machen müßten, aufgeben kan. Wen kan ich hierüber ausser Jhnen um Rath fragen?
Alle meine Verwandten sind nun versammlet, und frühstücken miteinander. Jch bin so unru- hig, daß ich die Feder niederlegen muß.
Sie gehen miteinander nach der Kirche. Han- nichen sagt, man könne ihnen den Verdruß und die Unruhe an der Stirne ansehen: und sie glaubt, es müsse ein Endschluß gefasset seyn.
Sonntag Mittags.
Nichts ist quälender, als zwischen Furcht und Hoffnung zu schweben. Jch will mir Erlaubniß ausbitten, diesen Nachmittag in die Kirche zu ge- hen. Jch sehe zwar einer abschlägigen Antwort schon entgegen; allein wenn ich nicht bitte, so wird es heissen, die Schuld sey mein eigen, daß ich zu Hause bleiben müßte.
Jch verlangte Schorey zu sprechen. Als sie kam, ersuchte ich sie, meine Mutter in meinem Namen um Erlaubniß zu bitten, daß ich diesen Nachmittag in die Kirche gehen dürffte. Was meynen Sie, was bekam ich für Antwort? Sie muß ihren Bruder bitten/ wenn sie etwas zu bitten hat. So bin ich denn an meinen Bruder verkaufft.
Jch war dennoch entschlossen, ihn darum zu bitten. Als mir das Essen geschickt ward, gab ich einen Brief mit, in welchem ich mich an ihn
wandte,
Q 5
der Clariſſa.
machen muͤßten, aufgeben kan. Wen kan ich hieruͤber auſſer Jhnen um Rath fragen?
Alle meine Verwandten ſind nun verſammlet, und fruͤhſtuͤcken miteinander. Jch bin ſo unru- hig, daß ich die Feder niederlegen muß.
Sie gehen miteinander nach der Kirche. Han- nichen ſagt, man koͤnne ihnen den Verdruß und die Unruhe an der Stirne anſehen: und ſie glaubt, es muͤſſe ein Endſchluß gefaſſet ſeyn.
Sonntag Mittags.
Nichts iſt quaͤlender, als zwiſchen Furcht und Hoffnung zu ſchweben. Jch will mir Erlaubniß ausbitten, dieſen Nachmittag in die Kirche zu ge- hen. Jch ſehe zwar einer abſchlaͤgigen Antwort ſchon entgegen; allein wenn ich nicht bitte, ſo wird es heiſſen, die Schuld ſey mein eigen, daß ich zu Hauſe bleiben muͤßte.
Jch verlangte Schorey zu ſprechen. Als ſie kam, erſuchte ich ſie, meine Mutter in meinem Namen um Erlaubniß zu bitten, daß ich dieſen Nachmittag in die Kirche gehen duͤrffte. Was meynen Sie, was bekam ich fuͤr Antwort? Sie muß ihren Bruder bitten/ wenn ſie etwas zu bitten hat. So bin ich denn an meinen Bruder verkaufft.
Jch war dennoch entſchloſſen, ihn darum zu bitten. Als mir das Eſſen geſchickt ward, gab ich einen Brief mit, in welchem ich mich an ihn
wandte,
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der Clariſſa.
machen muͤßten, aufgeben kan. Wen kan ich
hieruͤber auſſer Jhnen um Rath fragen?
Alle meine Verwandten ſind nun verſammlet,
und fruͤhſtuͤcken miteinander. Jch bin ſo unru-
hig, daß ich die Feder niederlegen muß.
Sie gehen miteinander nach der Kirche. Han-
nichen ſagt, man koͤnne ihnen den Verdruß und
die Unruhe an der Stirne anſehen: und ſie glaubt,
es muͤſſe ein Endſchluß gefaſſet ſeyn.
Sonntag Mittags.
Nichts iſt quaͤlender, als zwiſchen Furcht und
Hoffnung zu ſchweben. Jch will mir Erlaubniß
ausbitten, dieſen Nachmittag in die Kirche zu ge-
hen. Jch ſehe zwar einer abſchlaͤgigen Antwort
ſchon entgegen; allein wenn ich nicht bitte, ſo wird
es heiſſen, die Schuld ſey mein eigen, daß ich zu
Hauſe bleiben muͤßte.
Jch verlangte Schorey zu ſprechen. Als ſie
kam, erſuchte ich ſie, meine Mutter in meinem
Namen um Erlaubniß zu bitten, daß ich dieſen
Nachmittag in die Kirche gehen duͤrffte. Was
meynen Sie, was bekam ich fuͤr Antwort? Sie
muß ihren Bruder bitten/ wenn ſie etwas
zu bitten hat. So bin ich denn an meinen
Bruder verkaufft.
Jch war dennoch entſchloſſen, ihn darum zu
bitten. Als mir das Eſſen geſchickt ward, gab
ich einen Brief mit, in welchem ich mich an ihn
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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