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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
derspenstigkeit weiß als das Jhrige, schon gewiß
zum voraus. Man sage es nicht zu Gath! Sie
müssen eine Beute für Herrn Solmes werden.

Sie werden auch nun errathen können, von
welcher Gegend her die ehemals erwähnte Nach-
richt gekommen ist, daß die jüngere Schwester der
ältern ein Hertz gestohlen habe. Denn Elisabeth
schwatzte unter der Hand, zu eben der Zeit, da sie
das übrige ausplauderte, daß weder Sie noch Herr
Lovelace es verantworten könnten, wie sie mit
ihrer Fräulein umgegangen wären. Jst es nicht
eine Grausamkeit von Jhnen, mein Schatz, daß
Sie der armen Arabellen den eintzigen Liebhaber
entwandten, den sie in ihrem gantzen Leben gehabt
hat? und dieses eben zu der Zeit, da sie sich rüh-
mete, daß sie nun endlich es in ihrer Gewalt hät-
te, ihr eigenes holdseliges Hertz zu vergnügen,
und noch über dieses andre Thörinnen ihres Ge-
schlechts (unter denen ihre Gnaden Fräulein Ho-
we
vermuthlich eine der vornehmsten seyn soll)
durch guten Vorgang zu lehren, wie man einen
Liebhaber am seidenen Strick führen und ohne
einen Kapp-Zaum lencken könne?

Jch habe bey diesen Umständen ferner nicht
den geringsten Zweifel übrig, daß nicht die
Gunst der Jhrigen gegen den elenden Solmes
unveränderlich seyn werde; und daß sie sich
nicht auf eine Jhnen schädliche Weise auf
Jhren sanften und nachgebenden Sinn, und
auf Jhre Achtung für Jhre eigene Ehre und für
die Liebe der Jhrigen verlassen. Jch werde im-

mer

Die Geſchichte
derſpenſtigkeit weiß als das Jhrige, ſchon gewiß
zum voraus. Man ſage es nicht zu Gath! Sie
muͤſſen eine Beute fuͤr Herrn Solmes werden.

Sie werden auch nun errathen koͤnnen, von
welcher Gegend her die ehemals erwaͤhnte Nach-
richt gekommen iſt, daß die juͤngere Schweſter der
aͤltern ein Hertz geſtohlen habe. Denn Eliſabeth
ſchwatzte unter der Hand, zu eben der Zeit, da ſie
das uͤbrige ausplauderte, daß weder Sie noch Herr
Lovelace es verantworten koͤnnten, wie ſie mit
ihrer Fraͤulein umgegangen waͤren. Jſt es nicht
eine Grauſamkeit von Jhnen, mein Schatz, daß
Sie der armen Arabellen den eintzigen Liebhaber
entwandten, den ſie in ihrem gantzen Leben gehabt
hat? und dieſes eben zu der Zeit, da ſie ſich ruͤh-
mete, daß ſie nun endlich es in ihrer Gewalt haͤt-
te, ihr eigenes holdſeliges Hertz zu vergnuͤgen,
und noch uͤber dieſes andre Thoͤrinnen ihres Ge-
ſchlechts (unter denen ihre Gnaden Fraͤulein Ho-
we
vermuthlich eine der vornehmſten ſeyn ſoll)
durch guten Vorgang zu lehren, wie man einen
Liebhaber am ſeidenen Strick fuͤhren und ohne
einen Kapp-Zaum lencken koͤnne?

Jch habe bey dieſen Umſtaͤnden ferner nicht
den geringſten Zweifel uͤbrig, daß nicht die
Gunſt der Jhrigen gegen den elenden Solmes
unveraͤnderlich ſeyn werde; und daß ſie ſich
nicht auf eine Jhnen ſchaͤdliche Weiſe auf
Jhren ſanften und nachgebenden Sinn, und
auf Jhre Achtung fuͤr Jhre eigene Ehre und fuͤr
die Liebe der Jhrigen verlaſſen. Jch werde im-

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[148/0168] Die Geſchichte derſpenſtigkeit weiß als das Jhrige, ſchon gewiß zum voraus. Man ſage es nicht zu Gath! Sie muͤſſen eine Beute fuͤr Herrn Solmes werden. Sie werden auch nun errathen koͤnnen, von welcher Gegend her die ehemals erwaͤhnte Nach- richt gekommen iſt, daß die juͤngere Schweſter der aͤltern ein Hertz geſtohlen habe. Denn Eliſabeth ſchwatzte unter der Hand, zu eben der Zeit, da ſie das uͤbrige ausplauderte, daß weder Sie noch Herr Lovelace es verantworten koͤnnten, wie ſie mit ihrer Fraͤulein umgegangen waͤren. Jſt es nicht eine Grauſamkeit von Jhnen, mein Schatz, daß Sie der armen Arabellen den eintzigen Liebhaber entwandten, den ſie in ihrem gantzen Leben gehabt hat? und dieſes eben zu der Zeit, da ſie ſich ruͤh- mete, daß ſie nun endlich es in ihrer Gewalt haͤt- te, ihr eigenes holdſeliges Hertz zu vergnuͤgen, und noch uͤber dieſes andre Thoͤrinnen ihres Ge- ſchlechts (unter denen ihre Gnaden Fraͤulein Ho- we vermuthlich eine der vornehmſten ſeyn ſoll) durch guten Vorgang zu lehren, wie man einen Liebhaber am ſeidenen Strick fuͤhren und ohne einen Kapp-Zaum lencken koͤnne? Jch habe bey dieſen Umſtaͤnden ferner nicht den geringſten Zweifel uͤbrig, daß nicht die Gunſt der Jhrigen gegen den elenden Solmes unveraͤnderlich ſeyn werde; und daß ſie ſich nicht auf eine Jhnen ſchaͤdliche Weiſe auf Jhren ſanften und nachgebenden Sinn, und auf Jhre Achtung fuͤr Jhre eigene Ehre und fuͤr die Liebe der Jhrigen verlaſſen. Jch werde im- mer

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/168>, abgerufen am 23.11.2024.