re befragt worden, ob sie Briefe an mich oder von mir bey sich hätte. Sie hätte sich gantz von Fräu- lein Harlowe durchsuchen lassen, um sie zu über- zeugen, daß sie keine Briefe hätte. Hierauf gab sie mir Nachricht, wie viel Phasanen und Jndia- nische Hüner auf dem Hofe befindlich wären: und ich antwortete, ich wollte selbst dafür sorgen, daß sie gefuttert würden, und täglich zwey oder drey mahl hingehen.
Wir beweinten uns untereinander bey dem Abschied. Das Mädchen wünschte noch jedwedem im Hause namentlich alles Gute was es wuste.
Es ist eine schmertzliche Sache, sich einer so treuen Bedientin auf eine so unanständige Weise beraubt zu sehen. Jch konnte mich nicht enthal- ten zu sagen: diese Mittel wären zwar hinlänglich mich zu betrüben, allein sehr unzulänglich zu allen andern Endzwecken meiner Verfolger.
Elisabeth sagte zwar hiebey zu der Schorey mit einem verdrießlichen Hohngelächter: man würde sehen wie künstlich ein jeder wäre. Jch that aber nicht, als wenn ich es hörte. Wenn die Hexe meynt, daß ich ihrer Fräulein ein Hertz gestohlen habe, wie sie gesagt hat; so hält sie es wohl für ihre Schuldigkeit, gegen mich grob zu seyn.
Auf diese Weise habe ich mich von meiner gu- ten Hannichen scheiden müssen. Wenn Sie einen anständigen Ort für sie wissen, so versorgen Sie das Mädchen aus Liebe gegen mich.
Der
Die Geſchichte
re befragt worden, ob ſie Briefe an mich oder von mir bey ſich haͤtte. Sie haͤtte ſich gantz von Fraͤu- lein Harlowe durchſuchen laſſen, um ſie zu uͤber- zeugen, daß ſie keine Briefe haͤtte. Hierauf gab ſie mir Nachricht, wie viel Phaſanen und Jndia- niſche Huͤner auf dem Hofe befindlich waͤren: und ich antwortete, ich wollte ſelbſt dafuͤr ſorgen, daß ſie gefuttert wuͤrden, und taͤglich zwey oder drey mahl hingehen.
Wir beweinten uns untereinander bey dem Abſchied. Das Maͤdchen wuͤnſchte noch jedwedem im Hauſe namentlich alles Gute was es wuſte.
Es iſt eine ſchmertzliche Sache, ſich einer ſo treuen Bedientin auf eine ſo unanſtaͤndige Weiſe beraubt zu ſehen. Jch konnte mich nicht enthal- ten zu ſagen: dieſe Mittel waͤren zwar hinlaͤnglich mich zu betruͤben, allein ſehr unzulaͤnglich zu allen andern Endzwecken meiner Verfolger.
Eliſabeth ſagte zwar hiebey zu der Schorey mit einem verdrießlichen Hohngelaͤchter: man wuͤrde ſehen wie kuͤnſtlich ein jeder waͤre. Jch that aber nicht, als wenn ich es hoͤrte. Wenn die Hexe meynt, daß ich ihrer Fraͤulein ein Hertz geſtohlen habe, wie ſie geſagt hat; ſo haͤlt ſie es wohl fuͤr ihre Schuldigkeit, gegen mich grob zu ſeyn.
Auf dieſe Weiſe habe ich mich von meiner gu- ten Hannichen ſcheiden muͤſſen. Wenn Sie einen anſtaͤndigen Ort fuͤr ſie wiſſen, ſo verſorgen Sie das Maͤdchen aus Liebe gegen mich.
Der
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Die Geſchichte
re befragt worden, ob ſie Briefe an mich oder von
mir bey ſich haͤtte. Sie haͤtte ſich gantz von Fraͤu-
lein Harlowe durchſuchen laſſen, um ſie zu uͤber-
zeugen, daß ſie keine Briefe haͤtte. Hierauf gab
ſie mir Nachricht, wie viel Phaſanen und Jndia-
niſche Huͤner auf dem Hofe befindlich waͤren: und
ich antwortete, ich wollte ſelbſt dafuͤr ſorgen, daß
ſie gefuttert wuͤrden, und taͤglich zwey oder drey
mahl hingehen.
Wir beweinten uns untereinander bey dem
Abſchied. Das Maͤdchen wuͤnſchte noch jedwedem
im Hauſe namentlich alles Gute was es wuſte.
Es iſt eine ſchmertzliche Sache, ſich einer ſo
treuen Bedientin auf eine ſo unanſtaͤndige Weiſe
beraubt zu ſehen. Jch konnte mich nicht enthal-
ten zu ſagen: dieſe Mittel waͤren zwar hinlaͤnglich
mich zu betruͤben, allein ſehr unzulaͤnglich zu allen
andern Endzwecken meiner Verfolger.
Eliſabeth ſagte zwar hiebey zu der Schorey
mit einem verdrießlichen Hohngelaͤchter: man
wuͤrde ſehen wie kuͤnſtlich ein jeder waͤre.
Jch that aber nicht, als wenn ich es hoͤrte. Wenn
die Hexe meynt, daß ich ihrer Fraͤulein ein Hertz
geſtohlen habe, wie ſie geſagt hat; ſo haͤlt ſie es
wohl fuͤr ihre Schuldigkeit, gegen mich grob zu
ſeyn.
Auf dieſe Weiſe habe ich mich von meiner gu-
ten Hannichen ſcheiden muͤſſen. Wenn Sie
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Sie das Maͤdchen aus Liebe gegen mich.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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