Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
10

Ein Morgenbesuch bei Adrian. Er wohnt in einem großen Atelier und ist sehr hübsch eingerichtet. Als ich kam, saß er in einem persischen Kaftan an einem zierlich gedeckten Tischchen und nahm ein hygienisches Frühstück ein. Er sagte, daß er nachher zwei bis drei Stunden zu arbeiten pflege, nur jetzt im Karneval sei das natürlich nicht ganz durchzuführen. Wir rauchten Haschischzigaretten und unterhielten uns über Wahnmoching. Ich glaube, Adrian ist, was man einen Causeur nennt, man kann sonst eigentlich nicht über Wahnmoching "plaudern" und tut es auch nicht, aber Adrian kann es. Trotzdem ist auch er der Ansicht, daß hier große Dinge in der Luft liegen, und jeder, der irgendwelches Streben in sich fühle, müsse sich solchen Bewegungen unbedingt anschließen.

"Ich bitte Sie, Monsieur Dame, wir haben wieder gelernt, dionysisch zu empfinden, -- wer hätte das vor zehn oder zwanzig Jahren für möglich gehalten? Bei dem Fest neulich, -- haben Sie gesehen, wie der Professor raste, wie der Taumel ihn blendete, so daß er

10

Ein Morgenbesuch bei Adrian. Er wohnt in einem großen Atelier und ist sehr hübsch eingerichtet. Als ich kam, saß er in einem persischen Kaftan an einem zierlich gedeckten Tischchen und nahm ein hygienisches Frühstück ein. Er sagte, daß er nachher zwei bis drei Stunden zu arbeiten pflege, nur jetzt im Karneval sei das natürlich nicht ganz durchzuführen. Wir rauchten Haschischzigaretten und unterhielten uns über Wahnmoching. Ich glaube, Adrian ist, was man einen Causeur nennt, man kann sonst eigentlich nicht über Wahnmoching „plaudern“ und tut es auch nicht, aber Adrian kann es. Trotzdem ist auch er der Ansicht, daß hier große Dinge in der Luft liegen, und jeder, der irgendwelches Streben in sich fühle, müsse sich solchen Bewegungen unbedingt anschließen.

„Ich bitte Sie, Monsieur Dame, wir haben wieder gelernt, dionysisch zu empfinden, — wer hätte das vor zehn oder zwanzig Jahren für möglich gehalten? Bei dem Fest neulich, — haben Sie gesehen, wie der Professor raste, wie der Taumel ihn blendete, so daß er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0111" n="107"/>
        <div n="1">
          <head>10</head>
          <p>Ein Morgenbesuch bei Adrian. Er wohnt in einem großen Atelier und ist sehr hübsch eingerichtet. Als ich kam, saß er in einem persischen Kaftan an einem zierlich gedeckten Tischchen und nahm ein hygienisches Frühstück ein. Er sagte, daß er nachher zwei bis drei Stunden zu arbeiten pflege, nur jetzt im Karneval sei das natürlich nicht ganz durchzuführen. Wir rauchten Haschischzigaretten und unterhielten uns über Wahnmoching. Ich glaube, Adrian ist, was man einen Causeur nennt, man kann sonst eigentlich nicht über Wahnmoching &#x201E;plaudern&#x201C; und tut es auch nicht, aber Adrian kann es. Trotzdem ist auch er der Ansicht, daß hier große Dinge in der Luft liegen, und jeder, der irgendwelches Streben in sich fühle, müsse sich solchen Bewegungen unbedingt anschließen.</p>
          <p>&#x201E;Ich bitte Sie, Monsieur Dame, wir haben wieder gelernt, dionysisch zu empfinden, &#x2014; wer hätte das vor zehn oder zwanzig Jahren für möglich gehalten? Bei dem Fest neulich, &#x2014; haben Sie gesehen, wie der Professor raste, wie der Taumel ihn blendete, so daß er
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0111] 10 Ein Morgenbesuch bei Adrian. Er wohnt in einem großen Atelier und ist sehr hübsch eingerichtet. Als ich kam, saß er in einem persischen Kaftan an einem zierlich gedeckten Tischchen und nahm ein hygienisches Frühstück ein. Er sagte, daß er nachher zwei bis drei Stunden zu arbeiten pflege, nur jetzt im Karneval sei das natürlich nicht ganz durchzuführen. Wir rauchten Haschischzigaretten und unterhielten uns über Wahnmoching. Ich glaube, Adrian ist, was man einen Causeur nennt, man kann sonst eigentlich nicht über Wahnmoching „plaudern“ und tut es auch nicht, aber Adrian kann es. Trotzdem ist auch er der Ansicht, daß hier große Dinge in der Luft liegen, und jeder, der irgendwelches Streben in sich fühle, müsse sich solchen Bewegungen unbedingt anschließen. „Ich bitte Sie, Monsieur Dame, wir haben wieder gelernt, dionysisch zu empfinden, — wer hätte das vor zehn oder zwanzig Jahren für möglich gehalten? Bei dem Fest neulich, — haben Sie gesehen, wie der Professor raste, wie der Taumel ihn blendete, so daß er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/111
Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/111>, abgerufen am 04.12.2024.