Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.nachzudenken, die blonden Haare fallen ihr ins Gesicht. -- Nebenan wird es immer lauter. "Dame!" ruft Susanna und schaut zur Tür herein, "Herr Dame, bitte, kommen Sie --" Er zuckt zusammen. "Ach, Susanna --" Sie gehen in die Küche hinüber -- da steht Chamotte auf einem Tisch, nur mit einer roten Badehose bekleidet, und der Henker ist damit beschäftigt, ihn von oben bis unten schwarz anzustreichen. Nur das eine Bein ist noch weiß, der arme Junge bietet einen merkwürdigen Anblick und wird etwas verlegen, als er seinen Gebieter sieht. "Wenn ihm nur die Farbe nicht schadet" -- meint Susanna mütterlich besorgt -- "wir haben ihm ein anderes Kostüm vorgeschlagen, aber er wollte durchaus ein richtiger Sklave sein." "Das ist meine Biographie," bemerkt Chamotte bescheiden. "O Chamotte, du bist zum Wahnmochinger geboren," sagt Susanna. "Adrian, -- Sie schauen ihn so verzückt an, als ob Sie ein Gedicht machen wollten,-- vielleicht das Gedicht, das Ihnen endlich den Eintritt zum Tempel verschafft." Adrian, der Herr mit dem Zwicker, der sich in eine Toga hüllt und trotzdem aussieht, als ob er eigentlich in den Frack gehörte -- lächelt arrogant und beginnt sofort in feierlich getragenem Ton zu improvisieren: nachzudenken, die blonden Haare fallen ihr ins Gesicht. — Nebenan wird es immer lauter. „Dame!“ ruft Susanna und schaut zur Tür herein, „Herr Dame, bitte, kommen Sie —“ Er zuckt zusammen. „Ach, Susanna —“ Sie gehen in die Küche hinüber — da steht Chamotte auf einem Tisch, nur mit einer roten Badehose bekleidet, und der Henker ist damit beschäftigt, ihn von oben bis unten schwarz anzustreichen. Nur das eine Bein ist noch weiß, der arme Junge bietet einen merkwürdigen Anblick und wird etwas verlegen, als er seinen Gebieter sieht. „Wenn ihm nur die Farbe nicht schadet“ — meint Susanna mütterlich besorgt — „wir haben ihm ein anderes Kostüm vorgeschlagen, aber er wollte durchaus ein richtiger Sklave sein.“ „Das ist meine Biographie,“ bemerkt Chamotte bescheiden. „O Chamotte, du bist zum Wahnmochinger geboren,“ sagt Susanna. „Adrian, — Sie schauen ihn so verzückt an, als ob Sie ein Gedicht machen wollten,— vielleicht das Gedicht, das Ihnen endlich den Eintritt zum Tempel verschafft.“ Adrian, der Herr mit dem Zwicker, der sich in eine Toga hüllt und trotzdem aussieht, als ob er eigentlich in den Frack gehörte — lächelt arrogant und beginnt sofort in feierlich getragenem Ton zu improvisieren: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="48"/> nachzudenken, die blonden Haare fallen ihr ins Gesicht. — Nebenan wird es immer lauter. „Dame!“ ruft Susanna und schaut zur Tür herein, „Herr Dame, bitte, kommen Sie —“ Er zuckt zusammen. „Ach, Susanna —“</p> <p>Sie gehen in die Küche hinüber — da steht Chamotte auf einem Tisch, nur mit einer roten Badehose bekleidet, und der Henker ist damit beschäftigt, ihn von oben bis unten schwarz anzustreichen. Nur das eine Bein ist noch weiß, der arme Junge bietet einen merkwürdigen Anblick und wird etwas verlegen, als er seinen Gebieter sieht.</p> <p>„Wenn ihm nur die Farbe nicht schadet“ — meint Susanna mütterlich besorgt — „wir haben ihm ein anderes Kostüm vorgeschlagen, aber er wollte durchaus ein richtiger Sklave sein.“</p> <p>„Das ist meine Biographie,“ bemerkt Chamotte bescheiden.</p> <p>„O Chamotte, du bist zum Wahnmochinger geboren,“ sagt Susanna.</p> <p>„Adrian, — Sie schauen ihn so verzückt an, als ob Sie ein Gedicht machen wollten,— vielleicht das Gedicht, das Ihnen endlich den Eintritt zum Tempel verschafft.“</p> <p>Adrian, der Herr mit dem Zwicker, der sich in eine Toga hüllt und trotzdem aussieht, als ob er eigentlich in den Frack gehörte — lächelt arrogant und beginnt sofort in feierlich getragenem Ton zu improvisieren:</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0052]
nachzudenken, die blonden Haare fallen ihr ins Gesicht. — Nebenan wird es immer lauter. „Dame!“ ruft Susanna und schaut zur Tür herein, „Herr Dame, bitte, kommen Sie —“ Er zuckt zusammen. „Ach, Susanna —“
Sie gehen in die Küche hinüber — da steht Chamotte auf einem Tisch, nur mit einer roten Badehose bekleidet, und der Henker ist damit beschäftigt, ihn von oben bis unten schwarz anzustreichen. Nur das eine Bein ist noch weiß, der arme Junge bietet einen merkwürdigen Anblick und wird etwas verlegen, als er seinen Gebieter sieht.
„Wenn ihm nur die Farbe nicht schadet“ — meint Susanna mütterlich besorgt — „wir haben ihm ein anderes Kostüm vorgeschlagen, aber er wollte durchaus ein richtiger Sklave sein.“
„Das ist meine Biographie,“ bemerkt Chamotte bescheiden.
„O Chamotte, du bist zum Wahnmochinger geboren,“ sagt Susanna.
„Adrian, — Sie schauen ihn so verzückt an, als ob Sie ein Gedicht machen wollten,— vielleicht das Gedicht, das Ihnen endlich den Eintritt zum Tempel verschafft.“
Adrian, der Herr mit dem Zwicker, der sich in eine Toga hüllt und trotzdem aussieht, als ob er eigentlich in den Frack gehörte — lächelt arrogant und beginnt sofort in feierlich getragenem Ton zu improvisieren:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |