Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.wüste Gegend, oder in eine Diebshöle einge- sperrt hält, wo du mit einem Elenden dieser Art zu beklagen bist. Dies zerreißt mir mein Herz, und ich wünsche sehr, daß du diesen Brief nicht erhalten mögest, denn mein Vorsatz ist, dem Bösewicht aufzulauern und mich seiner todt oder lebendig zu bemächtigen. Bleibt ihm nur ein Lebenshauch noch übrig, wenn ich oder meine Leute ihn treffen, so soll er uns gewis gestehn, wo du bist, und ich will dich befreyen. O mein liebes Kind; hatt' ich dich für einen so nichts- würdigen Bauer erzogen, der vielleicht. ... Dieser Gedanke bringt mich zur Verzweifelung. Unsre einfältigen Leute hier halten ihn für einen Zauberer; aber ich glaube, daß er ein boshaf- ter und ränkevoller Mensch ist. Lebe wohl meine arme Christine! Bekömst Dein unglücklicher Vater Hannibal vou B-m-t. N. S. Was dich anlanget, niedriger Bösewicht kommst,
wuͤſte Gegend, oder in eine Diebshoͤle einge- ſperrt haͤlt, wo du mit einem Elenden dieſer Art zu beklagen biſt. Dies zerreißt mir mein Herz, und ich wuͤnſche ſehr, daß du dieſen Brief nicht erhalten moͤgeſt, denn mein Vorſatz iſt, dem Boͤſewicht aufzulauern und mich ſeiner todt oder lebendig zu bemaͤchtigen. Bleibt ihm nur ein Lebenshauch noch uͤbrig, wenn ich oder meine Leute ihn treffen, ſo ſoll er uns gewis geſtehn, wo du biſt, und ich will dich befreyen. O mein liebes Kind; hatt’ ich dich fuͤr einen ſo nichts- wuͤrdigen Bauer erzogen, der vielleicht. … Dieſer Gedanke bringt mich zur Verzweifelung. Unſre einfaͤltigen Leute hier halten ihn fuͤr einen Zauberer; aber ich glaube, daß er ein boshaf- ter und raͤnkevoller Menſch iſt. Lebe wohl meine arme Chriſtine! Bekoͤmſt Dein ungluͤcklicher Vater Hannibal vou B-m-t. N. S. Was dich anlanget, niedriger Boͤſewicht kommſt,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0088" n="80"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> wuͤſte Gegend, oder in eine Diebshoͤle einge-<lb/> ſperrt haͤlt, wo du mit einem Elenden dieſer Art<lb/> zu beklagen biſt. Dies zerreißt mir mein Herz,<lb/> und ich wuͤnſche ſehr, daß du dieſen Brief nicht<lb/> erhalten moͤgeſt, denn mein Vorſatz iſt, dem<lb/> Boͤſewicht aufzulauern und mich ſeiner todt oder<lb/> lebendig zu bemaͤchtigen. Bleibt ihm nur ein<lb/> Lebenshauch noch uͤbrig, wenn ich oder meine<lb/> Leute ihn treffen, ſo ſoll er uns gewis geſtehn,<lb/> wo du biſt, und ich will dich befreyen. O mein<lb/> liebes Kind; hatt’ ich dich fuͤr einen ſo nichts-<lb/> wuͤrdigen Bauer erzogen, der vielleicht. …<lb/> Dieſer Gedanke bringt mich zur Verzweifelung.<lb/> Unſre einfaͤltigen Leute hier halten ihn fuͤr einen<lb/> Zauberer; aber ich glaube, daß er ein boshaf-<lb/> ter und raͤnkevoller Menſch iſt.</p><lb/> <p>Lebe wohl meine arme Chriſtine! Bekoͤmſt<lb/> du dieſen Brief — was ich kaum glaube —<lb/> ſo ſuche das Anſehen unſers Bluts, ſolt’s auch<lb/> auf Koſten deiner Tage geſchehen, zu erhalten …<lb/> Jch umarme dich, meine liebe Tochter und erlie-<lb/> ge unter der Laſt meines Grams.</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Dein</hi><lb/> ungluͤcklicher Vater<lb/><hi rendition="#g">Hannibal</hi> vou B-m-t.</hi> </hi> </salute> </closer><lb/> <postscript> <p>N. S. Was dich anlanget, niedriger Boͤſewicht<lb/><hi rendition="#et">Victorin, wenn du mir auch dieſe Nacht ent-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">kommſt,</fw><lb/></hi></p> </postscript> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [80/0088]
wuͤſte Gegend, oder in eine Diebshoͤle einge-
ſperrt haͤlt, wo du mit einem Elenden dieſer Art
zu beklagen biſt. Dies zerreißt mir mein Herz,
und ich wuͤnſche ſehr, daß du dieſen Brief nicht
erhalten moͤgeſt, denn mein Vorſatz iſt, dem
Boͤſewicht aufzulauern und mich ſeiner todt oder
lebendig zu bemaͤchtigen. Bleibt ihm nur ein
Lebenshauch noch uͤbrig, wenn ich oder meine
Leute ihn treffen, ſo ſoll er uns gewis geſtehn,
wo du biſt, und ich will dich befreyen. O mein
liebes Kind; hatt’ ich dich fuͤr einen ſo nichts-
wuͤrdigen Bauer erzogen, der vielleicht. …
Dieſer Gedanke bringt mich zur Verzweifelung.
Unſre einfaͤltigen Leute hier halten ihn fuͤr einen
Zauberer; aber ich glaube, daß er ein boshaf-
ter und raͤnkevoller Menſch iſt.
Lebe wohl meine arme Chriſtine! Bekoͤmſt
du dieſen Brief — was ich kaum glaube —
ſo ſuche das Anſehen unſers Bluts, ſolt’s auch
auf Koſten deiner Tage geſchehen, zu erhalten …
Jch umarme dich, meine liebe Tochter und erlie-
ge unter der Laſt meines Grams.
Dein
ungluͤcklicher Vater
Hannibal vou B-m-t.
N. S. Was dich anlanget, niedriger Boͤſewicht
Victorin, wenn du mir auch dieſe Nacht ent-
kommſt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/88 |
Zitationshilfe: | Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/88>, abgerufen am 22.07.2024. |