen, dieses eintzige ausgenommen, ei-
"nen gantz blinden Gehorsam und völlige Ver-
"leugnung meines Willens. Jch wiederhole
"mein voriges Anerbieten, unverheyrathet zu
"bleiben, und frage ihn, ob ich ihm in mei-
"nem gantzen Leben je Anlaß gegeben habe, an
"der Wahrheit meiner Worte zu zweiffeln? Jch
"bitte um Erlaubniß, wieder vor ihn und vor
"meine Mutter zu kommen, und meinen Wan-
"del unter ihrer eigenen Aufsicht zu führen: und
"es sey dieses desto nöthiger, weil ich mit Grun-
"de glaubte, daß Schlingen für mich gelegt
"wären, und daß auch Lästerungen und Lügen
"nicht gesparet würden, um Worte von mir
"herauszulocken, die man wider mich gebrau-
"chen könne, da es mir ohnmöglich gemacht
"sey, mich zu verantworten. Den Schluß
"mache ich mit dem Ausdruck: ich hoffete, es
"werde meinem Bruder nicht gelingen, einem
"unglücklichen Kinde seinen Vater zu rauben.

Hier folgt die grausame Antwort, die ich
ohne Aufschrifft und unversiegelt aus Elisa-
beths
Händen annehmen mußte. Sie über-
gab mir das Blat mit solchen Geberden, als
wenn ihr der Jnhalt nicht unbekant wäre.

Mitte-

der Clariſſa.
„uͤber, daß es mir ſchmertzlich ſey von ſeiner Ge-
„genwart ausgeſchloſſen und auf meine Stube
„verbannet zu ſeyn. Jch verſpreche in allen uͤbri-
„gen Dingen, dieſes eintzige ausgenommen, ei-
„nen gantz blinden Gehorſam und voͤllige Ver-
„leugnung meines Willens. Jch wiederhole
„mein voriges Anerbieten, unverheyrathet zu
„bleiben, und frage ihn, ob ich ihm in mei-
„nem gantzen Leben je Anlaß gegeben habe, an
„der Wahrheit meiner Worte zu zweiffeln? Jch
„bitte um Erlaubniß, wieder vor ihn und vor
„meine Mutter zu kommen, und meinen Wan-
„del unter ihrer eigenen Aufſicht zu fuͤhren: und
„es ſey dieſes deſto noͤthiger, weil ich mit Grun-
„de glaubte, daß Schlingen fuͤr mich gelegt
„waͤren, und daß auch Laͤſterungen und Luͤgen
„nicht geſparet wuͤrden, um Worte von mir
„herauszulocken, die man wider mich gebrau-
„chen koͤnne, da es mir ohnmoͤglich gemacht
„ſey, mich zu verantworten. Den Schluß
„mache ich mit dem Ausdruck: ich hoffete, es
„werde meinem Bruder nicht gelingen, einem
„ungluͤcklichen Kinde ſeinen Vater zu rauben.

Hier folgt die grauſame Antwort, die ich
ohne Aufſchrifft und unverſiegelt aus Eliſa-
beths
Haͤnden annehmen mußte. Sie uͤber-
gab mir das Blat mit ſolchen Geberden, als
wenn ihr der Jnhalt nicht unbekant waͤre.

Mitte-
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[271/0291] der Clariſſa. „uͤber, daß es mir ſchmertzlich ſey von ſeiner Ge- „genwart ausgeſchloſſen und auf meine Stube „verbannet zu ſeyn. Jch verſpreche in allen uͤbri- „gen Dingen, dieſes eintzige ausgenommen, ei- „nen gantz blinden Gehorſam und voͤllige Ver- „leugnung meines Willens. Jch wiederhole „mein voriges Anerbieten, unverheyrathet zu „bleiben, und frage ihn, ob ich ihm in mei- „nem gantzen Leben je Anlaß gegeben habe, an „der Wahrheit meiner Worte zu zweiffeln? Jch „bitte um Erlaubniß, wieder vor ihn und vor „meine Mutter zu kommen, und meinen Wan- „del unter ihrer eigenen Aufſicht zu fuͤhren: und „es ſey dieſes deſto noͤthiger, weil ich mit Grun- „de glaubte, daß Schlingen fuͤr mich gelegt „waͤren, und daß auch Laͤſterungen und Luͤgen „nicht geſparet wuͤrden, um Worte von mir „herauszulocken, die man wider mich gebrau- „chen koͤnne, da es mir ohnmoͤglich gemacht „ſey, mich zu verantworten. Den Schluß „mache ich mit dem Ausdruck: ich hoffete, es „werde meinem Bruder nicht gelingen, einem „ungluͤcklichen Kinde ſeinen Vater zu rauben. Hier folgt die grauſame Antwort, die ich ohne Aufſchrifft und unverſiegelt aus Eliſa- beths Haͤnden annehmen mußte. Sie uͤber- gab mir das Blat mit ſolchen Geberden, als wenn ihr der Jnhalt nicht unbekant waͤre. Mitte-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/291>, abgerufen am 22.11.2024.