Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.sich beziehen soll, Fräulein Jadwiga?" Er sah sie dabei höflich, aber mit steinernem Blick an, sie wandte ihm ihr bleiches Gesicht mit den brennenden Augen zu und erwiderte langsam: "Nein, Herr Delius, das stellt sich meistens erst später heraus." Hofmann sah, während diese Worte fielen, über alle Anwesenden hinweg zum Fenster hinaus, und Susanna meinte versöhnlich: "Ach, das ist doch einfach ein Aberglaube." "Aberglaube -- was ist das?" fuhr nun der Professor auf. "Ich denke, Herr Professor, im allgemeinen bedeutet es wohl einen Gegensatz zum wahren Glauben -- aber manchmal hat auch der Aberglaube seine Berechtigung." Hofmann entgegnete gereizt, daß ihm darüber nichts bekannt sei, und die Stimmung wurde so frostig, daß wir alle froh waren, als sie aufbrachen. Delius blieb noch etwas länger und fragte, ob wir bemerkt hätten, daß der Professor neuerdings eine gelbe Krawatte trage. Das habe er früher nie getan, "und es ist eine sehr bedenkliche Farbe". Maria war an diesem Tage ungewöhnlich reizbar. "Was gehen mich seine Krawatten an," sagte sie, "meinetwegen soll er sie Jadwigas schwarzem Hund umbinden." Delius sah sie erstaunt an und äußerte in tiefem Ernst: "Damit haben Sie wohl das Richtige getroffen -- aber es sich beziehen soll, Fräulein Jadwiga?“ Er sah sie dabei höflich, aber mit steinernem Blick an, sie wandte ihm ihr bleiches Gesicht mit den brennenden Augen zu und erwiderte langsam: „Nein, Herr Delius, das stellt sich meistens erst später heraus.“ Hofmann sah, während diese Worte fielen, über alle Anwesenden hinweg zum Fenster hinaus, und Susanna meinte versöhnlich: „Ach, das ist doch einfach ein Aberglaube.“ „Aberglaube — was ist das?“ fuhr nun der Professor auf. „Ich denke, Herr Professor, im allgemeinen bedeutet es wohl einen Gegensatz zum wahren Glauben — aber manchmal hat auch der Aberglaube seine Berechtigung.“ Hofmann entgegnete gereizt, daß ihm darüber nichts bekannt sei, und die Stimmung wurde so frostig, daß wir alle froh waren, als sie aufbrachen. Delius blieb noch etwas länger und fragte, ob wir bemerkt hätten, daß der Professor neuerdings eine gelbe Krawatte trage. Das habe er früher nie getan, „und es ist eine sehr bedenkliche Farbe“. Maria war an diesem Tage ungewöhnlich reizbar. „Was gehen mich seine Krawatten an,“ sagte sie, „meinetwegen soll er sie Jadwigas schwarzem Hund umbinden.“ Delius sah sie erstaunt an und äußerte in tiefem Ernst: „Damit haben Sie wohl das Richtige getroffen — aber es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0177" n="173"/> sich beziehen soll, Fräulein Jadwiga?“ Er sah sie dabei höflich, aber mit steinernem Blick an, sie wandte ihm ihr bleiches Gesicht mit den brennenden Augen zu und erwiderte langsam: „Nein, Herr Delius, das stellt sich meistens erst später heraus.“</p> <p>Hofmann sah, während diese Worte fielen, über alle Anwesenden hinweg zum Fenster hinaus, und Susanna meinte versöhnlich: „Ach, das ist doch einfach ein Aberglaube.“</p> <p>„Aberglaube — was ist das?“ fuhr nun der Professor auf.</p> <p>„Ich denke, Herr Professor, im allgemeinen bedeutet es wohl einen Gegensatz zum wahren Glauben — aber manchmal hat auch der Aberglaube seine Berechtigung.“</p> <p>Hofmann entgegnete gereizt, daß ihm darüber nichts bekannt sei, und die Stimmung wurde so frostig, daß wir alle froh waren, als sie aufbrachen.</p> <p>Delius blieb noch etwas länger und fragte, ob wir bemerkt hätten, daß der Professor neuerdings eine gelbe Krawatte trage. Das habe er früher nie getan, „und es ist eine sehr bedenkliche Farbe“. Maria war an diesem Tage ungewöhnlich reizbar. „Was gehen mich seine Krawatten an,“ sagte sie, „meinetwegen soll er sie Jadwigas schwarzem Hund umbinden.“ Delius sah sie erstaunt an und äußerte in tiefem Ernst: „Damit haben Sie wohl das Richtige getroffen — aber es </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0177]
sich beziehen soll, Fräulein Jadwiga?“ Er sah sie dabei höflich, aber mit steinernem Blick an, sie wandte ihm ihr bleiches Gesicht mit den brennenden Augen zu und erwiderte langsam: „Nein, Herr Delius, das stellt sich meistens erst später heraus.“
Hofmann sah, während diese Worte fielen, über alle Anwesenden hinweg zum Fenster hinaus, und Susanna meinte versöhnlich: „Ach, das ist doch einfach ein Aberglaube.“
„Aberglaube — was ist das?“ fuhr nun der Professor auf.
„Ich denke, Herr Professor, im allgemeinen bedeutet es wohl einen Gegensatz zum wahren Glauben — aber manchmal hat auch der Aberglaube seine Berechtigung.“
Hofmann entgegnete gereizt, daß ihm darüber nichts bekannt sei, und die Stimmung wurde so frostig, daß wir alle froh waren, als sie aufbrachen.
Delius blieb noch etwas länger und fragte, ob wir bemerkt hätten, daß der Professor neuerdings eine gelbe Krawatte trage. Das habe er früher nie getan, „und es ist eine sehr bedenkliche Farbe“. Maria war an diesem Tage ungewöhnlich reizbar. „Was gehen mich seine Krawatten an,“ sagte sie, „meinetwegen soll er sie Jadwigas schwarzem Hund umbinden.“ Delius sah sie erstaunt an und äußerte in tiefem Ernst: „Damit haben Sie wohl das Richtige getroffen — aber es
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |