Mühe überheben/ seine Rarität herzubrin- gen: machte meinen Reverentz, und sagte: ihre Dienerin mein Herr. Er sahe aus wie ein Nar- re, und rief ein paar mahl: Madame! Madame! Jch ließ ihn stehen, und suchte meinen Bruder auf, um mein Wort zu halten, der mit meiner Schwester in den Garten gegangen war, obgleich das Wetter nicht eben das beste war. Nun war es deutlich, daß er seine Rarität bey mir in der Stube gelassen hatte, und mir keine andere zu zeigen gedachte.
Jch war kaum in meine Stube getreten, und hatte mir vorgenommen, mir durch meine Hanni- chen die Erlaubniß ausbitten zu lassen, daß ich meine Mutter allein sprechen könte, wozu mir ihre vorhin bewiesene Gütigkeit noch mehr Muth machte: so kam Schorey schon, und brachte mir Befehl von ihr, mich in ihrem Closet (*) ein- znfinden.
Jch erfuhr durch Hannichen, daß mein Va- ter eben mit einem ernstlichen und zornigen Gesich- te aus meiner Mutter Stube gegangen war. Jch furchte mich deshalb eben so sehr vor einer Un-
terre-
(*) Wir werden mit Erlaubniß des Lesers diesen Namen beybehalten, weil ich kein deutsches Wort finde, das die Sache recht ausdruckt. Die Englischen Häuser rü- cken gemeiniglich auf der Seite des Hofes ein gantz kleines Neben-Gebäude etwan 4 bis 5. Ellen lang und breit hinaus: in demselben ist in jedem Stockwerck ein Cabinet ohne Camin, in welches man aus der Stube gehet, dieses nennen sie Closet.
Die Geſchichte
Muͤhe uͤberheben/ ſeine Raritaͤt herzubrin- gen: machte meinen Reverentz, und ſagte: ihre Dienerin mein Herr. Er ſahe aus wie ein Nar- re, und rief ein paar mahl: Madame! Madame! Jch ließ ihn ſtehen, und ſuchte meinen Bruder auf, um mein Wort zu halten, der mit meiner Schweſter in den Garten gegangen war, obgleich das Wetter nicht eben das beſte war. Nun war es deutlich, daß er ſeine Raritaͤt bey mir in der Stube gelaſſen hatte, und mir keine andere zu zeigen gedachte.
Jch war kaum in meine Stube getreten, und hatte mir vorgenommen, mir durch meine Hanni- chen die Erlaubniß ausbitten zu laſſen, daß ich meine Mutter allein ſprechen koͤnte, wozu mir ihre vorhin bewieſene Guͤtigkeit noch mehr Muth machte: ſo kam Schorey ſchon, und brachte mir Befehl von ihr, mich in ihrem Cloſet (*) ein- znfinden.
Jch erfuhr durch Hannichen, daß mein Va- ter eben mit einem ernſtlichen und zornigen Geſich- te aus meiner Mutter Stube gegangen war. Jch furchte mich deshalb eben ſo ſehr vor einer Un-
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(*) Wir werden mit Erlaubniß des Leſers dieſen Namen beybehalten, weil ich kein deutſches Wort finde, das die Sache recht ausdruckt. Die Engliſchen Haͤuſer ruͤ- cken gemeiniglich auf der Seite des Hofes ein gantz kleines Neben-Gebaͤude etwan 4 bis 5. Ellen lang und breit hinaus: in demſelben iſt in jedem Stockwerck ein Cabinet ohne Camin, in welches man aus der Stube gehet, dieſes nennen ſie Cloſet.
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Die Geſchichte
Muͤhe uͤberheben/ ſeine Raritaͤt herzubrin-
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Dienerin mein Herr. Er ſahe aus wie ein Nar-
re, und rief ein paar mahl: Madame! Madame!
Jch ließ ihn ſtehen, und ſuchte meinen Bruder
auf, um mein Wort zu halten, der mit meiner
Schweſter in den Garten gegangen war, obgleich
das Wetter nicht eben das beſte war. Nun war
es deutlich, daß er ſeine Raritaͤt bey mir in der
Stube gelaſſen hatte, und mir keine andere zu
zeigen gedachte.
Jch war kaum in meine Stube getreten, und
hatte mir vorgenommen, mir durch meine Hanni-
chen die Erlaubniß ausbitten zu laſſen, daß ich
meine Mutter allein ſprechen koͤnte, wozu mir ihre
vorhin bewieſene Guͤtigkeit noch mehr Muth
machte: ſo kam Schorey ſchon, und brachte
mir Befehl von ihr, mich in ihrem Cloſet (*) ein-
znfinden.
Jch erfuhr durch Hannichen, daß mein Va-
ter eben mit einem ernſtlichen und zornigen Geſich-
te aus meiner Mutter Stube gegangen war. Jch
furchte mich deshalb eben ſo ſehr vor einer Un-
terre-
(*) Wir werden mit Erlaubniß des Leſers dieſen Namen
beybehalten, weil ich kein deutſches Wort finde, das
die Sache recht ausdruckt. Die Engliſchen Haͤuſer ruͤ-
cken gemeiniglich auf der Seite des Hofes ein gantz
kleines Neben-Gebaͤude etwan 4 bis 5. Ellen lang und
breit hinaus: in demſelben iſt in jedem Stockwerck ein
Cabinet ohne Camin, in welches man aus der Stube
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/176>, abgerufen am 17.02.2025.
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