bekam zur Anewort: "wenn ich Proben meines "Gehorsams geben wollte, so müsten sie und "nicht ich selbst bestimmen, worin diese Pro- "ben bestehen sollten."
Jch antwortete: "ich hoffete, ich hätte mich "stets so aufgeführet, daß eine solche Probe "meines Gehorsams, als man mir jetzt auf- "legte, nicht nöthig wäre.
Ja, sagte sie, "du hast dich sehr wohl auf- "geführet. Allein dein Gehorsam ist bisher "noch nie auf die Probe gestellet worden, und "ich hoffe, du wirst in dieser Probe gut bestehen "wollen. So lange die Kinder klein sind, gefällt "den Eltern alles was sie thun. Du bist frey- "lich in deiner gantzen Aufführung ein gutes "Kind gewesen: wir aber haben dir mehr nach- "gegeben, als du uns. Jetzt ist die rechte Probier- "Zeit, da du in die Jahre getreten bist, daß wir "auf deine Verheyrathung dencken können: son- "derlich da dein Gros-Bater dich bey nahe in "Freyheit gesetzt, und dich dabey denen vorgezo- "gen hat, welche eine nähere Anwardtschafft auf "das Gut hatten."
"Mein Gros-Vater wuste ja zum voraus, "daß mein Vater diesen Abgang meinem Bru- "der und meiner Schwester ersetzen möchte; und "er verlanget dieses so gar in seinem letzten Wil- "len. Jch habe nichts gethan, um mir seine "Liebe zu erwerben, als was meine Schuldigkeit "war. Es war sein Vermächtniß nicht sowohl "ein Vortheil für mich, als ein Zeichen seiner
"Liebe.
Die Geſchichte
bekam zur Anewort: „wenn ich Proben meines „Gehorſams geben wollte, ſo muͤſten ſie und „nicht ich ſelbſt beſtimmen, worin dieſe Pro- „ben beſtehen ſollten.„
Jch antwortete: „ich hoffete, ich haͤtte mich „ſtets ſo aufgefuͤhret, daß eine ſolche Probe „meines Gehorſams, als man mir jetzt auf- „legte, nicht noͤthig waͤre.
Ja, ſagte ſie, „du haſt dich ſehr wohl auf- „gefuͤhret. Allein dein Gehorſam iſt bisher „noch nie auf die Probe geſtellet worden, und „ich hoffe, du wirſt in dieſer Probe gut beſtehen „wollen. So lange die Kinder klein ſind, gefaͤllt „den Eltern alles was ſie thun. Du biſt frey- „lich in deiner gantzen Auffuͤhrung ein gutes „Kind geweſen: wir aber haben dir mehr nach- „gegeben, als du uns. Jetzt iſt die rechte Probier- „Zeit, da du in die Jahre getreten biſt, daß wir „auf deine Verheyrathung dencken koͤnnen: ſon- „derlich da dein Gros-Bater dich bey nahe in „Freyheit geſetzt, und dich dabey denen vorgezo- „gen hat, welche eine naͤhere Anwardtſchafft auf „das Gut hatten.„
„Mein Gros-Vater wuſte ja zum voraus, „daß mein Vater dieſen Abgang meinem Bru- „der und meiner Schweſter erſetzen moͤchte; und „er verlanget dieſes ſo gar in ſeinem letzten Wil- „len. Jch habe nichts gethan, um mir ſeine „Liebe zu erwerben, als was meine Schuldigkeit „war. Es war ſein Vermaͤchtniß nicht ſowohl „ein Vortheil fuͤr mich, als ein Zeichen ſeiner
„Liebe.
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Die Geſchichte
bekam zur Anewort: „wenn ich Proben meines
„Gehorſams geben wollte, ſo muͤſten ſie und
„nicht ich ſelbſt beſtimmen, worin dieſe Pro-
„ben beſtehen ſollten.„
Jch antwortete: „ich hoffete, ich haͤtte mich
„ſtets ſo aufgefuͤhret, daß eine ſolche Probe
„meines Gehorſams, als man mir jetzt auf-
„legte, nicht noͤthig waͤre.
Ja, ſagte ſie, „du haſt dich ſehr wohl auf-
„gefuͤhret. Allein dein Gehorſam iſt bisher
„noch nie auf die Probe geſtellet worden, und
„ich hoffe, du wirſt in dieſer Probe gut beſtehen
„wollen. So lange die Kinder klein ſind, gefaͤllt
„den Eltern alles was ſie thun. Du biſt frey-
„lich in deiner gantzen Auffuͤhrung ein gutes
„Kind geweſen: wir aber haben dir mehr nach-
„gegeben, als du uns. Jetzt iſt die rechte Probier-
„Zeit, da du in die Jahre getreten biſt, daß wir
„auf deine Verheyrathung dencken koͤnnen: ſon-
„derlich da dein Gros-Bater dich bey nahe in
„Freyheit geſetzt, und dich dabey denen vorgezo-
„gen hat, welche eine naͤhere Anwardtſchafft auf
„das Gut hatten.„
„Mein Gros-Vater wuſte ja zum voraus,
„daß mein Vater dieſen Abgang meinem Bru-
„der und meiner Schweſter erſetzen moͤchte; und
„er verlanget dieſes ſo gar in ſeinem letzten Wil-
„len. Jch habe nichts gethan, um mir ſeine
„Liebe zu erwerben, als was meine Schuldigkeit
„war. Es war ſein Vermaͤchtniß nicht ſowohl
„ein Vortheil fuͤr mich, als ein Zeichen ſeiner
„Liebe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/198>, abgerufen am 22.11.2024.
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