Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
dem Vorgeben meiner Geschwister seyn, wenn ich
gutem Rath folge? Jch soll so schone Geschencke
bekommen: so schöne Juwelen: ich weiß nicht
was sonst noch mehr. Alle zusammen wollen mich
beschencken. Auch hat Herr Solmes so grosse
Mittel, und verspricht mir so viel (denn nach allen
seinen Verwandten fragt er nichts) daß ich noth-
wendig durch ihn reich und glücklich werden muß,
wenn man auch die gute Gesinnung der meinigen
nicht in Betrachtung ziehen wollte. Die Absicht,
die meine Geschwister haben, ist ihr Vergrösse-
rungs-Glas, dadurch sie so vortrefliche Eigenschaf-
ten an mir wahrnehmen können, die alle Verspre-
chungen und Verschreibungen meines Freyers völ-
lig bezahlen, und noch überdieses ihn so wohl als
meine Anverwandten verpflichten, daß sie sich
gegen mich danckbar erzeigen müssen, wenn ich nur
in dieser Sache folgsam und gefällig bin. Er selbst
soll dis glauben: so geringschätzig ist er in ihren
und in seinen eigenen Augen.

Wie glücklich, wie reich, wie geehrt können wir
drey Geschwister werden, wenn diese unvergleich-
lichen Absichten zu Stande kommen! Und wie
sehr werde ich mir alle meine Anverwandten ver-
bindlich machen! und zwar dieses blos durch eine
Probe meines Gehorsams, die sich zu meiner gan-
tzen Aufführung und Gemüths-Art vollkommen
schickt, wo ich anders das wohlgezogene, arti-
ge, gehorsame Kind bin, dafür man mich bisher
gehalten hat.

So wird die Sache auf der guten Seiten vorge-

stellt,
J 2

der Clariſſa.
dem Vorgeben meiner Geſchwiſter ſeyn, wenn ich
gutem Rath folge? Jch ſoll ſo ſchone Geſchencke
bekommen: ſo ſchoͤne Juwelen: ich weiß nicht
was ſonſt noch mehr. Alle zuſammen wollen mich
beſchencken. Auch hat Herr Solmes ſo groſſe
Mittel, und verſpricht mir ſo viel (denn nach allen
ſeinen Verwandten fragt er nichts) daß ich noth-
wendig durch ihn reich und gluͤcklich werden muß,
wenn man auch die gute Geſinnung der meinigen
nicht in Betrachtung ziehen wollte. Die Abſicht,
die meine Geſchwiſter haben, iſt ihr Vergroͤſſe-
rungs-Glas, dadurch ſie ſo vortrefliche Eigenſchaf-
ten an mir wahrnehmen koͤnnen, die alle Verſpre-
chungen und Verſchreibungen meines Freyers voͤl-
lig bezahlen, und noch uͤberdieſes ihn ſo wohl als
meine Anverwandten verpflichten, daß ſie ſich
gegen mich danckbar erzeigen muͤſſen, wenn ich nur
in dieſer Sache folgſam und gefaͤllig bin. Er ſelbſt
ſoll dis glauben: ſo geringſchaͤtzig iſt er in ihren
und in ſeinen eigenen Augen.

Wie gluͤcklich, wie reich, wie geehrt koͤnnen wir
drey Geſchwiſter werden, wenn dieſe unvergleich-
lichen Abſichten zu Stande kommen! Und wie
ſehr werde ich mir alle meine Anverwandten ver-
bindlich machen! und zwar dieſes blos durch eine
Probe meines Gehorſams, die ſich zu meiner gan-
tzen Auffuͤhrung und Gemuͤths-Art vollkommen
ſchickt, wo ich anders das wohlgezogene, arti-
ge, gehorſame Kind bin, dafuͤr man mich bisher
gehalten hat.

