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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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theils durch die Hofnung des Vergnügens, theils
durch den Reiz ihrer Schönheit, uns zum Guten
ermuntern.

-- Aber habt ihr denn auch die Frauenzim-
mer bei euch gemeinschaftlich, weiser Megapa-
tagoner.

Wenn ihr unter dem Worte: gemeinschaftlich,
dieses versteht, daß die Vaterschaft ungewis ist,
und die Weiber sich auf eine der Fortpflanzung
wdrige Art vermischen, so habt ihr Unrecht.
Das menschliche Geschöpf, welches keine gewisse
Zeiten zur Brunst und Begattung wie die Thiere
hat, muß seine Lust durch Vernunft mässigen.
Wolt ihr aber so viel damit sagen, daß die Wei-
ber nicht einem Manne allein auf immer zugehören,
so sind die Weiber bei uns allerdings gemeinschaft-
lich; und die Triebfedern, welche sie der Tugend
spannen, sind weit mächtiger und minder ge-
fährlicher, als alle die niedrigen Leidenschaften,
denen man, wie ich von euch selbst gehört, und
aus euren Büchern ersehn habe, bei den Euro-
päern den Lauf läßt, um sie zur Arbeit zu brin-
gen und zu Bearbeitung der Künste aufzumuntern.

Die
man denen Gefälligkeiten und Liebkosungen erweißt,
welche die schwersten Arbeiten verrichten: besonders
werden sie von den iungen Mädchen gut aufgenom-
men ... Man darf nicht nach dem Südpol gehn,
um diese Wahrheit zu suchen; sie ist auch in
Frankreich zu finden, (Dulis.)



theils durch die Hofnung des Vergnuͤgens, theils
durch den Reiz ihrer Schoͤnheit, uns zum Guten
ermuntern.

— Aber habt ihr denn auch die Frauenzim-
mer bei euch gemeinſchaftlich, weiſer Megapa-
tagoner.

Wenn ihr unter dem Worte: gemeinſchaftlich,
dieſes verſteht, daß die Vaterſchaft ungewis iſt,
und die Weiber ſich auf eine der Fortpflanzung
wdrige Art vermiſchen, ſo habt ihr Unrecht.
Das menſchliche Geſchoͤpf, welches keine gewiſſe
Zeiten zur Brunſt und Begattung wie die Thiere
hat, muß ſeine Luſt durch Vernunft maͤſſigen.
Wolt ihr aber ſo viel damit ſagen, daß die Wei-
ber nicht einem Manne allein auf immer zugehoͤren,
ſo ſind die Weiber bei uns allerdings gemeinſchaft-
lich; und die Triebfedern, welche ſie der Tugend
ſpannen, ſind weit maͤchtiger und minder ge-
faͤhrlicher, als alle die niedrigen Leidenſchaften,
denen man, wie ich von euch ſelbſt gehoͤrt, und
aus euren Buͤchern erſehn habe, bei den Euro-
paͤern den Lauf laͤßt, um ſie zur Arbeit zu brin-
gen und zu Bearbeitung der Kuͤnſte aufzumuntern.

Die
man denen Gefaͤlligkeiten und Liebkoſungen erweißt,
welche die ſchwerſten Arbeiten verrichten: beſonders
werden ſie von den iungen Maͤdchen gut aufgenom-
men … Man darf nicht nach dem Suͤdpol gehn,
um dieſe Wahrheit zu ſuchen; ſie iſt auch in
Frankreich zu finden, (Dulis.)
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[322/0330] theils durch die Hofnung des Vergnuͤgens, theils durch den Reiz ihrer Schoͤnheit, uns zum Guten ermuntern. — Aber habt ihr denn auch die Frauenzim- mer bei euch gemeinſchaftlich, weiſer Megapa- tagoner. Wenn ihr unter dem Worte: gemeinſchaftlich, dieſes verſteht, daß die Vaterſchaft ungewis iſt, und die Weiber ſich auf eine der Fortpflanzung wdrige Art vermiſchen, ſo habt ihr Unrecht. Das menſchliche Geſchoͤpf, welches keine gewiſſe Zeiten zur Brunſt und Begattung wie die Thiere hat, muß ſeine Luſt durch Vernunft maͤſſigen. Wolt ihr aber ſo viel damit ſagen, daß die Wei- ber nicht einem Manne allein auf immer zugehoͤren, ſo ſind die Weiber bei uns allerdings gemeinſchaft- lich; und die Triebfedern, welche ſie der Tugend ſpannen, ſind weit maͤchtiger und minder ge- faͤhrlicher, als alle die niedrigen Leidenſchaften, denen man, wie ich von euch ſelbſt gehoͤrt, und aus euren Buͤchern erſehn habe, bei den Euro- paͤern den Lauf laͤßt, um ſie zur Arbeit zu brin- gen und zu Bearbeitung der Kuͤnſte aufzumuntern. Die *) *) man denen Gefaͤlligkeiten und Liebkoſungen erweißt, welche die ſchwerſten Arbeiten verrichten: beſonders werden ſie von den iungen Maͤdchen gut aufgenom- men … Man darf nicht nach dem Suͤdpol gehn, um dieſe Wahrheit zu ſuchen; ſie iſt auch in Frankreich zu finden, (Dulis.)

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/330>, abgerufen am 16.07.2024.