Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.überschreiten und sich unglücklich machen. Dies haben alle alte Götterlehren und selbst eure europäische Religion in der Materie von guten und bösen En- geln angenommen. Dies sind Wahrheiten, die dem Chaos der Zeiten entschlüpft sind, und welche die ersten Menschen so zu sagen gesehn und empfun- den haben, die aber bei den unruhigen und her- umschweifenden nordischen Nationen verlohren ge- gangen sind. Auch die Planeten empfinden ihr Dasein, geniessen es, aber in einem minder vol- kommen Grade, als die Sonnen. Die Kometen, deren Dasein noch mit einem gewissen Taumel ver- knüpft ist, wie unsre Jugend, empfinden es am leb- haftesten. Dann, nämlich nach den kleinsten mög- lichen Trabanten folgen wir, und empfinden unser Dasein minder volkommen als alle Wesen, die uns an Wichtigkeit auf der Welt übertreffen. Die Thiere empfinden sie weniger als wir; und so von Stufe zu Stufe unmerklicher, bis auf die Pflan- zen, und von diesen bis zu den Mineralien. Diese haben weniger besonders und eigenes Leben: aber sie haben mehr von der Erde und sind von dersel- ben weniger als die Pflanzen abgesondert, diese we- niger als die Austern, diese weniger, als die vier- füssigen Thiere, diese weniger als der zweifüssige den Kopf hervortragende Mensch. Die Minerali- en nehmen dafür mehr Theil an dem gemeinschaft- lichen Leben der Erdkugel, wie die Nägel und Haa- re von unserm Körper, da die Thiere im Gegen- theil besondere Geschöpfe sind, wie bei uns die Hautwürmer. Doch ist diese Vergleichung un- vol- U 5
uͤberſchreiten und ſich ungluͤcklich machen. Dies haben alle alte Goͤtterlehren und ſelbſt eure europaͤiſche Religion in der Materie von guten und boͤſen En- geln angenommen. Dies ſind Wahrheiten, die dem Chaos der Zeiten entſchluͤpft ſind, und welche die erſten Menſchen ſo zu ſagen geſehn und empfun- den haben, die aber bei den unruhigen und her- umſchweifenden nordiſchen Nationen verlohren ge- gangen ſind. Auch die Planeten empfinden ihr Daſein, genieſſen es, aber in einem minder vol- kommen Grade, als die Sonnen. Die Kometen, deren Daſein noch mit einem gewiſſen Taumel ver- knuͤpft iſt, wie unſre Jugend, empfinden es am leb- hafteſten. Dann, naͤmlich nach den kleinſten moͤg- lichen Trabanten folgen wir, und empfinden unſer Daſein minder volkommen als alle Weſen, die uns an Wichtigkeit auf der Welt uͤbertreffen. Die Thiere empfinden ſie weniger als wir; und ſo von Stufe zu Stufe unmerklicher, bis auf die Pflan- zen, und von dieſen bis zu den Mineralien. Dieſe haben weniger beſonders und eigenes Leben: aber ſie haben mehr von der Erde und ſind von derſel- ben weniger als die Pflanzen abgeſondert, dieſe we- niger als die Auſtern, dieſe weniger, als die vier- fuͤſſigen Thiere, dieſe weniger als der zweifuͤſſige den Kopf hervortragende Menſch. Die Minerali- en nehmen dafuͤr mehr Theil an dem gemeinſchaft- lichen Leben der Erdkugel, wie die Naͤgel und Haa- re von unſerm Koͤrper, da die Thiere im Gegen- theil beſondere Geſchoͤpfe ſind, wie bei uns die Hautwuͤrmer. Doch iſt dieſe Vergleichung un- vol- U 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0321" n="313"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> uͤberſchreiten und ſich ungluͤcklich machen. Dies haben<lb/> alle alte Goͤtterlehren und ſelbſt eure europaͤiſche<lb/> Religion in der Materie von guten und boͤſen En-<lb/> geln angenommen. Dies ſind Wahrheiten, die<lb/> dem Chaos der Zeiten entſchluͤpft ſind, und welche<lb/> die erſten Menſchen ſo zu ſagen geſehn und empfun-<lb/> den haben, die aber bei den unruhigen und her-<lb/> umſchweifenden nordiſchen Nationen verlohren ge-<lb/> gangen ſind. Auch die Planeten empfinden ihr<lb/> Daſein, genieſſen es, aber in einem minder vol-<lb/> kommen Grade, als die Sonnen. Die Kometen,<lb/> deren Daſein noch mit einem gewiſſen Taumel ver-<lb/> knuͤpft iſt, wie unſre Jugend, empfinden es am leb-<lb/> hafteſten. Dann, naͤmlich nach den kleinſten moͤg-<lb/> lichen Trabanten folgen wir, und empfinden unſer<lb/> Daſein minder volkommen als alle Weſen, die uns<lb/> an Wichtigkeit auf der Welt uͤbertreffen. Die<lb/> Thiere empfinden ſie weniger als wir; und ſo von<lb/> Stufe zu Stufe unmerklicher, bis auf die Pflan-<lb/> zen, und von dieſen bis zu den Mineralien. Dieſe<lb/> haben weniger beſonders und eigenes Leben: aber<lb/> ſie haben mehr von der Erde und ſind von derſel-<lb/> ben weniger als die Pflanzen abgeſondert, dieſe we-<lb/> niger als die Auſtern, dieſe weniger, als die vier-<lb/> fuͤſſigen Thiere, dieſe weniger als der zweifuͤſſige<lb/> den Kopf hervortragende Menſch. Die Minerali-<lb/> en nehmen dafuͤr mehr Theil an dem gemeinſchaft-<lb/> lichen Leben der Erdkugel, wie die Naͤgel und Haa-<lb/> re von unſerm Koͤrper, da die Thiere im Gegen-<lb/> theil beſondere Geſchoͤpfe ſind, wie bei uns die<lb/> Hautwuͤrmer. Doch iſt dieſe Vergleichung un-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">U 5</fw><fw place="bottom" type="catch">vol-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [313/0321]
uͤberſchreiten und ſich ungluͤcklich machen. Dies haben
alle alte Goͤtterlehren und ſelbſt eure europaͤiſche
Religion in der Materie von guten und boͤſen En-
geln angenommen. Dies ſind Wahrheiten, die
dem Chaos der Zeiten entſchluͤpft ſind, und welche
die erſten Menſchen ſo zu ſagen geſehn und empfun-
den haben, die aber bei den unruhigen und her-
umſchweifenden nordiſchen Nationen verlohren ge-
gangen ſind. Auch die Planeten empfinden ihr
Daſein, genieſſen es, aber in einem minder vol-
kommen Grade, als die Sonnen. Die Kometen,
deren Daſein noch mit einem gewiſſen Taumel ver-
knuͤpft iſt, wie unſre Jugend, empfinden es am leb-
hafteſten. Dann, naͤmlich nach den kleinſten moͤg-
lichen Trabanten folgen wir, und empfinden unſer
Daſein minder volkommen als alle Weſen, die uns
an Wichtigkeit auf der Welt uͤbertreffen. Die
Thiere empfinden ſie weniger als wir; und ſo von
Stufe zu Stufe unmerklicher, bis auf die Pflan-
zen, und von dieſen bis zu den Mineralien. Dieſe
haben weniger beſonders und eigenes Leben: aber
ſie haben mehr von der Erde und ſind von derſel-
ben weniger als die Pflanzen abgeſondert, dieſe we-
niger als die Auſtern, dieſe weniger, als die vier-
fuͤſſigen Thiere, dieſe weniger als der zweifuͤſſige
den Kopf hervortragende Menſch. Die Minerali-
en nehmen dafuͤr mehr Theil an dem gemeinſchaft-
lichen Leben der Erdkugel, wie die Naͤgel und Haa-
re von unſerm Koͤrper, da die Thiere im Gegen-
theil beſondere Geſchoͤpfe ſind, wie bei uns die
Hautwuͤrmer. Doch iſt dieſe Vergleichung un-
vol-
U 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |