Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.moderne Treiben an dieser Stätte wohl vor allem verhaßt sein, und so beschloß er, seine Mahlzeiten nach altrömischem Brauch einzunehmen. Er kaufte daher Wein und Früchte und begab sich zur Mittagzeit, wo alles ruhte, in die Campagna. Dort breitete er seine Vorräte auf dem Boden aus, flehte den Segen der Götter auf sich und sein Mahl herab und wollte eben damit beginnen, als dicht hinter ihm ein entsetzliches Gebrüll ertönte und ein ungeheures ziegenbockähnliches Tier mit ellenlangem, bis auf die Erde herabhängendem Bart auf ihn zustürmte. Entsetzt ergriff er die Flucht, denn es schien ihm wohl möglich, daß ein böser Dämon sein Spiel mit ihm treiben wolle. Und als er nach einer Weile wieder zurückkehrte, fand er nur noch das zertrümmerte Weingefäß am Boden, alles andere, auch das Ungeheuer, war spurlos verschwunden. -- Ihr Lächeln ist nicht am Platz, Doktor -- es wurde später dahin aufgeklärt, daß gerade unter der Stelle, wo er verweilt hatte, sich ein altes Grab befand -- --" "Sagte nicht jemand, es könne vielleicht der große Pan selbst gewesen sein?" fragte die kappadozische Dame eifrig, aber der Dichter warf ihr einen strafenden Blick zu und sagte mit großer Bestimmtheit: "Darüber ist mir nichts bekannt". "Sollte unser gemeinsamer Freund Delius sich in diesem Falle nicht doch etwas getäuscht haben," moderne Treiben an dieser Stätte wohl vor allem verhaßt sein, und so beschloß er, seine Mahlzeiten nach altrömischem Brauch einzunehmen. Er kaufte daher Wein und Früchte und begab sich zur Mittagzeit, wo alles ruhte, in die Campagna. Dort breitete er seine Vorräte auf dem Boden aus, flehte den Segen der Götter auf sich und sein Mahl herab und wollte eben damit beginnen, als dicht hinter ihm ein entsetzliches Gebrüll ertönte und ein ungeheures ziegenbockähnliches Tier mit ellenlangem, bis auf die Erde herabhängendem Bart auf ihn zustürmte. Entsetzt ergriff er die Flucht, denn es schien ihm wohl möglich, daß ein böser Dämon sein Spiel mit ihm treiben wolle. Und als er nach einer Weile wieder zurückkehrte, fand er nur noch das zertrümmerte Weingefäß am Boden, alles andere, auch das Ungeheuer, war spurlos verschwunden. — Ihr Lächeln ist nicht am Platz, Doktor — es wurde später dahin aufgeklärt, daß gerade unter der Stelle, wo er verweilt hatte, sich ein altes Grab befand — —“ „Sagte nicht jemand, es könne vielleicht der große Pan selbst gewesen sein?“ fragte die kappadozische Dame eifrig, aber der Dichter warf ihr einen strafenden Blick zu und sagte mit großer Bestimmtheit: „Darüber ist mir nichts bekannt“. „Sollte unser gemeinsamer Freund Delius sich in diesem Falle nicht doch etwas getäuscht haben,“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0142" n="138"/> moderne Treiben an dieser Stätte wohl vor allem verhaßt sein, und so beschloß er, seine Mahlzeiten nach altrömischem Brauch einzunehmen. Er kaufte daher Wein und Früchte und begab sich zur Mittagzeit, wo alles ruhte, in die Campagna. Dort breitete er seine Vorräte auf dem Boden aus, flehte den Segen der Götter auf sich und sein Mahl herab und wollte eben damit beginnen, als dicht hinter ihm ein entsetzliches Gebrüll ertönte und ein ungeheures ziegenbockähnliches Tier mit ellenlangem, bis auf die Erde herabhängendem Bart auf ihn zustürmte. Entsetzt ergriff er die Flucht, denn es schien ihm wohl möglich, daß ein böser Dämon sein Spiel mit ihm treiben wolle. Und als er nach einer Weile wieder zurückkehrte, fand er nur noch das zertrümmerte Weingefäß am Boden, alles andere, auch das Ungeheuer, war spurlos verschwunden. — Ihr Lächeln ist nicht am Platz, Doktor — es wurde später dahin aufgeklärt, daß gerade unter der Stelle, wo er verweilt hatte, sich ein altes Grab befand — —“</p> <p>„Sagte nicht jemand, es könne vielleicht der große Pan selbst gewesen sein?“ fragte die kappadozische Dame eifrig, aber der Dichter warf ihr einen strafenden Blick zu und sagte mit großer Bestimmtheit: „Darüber ist mir nichts bekannt“.</p> <p>„Sollte unser gemeinsamer Freund Delius sich in diesem Falle nicht doch etwas getäuscht haben,“ </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0142]
moderne Treiben an dieser Stätte wohl vor allem verhaßt sein, und so beschloß er, seine Mahlzeiten nach altrömischem Brauch einzunehmen. Er kaufte daher Wein und Früchte und begab sich zur Mittagzeit, wo alles ruhte, in die Campagna. Dort breitete er seine Vorräte auf dem Boden aus, flehte den Segen der Götter auf sich und sein Mahl herab und wollte eben damit beginnen, als dicht hinter ihm ein entsetzliches Gebrüll ertönte und ein ungeheures ziegenbockähnliches Tier mit ellenlangem, bis auf die Erde herabhängendem Bart auf ihn zustürmte. Entsetzt ergriff er die Flucht, denn es schien ihm wohl möglich, daß ein böser Dämon sein Spiel mit ihm treiben wolle. Und als er nach einer Weile wieder zurückkehrte, fand er nur noch das zertrümmerte Weingefäß am Boden, alles andere, auch das Ungeheuer, war spurlos verschwunden. — Ihr Lächeln ist nicht am Platz, Doktor — es wurde später dahin aufgeklärt, daß gerade unter der Stelle, wo er verweilt hatte, sich ein altes Grab befand — —“
„Sagte nicht jemand, es könne vielleicht der große Pan selbst gewesen sein?“ fragte die kappadozische Dame eifrig, aber der Dichter warf ihr einen strafenden Blick zu und sagte mit großer Bestimmtheit: „Darüber ist mir nichts bekannt“.
„Sollte unser gemeinsamer Freund Delius sich in diesem Falle nicht doch etwas getäuscht haben,“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |