Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho." "Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?" fragte der Philosoph. "Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede -- ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton -- aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ,Beludschistan', und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, -- ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte: ,Wenn Fräulein H... mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.'" "Und dann?" fragte der Philosoph. "Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, -- aber sagen Sie selbst, liebster Doktor, so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho.“ „Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?“ fragte der Philosoph. „Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede — ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton — aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ‚Beludschistan‘, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, — ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte: ‚Wenn Fräulein H… mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.‘“ „Und dann?“ fragte der Philosoph. „Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, — aber sagen Sie selbst, liebster Doktor, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0027" n="23"/> so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho.“</p> <p>„Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?“ fragte der Philosoph.</p> <p>„Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede — ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton — aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ‚Beludschistan‘, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, — ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte:</p> <p>‚Wenn Fräulein H… mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.‘“</p> <p>„Und dann?“ fragte der Philosoph.</p> <p>„Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, — aber sagen Sie selbst, liebster Doktor, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0027]
so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho.“
„Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?“ fragte der Philosoph.
„Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede — ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton — aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ‚Beludschistan‘, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, — ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte:
‚Wenn Fräulein H… mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.‘“
„Und dann?“ fragte der Philosoph.
„Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, — aber sagen Sie selbst, liebster Doktor,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |