Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen -- das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden.

Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen.

Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind -- es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern.

Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen — das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden.

Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen.

Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind — es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <pb facs="#f0088" n="84"/>
          <p>Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen &#x2014; das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden.</p>
          <p>Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen.</p>
          <p>Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind &#x2014; es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0088] Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen — das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden. Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen. Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind — es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/88
Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/88>, abgerufen am 04.12.2024.