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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
"Familie veranlassen, wenn ich ihnen nur vor-
"beugen kan. Sie sollen mir selbst befehlen,
"was ich von ihnen tragen soll: und das will ich
"tragen. Allein lassen sie meine Handlungen für
"mich reden, und richten sie sich nicht nach den
"falschen Auslegungen, die jene darüber machen.
"Denn ich bin gewiß versichert, daß dieses
"mein Unglück gewesen ist. Aus den harten
"und unangenehmen Verboten, die mir neulich
"gegeben sind, habe ich es wohl mercken können.

Eben kam mein Vater herauf. Seine ernst-
hafte Mine machte mich zitternd. Er ging zwey
oder dreymahl in meiner Stuben auf und nieder,
und sagte darauf zu meiner Mutter, die bey sei-
nem Eintritt in die Stube aufhörte zu reden:
"du bist lange ausgeblieben. Das Essen ist
"bald fertig. Was du zu sagen hattest, brauch-
"te nicht viel Worte: sondern du brauchtest nur
"ihr deinen und meinen Willen kund zu thun.
"Vielleicht aber hast du etwas von der Zuberei-
"tung auf die Hochzeit abzureden gehabt. Komm
"bald herunter, und bringe deine Tochter mit,
"wenn sie anderst diesen Namen verdient." Als
er wegging, gab er mir einen so ernsthaften Blick,
daß ich nicht im Stande war, ein Wort mit ihm
zu reden, ja ich konte eine halbe Viertel-Stunde
gegen meine Mutter aus Bestürtzung kein Wort
vorbringen.

Konte einen dieses Betragen nicht einen Schre-
cken einjagen? Meine Mutter schien mit meiner
Bekümmerniß Mitleiden zu haben. Sie küssete

mich,

der Clariſſa.
„Familie veranlaſſen, wenn ich ihnen nur vor-
„beugen kan. Sie ſollen mir ſelbſt befehlen,
„was ich von ihnen tragen ſoll: und das will ich
„tragen. Allein laſſen ſie meine Handlungen fuͤr
„mich reden, und richten ſie ſich nicht nach den
„falſchen Auslegungen, die jene daruͤber machen.
„Denn ich bin gewiß verſichert, daß dieſes
„mein Ungluͤck geweſen iſt. Aus den harten
„und unangenehmen Verboten, die mir neulich
„gegeben ſind, habe ich es wohl mercken koͤnnen.

Eben kam mein Vater herauf. Seine ernſt-
hafte Mine machte mich zitternd. Er ging zwey
oder dreymahl in meiner Stuben auf und nieder,
und ſagte darauf zu meiner Mutter, die bey ſei-
nem Eintritt in die Stube aufhoͤrte zu reden:
„du biſt lange ausgeblieben. Das Eſſen iſt
„bald fertig. Was du zu ſagen hatteſt, brauch-
„te nicht viel Worte: ſondern du brauchteſt nur
„ihr deinen und meinen Willen kund zu thun.
„Vielleicht aber haſt du etwas von der Zuberei-
„tung auf die Hochzeit abzureden gehabt. Komm
„bald herunter, und bringe deine Tochter mit,
„wenn ſie anderſt dieſen Namen verdient.„ Als
er wegging, gab er mir einen ſo ernſthaften Blick,
daß ich nicht im Stande war, ein Wort mit ihm
zu reden, ja ich konte eine halbe Viertel-Stunde
gegen meine Mutter aus Beſtuͤrtzung kein Wort
vorbringen.

Konte einen dieſes Betragen nicht einen Schre-
cken einjagen? Meine Mutter ſchien mit meiner
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[171/0191] der Clariſſa. „Familie veranlaſſen, wenn ich ihnen nur vor- „beugen kan. Sie ſollen mir ſelbſt befehlen, „was ich von ihnen tragen ſoll: und das will ich „tragen. Allein laſſen ſie meine Handlungen fuͤr „mich reden, und richten ſie ſich nicht nach den „falſchen Auslegungen, die jene daruͤber machen. „Denn ich bin gewiß verſichert, daß dieſes „mein Ungluͤck geweſen iſt. Aus den harten „und unangenehmen Verboten, die mir neulich „gegeben ſind, habe ich es wohl mercken koͤnnen. Eben kam mein Vater herauf. Seine ernſt- hafte Mine machte mich zitternd. Er ging zwey oder dreymahl in meiner Stuben auf und nieder, und ſagte darauf zu meiner Mutter, die bey ſei- nem Eintritt in die Stube aufhoͤrte zu reden: „du biſt lange ausgeblieben. Das Eſſen iſt „bald fertig. Was du zu ſagen hatteſt, brauch- „te nicht viel Worte: ſondern du brauchteſt nur „ihr deinen und meinen Willen kund zu thun. „Vielleicht aber haſt du etwas von der Zuberei- „tung auf die Hochzeit abzureden gehabt. Komm „bald herunter, und bringe deine Tochter mit, „wenn ſie anderſt dieſen Namen verdient.„ Als er wegging, gab er mir einen ſo ernſthaften Blick, daß ich nicht im Stande war, ein Wort mit ihm zu reden, ja ich konte eine halbe Viertel-Stunde gegen meine Mutter aus Beſtuͤrtzung kein Wort vorbringen. Konte einen dieſes Betragen nicht einen Schre- cken einjagen? Meine Mutter ſchien mit meiner Bekuͤmmerniß Mitleiden zu haben. Sie kuͤſſete mich,

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/191>, abgerufen am 27.11.2024.