er sie mit sammt der Erde legte, damit sie desto leichter fortkommen sollten.
Drauf hielt er es für rathsam, jemanden hinzu- setzen, der auf seine Schafe, Hühner etc. Achtung gäbe, die sich sonst verlaufen, oder wenigstens ver- wildern konnten.
Es befand sich in dem Orte eine Schwägerinn des Johann Vezinier, die in ihren jungen Jahren zur kindlosen Wittwe geworden war. Diese Frau hatte nach dem Tode ihres Mannes nicht sehr ein- gezogen gelebt, und man glaubt, daß Johann ihr Schwager sie zuerst verführt habe. Aber es sey wie ihm wolle, genug sie hatte eine uneheliche Tochter, die sie selbst ernährte und aufzog. Aber diese kleine Unglückliche war das Ziel von der Verachtung und dem Spötte der übrigen Kinder, welches ihre Mut- ter bitter kränkte.
Victorin glaubte diesen beyden Geschöpfen einen Dienst zu erweisen, wenn er sie auf den unbesteig- lichen Berg brächte, sie da ernährte und ihnen auf- gäbe, nicht nur die Viehzucht zu besorgen, sondern auch einen Garten anzulegen und ein Stück Feld mit Getreide zu besäen. Kaum war dieser Entschluß ge- saßt, als er auch schon auf seine Ausführung dachte.
Einen Abend gieng er in der Burg spazieren und sah die Vezinier allein mit ihrer Tochter, die fri- sche Luft zu schöpfen sich an die Thüre gesetzt hatten, und sich nicht mit ihren Nachbarsleuten zu sprechen trauten. Er gieng hin, und sagte, daß er etwas
mit
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er ſie mit ſammt der Erde legte, damit ſie deſto leichter fortkommen ſollten.
Drauf hielt er es fuͤr rathſam, jemanden hinzu- ſetzen, der auf ſeine Schafe, Huͤhner ꝛc. Achtung gaͤbe, die ſich ſonſt verlaufen, oder wenigſtens ver- wildern konnten.
Es befand ſich in dem Orte eine Schwaͤgerinn des Johann Vezinier, die in ihren jungen Jahren zur kindloſen Wittwe geworden war. Dieſe Frau hatte nach dem Tode ihres Mannes nicht ſehr ein- gezogen gelebt, und man glaubt, daß Johann ihr Schwager ſie zuerſt verfuͤhrt habe. Aber es ſey wie ihm wolle, genug ſie hatte eine uneheliche Tochter, die ſie ſelbſt ernaͤhrte und aufzog. Aber dieſe kleine Ungluͤckliche war das Ziel von der Verachtung und dem Spoͤtte der uͤbrigen Kinder, welches ihre Mut- ter bitter kraͤnkte.
Victorin glaubte dieſen beyden Geſchoͤpfen einen Dienſt zu erweiſen, wenn er ſie auf den unbeſteig- lichen Berg braͤchte, ſie da ernaͤhrte und ihnen auf- gaͤbe, nicht nur die Viehzucht zu beſorgen, ſondern auch einen Garten anzulegen und ein Stuͤck Feld mit Getreide zu beſaͤen. Kaum war dieſer Entſchluß ge- ſaßt, als er auch ſchon auf ſeine Ausfuͤhrung dachte.
Einen Abend gieng er in der Burg ſpazieren und ſah die Vezinier allein mit ihrer Tochter, die fri- ſche Luft zu ſchoͤpfen ſich an die Thuͤre geſetzt hatten, und ſich nicht mit ihren Nachbarsleuten zu ſprechen trauten. Er gieng hin, und ſagte, daß er etwas
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er ſie mit ſammt der Erde legte, damit ſie deſto
leichter fortkommen ſollten.
Drauf hielt er es fuͤr rathſam, jemanden hinzu-
ſetzen, der auf ſeine Schafe, Huͤhner ꝛc. Achtung
gaͤbe, die ſich ſonſt verlaufen, oder wenigſtens ver-
wildern konnten.
Es befand ſich in dem Orte eine Schwaͤgerinn
des Johann Vezinier, die in ihren jungen Jahren
zur kindloſen Wittwe geworden war. Dieſe Frau
hatte nach dem Tode ihres Mannes nicht ſehr ein-
gezogen gelebt, und man glaubt, daß Johann ihr
Schwager ſie zuerſt verfuͤhrt habe. Aber es ſey wie
ihm wolle, genug ſie hatte eine uneheliche Tochter,
die ſie ſelbſt ernaͤhrte und aufzog. Aber dieſe kleine
Ungluͤckliche war das Ziel von der Verachtung und
dem Spoͤtte der uͤbrigen Kinder, welches ihre Mut-
ter bitter kraͤnkte.
Victorin glaubte dieſen beyden Geſchoͤpfen einen
Dienſt zu erweiſen, wenn er ſie auf den unbeſteig-
lichen Berg braͤchte, ſie da ernaͤhrte und ihnen auf-
gaͤbe, nicht nur die Viehzucht zu beſorgen, ſondern
auch einen Garten anzulegen und ein Stuͤck Feld mit
Getreide zu beſaͤen. Kaum war dieſer Entſchluß ge-
ſaßt, als er auch ſchon auf ſeine Ausfuͤhrung dachte.
Einen Abend gieng er in der Burg ſpazieren
und ſah die Vezinier allein mit ihrer Tochter, die fri-
ſche Luft zu ſchoͤpfen ſich an die Thuͤre geſetzt hatten,
und ſich nicht mit ihren Nachbarsleuten zu ſprechen
trauten. Er gieng hin, und ſagte, daß er etwas
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/43>, abgerufen am 23.11.2024.
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