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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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"Willst du denn nicht Anlaß geben zu hoffen,
"verkehrtes Mädchen?" Sie stand auf, und
ging eilig weg: "nimm dir Bedenck-Zeit! Es
"ist nöthig, daß du dir Bedenck-Zeit nimmst.
"Wenn ich wieder komme, so laß mich hören,
"ob ich wegen meiner Geduld gegen dich mich
"selbst bestraffen, und von deinem Vater täglich
"mir es vorwerffen lassen soll, daß ich dich ver-
"zogen habe."

Sie blieb noch ein wenig in der Thür stehen,
und schien zu erwarten, daß ich mich bedencken
und sie bitten solte, einige Entschuldigung und
gütige Auslegung meines Aussenbleibens vorzu-
bringen. Denn sie sagte zu mir: ich glaube/
du wirst verbitten/ daß ich nicht sagen
soll/ was - -

Jch unterbrach sie: wo soll ich auf Liebe
und Zärtlichkeit hoffen/ wenn ich meiner
Mutter Hertz verlohren habe?

Sie sehen leicht ein, daß eine Bitte, mein Aus-
senbleiben gütig zu deuten, in der That so viel
würde gewesen seyn, als wenn ich über die Fra-
ge, wegen welcher ich mich schon völlig entschlos-
sen hatte, noch handeln wollte, und daß ich dadurch
den meinigen Gelegenheit gegeben haben würde zu
hoffen, daß ich noch einiger massen zweifelhaft
wäre. Meine Mutter ging demnach allein hin-
unter.

Hier will ich meine Erzählung schliessen, und
sie an Ort und Stelle bringen. Sie beehren mich
mit einer so zärtlichen Liebe, daß ich nicht fürch-

ten
der Clariſſa.

„Willſt du denn nicht Anlaß geben zu hoffen,
„verkehrtes Maͤdchen?„ Sie ſtand auf, und
ging eilig weg: „nimm dir Bedenck-Zeit! Es
„iſt noͤthig, daß du dir Bedenck-Zeit nimmſt.
„Wenn ich wieder komme, ſo laß mich hoͤren,
„ob ich wegen meiner Geduld gegen dich mich
„ſelbſt beſtraffen, und von deinem Vater taͤglich
„mir es vorwerffen laſſen ſoll, daß ich dich ver-
„zogen habe.„

Sie blieb noch ein wenig in der Thuͤr ſtehen,
und ſchien zu erwarten, daß ich mich bedencken
und ſie bitten ſolte, einige Entſchuldigung und
guͤtige Auslegung meines Auſſenbleibens vorzu-
bringen. Denn ſie ſagte zu mir: ich glaube/
du wirſt verbitten/ daß ich nicht ſagen
ſoll/ was ‒ ‒

Jch unterbrach ſie: wo ſoll ich auf Liebe
und Zaͤrtlichkeit hoffen/ wenn ich meiner
Mutter Hertz verlohren habe?

Sie ſehen leicht ein, daß eine Bitte, mein Auſ-
ſenbleiben guͤtig zu deuten, in der That ſo viel
wuͤrde geweſen ſeyn, als wenn ich uͤber die Fra-
ge, wegen welcher ich mich ſchon voͤllig entſchloſ-
ſen hatte, noch handeln wollte, und daß ich dadurch
den meinigen Gelegenheit gegeben haben wuͤrde zu
hoffen, daß ich noch einiger maſſen zweifelhaft
waͤre. Meine Mutter ging demnach allein hin-
unter.

Hier will ich meine Erzaͤhlung ſchlieſſen, und
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mit einer ſo zaͤrtlichen Liebe, daß ich nicht fuͤrch-

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[173/0193] der Clariſſa. „Willſt du denn nicht Anlaß geben zu hoffen, „verkehrtes Maͤdchen?„ Sie ſtand auf, und ging eilig weg: „nimm dir Bedenck-Zeit! Es „iſt noͤthig, daß du dir Bedenck-Zeit nimmſt. „Wenn ich wieder komme, ſo laß mich hoͤren, „ob ich wegen meiner Geduld gegen dich mich „ſelbſt beſtraffen, und von deinem Vater taͤglich „mir es vorwerffen laſſen ſoll, daß ich dich ver- „zogen habe.„ Sie blieb noch ein wenig in der Thuͤr ſtehen, und ſchien zu erwarten, daß ich mich bedencken und ſie bitten ſolte, einige Entſchuldigung und guͤtige Auslegung meines Auſſenbleibens vorzu- bringen. Denn ſie ſagte zu mir: ich glaube/ du wirſt verbitten/ daß ich nicht ſagen ſoll/ was ‒ ‒ Jch unterbrach ſie: wo ſoll ich auf Liebe und Zaͤrtlichkeit hoffen/ wenn ich meiner Mutter Hertz verlohren habe? Sie ſehen leicht ein, daß eine Bitte, mein Auſ- ſenbleiben guͤtig zu deuten, in der That ſo viel wuͤrde geweſen ſeyn, als wenn ich uͤber die Fra- ge, wegen welcher ich mich ſchon voͤllig entſchloſ- ſen hatte, noch handeln wollte, und daß ich dadurch den meinigen Gelegenheit gegeben haben wuͤrde zu hoffen, daß ich noch einiger maſſen zweifelhaft waͤre. Meine Mutter ging demnach allein hin- unter. Hier will ich meine Erzaͤhlung ſchlieſſen, und ſie an Ort und Stelle bringen. Sie beehren mich mit einer ſo zaͤrtlichen Liebe, daß ich nicht fuͤrch- ten

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/193>, abgerufen am 27.11.2024.