So wird die Sache auf der guten Seiten vorge-

ſtellt,
J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0151" n="131"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
dem Vorgeben meiner Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter &#x017F;eyn, wenn ich<lb/>
gutem Rath folge? Jch &#x017F;oll &#x017F;o &#x017F;chone Ge&#x017F;chencke<lb/>
bekommen: &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;ne Juwelen: ich weiß nicht<lb/>
was &#x017F;on&#x017F;t noch mehr. Alle zu&#x017F;ammen wollen mich<lb/>
be&#x017F;chencken. Auch hat Herr <hi rendition="#fr">Solmes</hi> &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Mittel, und ver&#x017F;pricht mir &#x017F;o viel (denn nach allen<lb/>
&#x017F;einen Verwandten fragt er nichts) daß ich noth-<lb/>
wendig durch ihn reich und glu&#x0364;cklich werden muß,<lb/>
wenn man auch die gute Ge&#x017F;innung der meinigen<lb/>
nicht in Betrachtung ziehen wollte. Die Ab&#x017F;icht,<lb/>
die meine Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter haben, i&#x017F;t ihr Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
rungs-Glas, dadurch &#x017F;ie &#x017F;o vortrefliche Eigen&#x017F;chaf-<lb/>
ten an mir wahrnehmen ko&#x0364;nnen, die alle Ver&#x017F;pre-<lb/>
chungen und Ver&#x017F;chreibungen meines Freyers vo&#x0364;l-<lb/>
lig bezahlen, und noch u&#x0364;berdie&#x017F;es <hi rendition="#fr">ihn</hi> &#x017F;o wohl als<lb/><hi rendition="#fr">meine Anverwandten</hi> <choice><sic>verpfiichten</sic><corr>verpflichten</corr></choice>, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gegen mich danckbar erzeigen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn ich nur<lb/>
in die&#x017F;er Sache folg&#x017F;am und gefa&#x0364;llig bin. Er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;oll dis glauben: &#x017F;o gering&#x017F;cha&#x0364;tzig i&#x017F;t er in ihren<lb/>
und in &#x017F;einen eigenen Augen.</p><lb/>
        <p>Wie glu&#x0364;cklich, wie reich, wie geehrt ko&#x0364;nnen wir<lb/>
drey Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter werden, wenn die&#x017F;e unvergleich-<lb/>
lichen Ab&#x017F;ichten zu Stande kommen! Und wie<lb/>
&#x017F;ehr werde ich mir alle meine Anverwandten ver-<lb/>
bindlich machen! und zwar die&#x017F;es blos durch eine<lb/>
Probe meines Gehor&#x017F;ams, die &#x017F;ich zu meiner gan-<lb/>
tzen Auffu&#x0364;hrung und Gemu&#x0364;ths-Art vollkommen<lb/>
&#x017F;chickt, wo ich anders das wohlgezogene, arti-<lb/>
ge, gehor&#x017F;ame Kind bin, dafu&#x0364;r man mich bisher<lb/>
gehalten hat.</p><lb/>
        <p>So wird die Sache auf der guten Seiten vorge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tellt,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0151] der Clariſſa. dem Vorgeben meiner Geſchwiſter ſeyn, wenn ich gutem Rath folge? Jch ſoll ſo ſchone Geſchencke bekommen: ſo ſchoͤne Juwelen: ich weiß nicht was ſonſt noch mehr. Alle zuſammen wollen mich beſchencken. Auch hat Herr Solmes ſo groſſe Mittel, und verſpricht mir ſo viel (denn nach allen ſeinen Verwandten fragt er nichts) daß ich noth- wendig durch ihn reich und gluͤcklich werden muß, wenn man auch die gute Geſinnung der meinigen nicht in Betrachtung ziehen wollte. Die Abſicht, die meine Geſchwiſter haben, iſt ihr Vergroͤſſe- rungs-Glas, dadurch ſie ſo vortrefliche Eigenſchaf- ten an mir wahrnehmen koͤnnen, die alle Verſpre- chungen und Verſchreibungen meines Freyers voͤl- lig bezahlen, und noch uͤberdieſes ihn ſo wohl als meine Anverwandten verpflichten, daß ſie ſich gegen mich danckbar erzeigen muͤſſen, wenn ich nur in dieſer Sache folgſam und gefaͤllig bin. Er ſelbſt ſoll dis glauben: ſo geringſchaͤtzig iſt er in ihren und in ſeinen eigenen Augen. Wie gluͤcklich, wie reich, wie geehrt koͤnnen wir drey Geſchwiſter werden, wenn dieſe unvergleich- lichen Abſichten zu Stande kommen! Und wie ſehr werde ich mir alle meine Anverwandten ver- bindlich machen! und zwar dieſes blos durch eine Probe meines Gehorſams, die ſich zu meiner gan- tzen Auffuͤhrung und Gemuͤths-Art vollkommen ſchickt, wo ich anders das wohlgezogene, arti- ge, gehorſame Kind bin, dafuͤr man mich bisher gehalten hat. So wird die Sache auf der guten Seiten vorge- ſtellt, J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/151
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/151>, abgerufen am 27.11.2024.