von diesem Manne seyn/ wenn du gegen alle andere Manns-Personen gleich gesin- net wärest. Dein Eigensinn und Hals- starrigkeit macht mich endlich müde/du bist das allerhallstarrigste Mädchen/ das ich je gesehen habe. Du bedenckst nicht/ daß es dem Vater anfangen wird/ wo ich es lassen werde; und daß ich mich gäntzlich deines Umgangs enthalten muß/ wenn du nicht nachgiebst. Jch will es dir noch einmal antragen. Kanst du dich entschliessen/ deinen Vater zum Zorn zu reitzen/ und ihm zu trotzen? und deinen Onckels auch zu trotzen? Willst du lieber mit uns insge- samt zerfallen/ als Herrn Solmes/ oder mir nur einige Hoffnung geben?
"Wie schwer wird mir die Wahl? Allein "was soll ich antworten, wenn ich aufrichtig ant- "worten will? Kan nicht meine ewige Glück- "seligkeit durch eine Antwort, die ich gern ge- "ben wollte, in Gefahr gesetzt werden? Wird "nicht jeder Schatten der Hoffnung, die ich so "gern geben wollte, unvermuthet durch eine dar- "über gemachte Auslegung in eine Gewißheit "verwandelt werden? Sucht man mich nicht zu "fangen, und sucht man nicht selbst mein Ver- "langen, Gehorsam zu leisten, gegen mich an- "zuwenden, wenn ich mich übereilte einige Ant- "wort zu geben, daraus man eine Hoffnung "machen könnte? Vergeben sie, daß ein Kind
so
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der Clariſſa.
von dieſem Manne ſeyn/ wenn du gegen alle andere Manns-Perſonen gleich geſin- net waͤreſt. Dein Eigenſinn und Hals- ſtarrigkeit macht mich endlich muͤde/du biſt das allerhallſtarrigſte Maͤdchen/ das ich je geſehen habe. Du bedenckſt nicht/ daß es dem Vater anfangen wird/ wo ich es laſſen werde; und daß ich mich gaͤntzlich deines Umgangs enthalten muß/ wenn du nicht nachgiebſt. Jch will es dir noch einmal antragen. Kanſt du dich entſchlieſſen/ deinen Vater zum Zorn zu reitzen/ und ihm zu trotzen? und deinen Onckels auch zu trotzen? Willſt du lieber mit uns insge- ſamt zerfallen/ als Herrn Solmes/ oder mir nur einige Hoffnung geben?
„Wie ſchwer wird mir die Wahl? Allein „was ſoll ich antworten, wenn ich aufrichtig ant- „worten will? Kan nicht meine ewige Gluͤck- „ſeligkeit durch eine Antwort, die ich gern ge- „ben wollte, in Gefahr geſetzt werden? Wird „nicht jeder Schatten der Hoffnung, die ich ſo „gern geben wollte, unvermuthet durch eine dar- „uͤber gemachte Auslegung in eine Gewißheit „verwandelt werden? Sucht man mich nicht zu „fangen, und ſucht man nicht ſelbſt mein Ver- „langen, Gehorſam zu leiſten, gegen mich an- „zuwenden, wenn ich mich uͤbereilte einige Ant- „wort zu geben, daraus man eine Hoffnung „machen koͤnnte? Vergeben ſie, daß ein Kind
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der Clariſſa.
von dieſem Manne ſeyn/ wenn du gegen
alle andere Manns-Perſonen gleich geſin-
net waͤreſt. Dein Eigenſinn und Hals-
ſtarrigkeit macht mich endlich muͤde/du biſt
das allerhallſtarrigſte Maͤdchen/ das ich
je geſehen habe. Du bedenckſt nicht/ daß es
dem Vater anfangen wird/ wo ich es laſſen
werde; und daß ich mich gaͤntzlich deines
Umgangs enthalten muß/ wenn du nicht
nachgiebſt. Jch will es dir noch einmal
antragen. Kanſt du dich entſchlieſſen/
deinen Vater zum Zorn zu reitzen/ und ihm
zu trotzen? und deinen Onckels auch zu
trotzen? Willſt du lieber mit uns insge-
ſamt zerfallen/ als Herrn Solmes/
oder mir nur einige Hoffnung geben?
„Wie ſchwer wird mir die Wahl? Allein
„was ſoll ich antworten, wenn ich aufrichtig ant-
„worten will? Kan nicht meine ewige Gluͤck-
„ſeligkeit durch eine Antwort, die ich gern ge-
„ben wollte, in Gefahr geſetzt werden? Wird
„nicht jeder Schatten der Hoffnung, die ich ſo
„gern geben wollte, unvermuthet durch eine dar-
„uͤber gemachte Auslegung in eine Gewißheit
„verwandelt werden? Sucht man mich nicht zu
„fangen, und ſucht man nicht ſelbſt mein Ver-
„langen, Gehorſam zu leiſten, gegen mich an-
„zuwenden, wenn ich mich uͤbereilte einige Ant-
„wort zu geben, daraus man eine Hoffnung
„machen koͤnnte? Vergeben ſie, daß ein Kind
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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