Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



eine blaue Farbe erhält: der Himmel ist ein Wort
ohne Sinn, und drückt blos einen optischen Jrr-
thum aus.

Daraus folgt, daß die Erde von der Sonne
ihrem Vater und Manne keine andere als thierische
Wärme empfängt, welche sie ganz durchdringt;
sie bekomt unaufhörlich ihre Ausflüsse, und schickt
ihr, wie die übrigen Planeten andere dafür zu.
Dieser Umlauf eben erhält, ohne Abnahme, die
Bewegung, die Wärme und das Leben der Sonne
selbst.

Hermantin, der dies System so wahrscheinlich
und genugthuend fand, verdoppelte seine Aufmerk-
samkeit.

-- Glaubt daher nicht, fuhr der Alte fort,
daß diese weitläuftigen Körper todte Massen sind;
sie leben und werden sterben. Aber dieienigen We-
sen, welche auf ihrer äussern Haut sich befinden,
sind vielleicht schon und werden noch öfter, wäh-
rend dem Leben der Planeten, vernichtet, entwe-
der durch einen gewissen Grad zufälliger Kälte,
oder Wärme. Vielleicht werden sich diese Wesen
aber auch so lange erhalten, als der Planet oder
Komet selbst: aber gewiß ist es, daß weder die
Planeten noch Kometen ewig dauern. Nichts als
die Natur und ihr göttlicher Beseeler ist ewig. Aber
wie werden diese Planeten und Kometen sterben?
Dies kan kein Mensch zuverlässig wissen; aber aus
der Annalogie läßt sichs vermuthen. Die Plane-

ten



eine blaue Farbe erhaͤlt: der Himmel iſt ein Wort
ohne Sinn, und druͤckt blos einen optiſchen Jrr-
thum aus.

Daraus folgt, daß die Erde von der Sonne
ihrem Vater und Manne keine andere als thieriſche
Waͤrme empfaͤngt, welche ſie ganz durchdringt;
ſie bekomt unaufhoͤrlich ihre Ausfluͤſſe, und ſchickt
ihr, wie die uͤbrigen Planeten andere dafuͤr zu.
Dieſer Umlauf eben erhaͤlt, ohne Abnahme, die
Bewegung, die Waͤrme und das Leben der Sonne
ſelbſt.

Hermantin, der dies Syſtem ſo wahrſcheinlich
und genugthuend fand, verdoppelte ſeine Aufmerk-
ſamkeit.

— Glaubt daher nicht, fuhr der Alte fort,
daß dieſe weitlaͤuftigen Koͤrper todte Maſſen ſind;
ſie leben und werden ſterben. Aber dieienigen We-
ſen, welche auf ihrer aͤuſſern Haut ſich befinden,
ſind vielleicht ſchon und werden noch oͤfter, waͤh-
rend dem Leben der Planeten, vernichtet, entwe-
der durch einen gewiſſen Grad zufaͤlliger Kaͤlte,
oder Waͤrme. Vielleicht werden ſich dieſe Weſen
aber auch ſo lange erhalten, als der Planet oder
Komet ſelbſt: aber gewiß iſt es, daß weder die
Planeten noch Kometen ewig dauern. Nichts als
die Natur und ihr goͤttlicher Beſeeler iſt ewig. Aber
wie werden dieſe Planeten und Kometen ſterben?
Dies kan kein Menſch zuverlaͤſſig wiſſen; aber aus
der Annalogie laͤßt ſichs vermuthen. Die Plane-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0308" n="300"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
eine blaue Farbe erha&#x0364;lt: der Himmel i&#x017F;t ein Wort<lb/>
ohne Sinn, und dru&#x0364;ckt blos einen opti&#x017F;chen Jrr-<lb/>
thum aus.</p><lb/>
          <p>Daraus folgt, daß die Erde von der Sonne<lb/>
ihrem Vater und Manne keine andere als thieri&#x017F;che<lb/>
Wa&#x0364;rme empfa&#x0364;ngt, welche &#x017F;ie ganz durchdringt;<lb/>
&#x017F;ie bekomt unaufho&#x0364;rlich ihre Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und &#x017F;chickt<lb/>
ihr, wie die u&#x0364;brigen Planeten andere dafu&#x0364;r zu.<lb/>
Die&#x017F;er Umlauf eben erha&#x0364;lt, ohne Abnahme, die<lb/>
Bewegung, die Wa&#x0364;rme und das Leben der Sonne<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Hermantin, der dies Sy&#x017F;tem &#x017F;o wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
und genugthuend fand, verdoppelte &#x017F;eine Aufmerk-<lb/>
&#x017F;amkeit.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Glaubt daher nicht, fuhr der Alte fort,<lb/>
daß die&#x017F;e weitla&#x0364;uftigen Ko&#x0364;rper todte Ma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind;<lb/>
&#x017F;ie leben und werden &#x017F;terben. Aber dieienigen We-<lb/>
&#x017F;en, welche auf ihrer a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Haut &#x017F;ich befinden,<lb/>
&#x017F;ind vielleicht &#x017F;chon und werden noch o&#x0364;fter, wa&#x0364;h-<lb/>
rend dem Leben der Planeten, vernichtet, entwe-<lb/>
der durch einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad zufa&#x0364;lliger Ka&#x0364;lte,<lb/>
oder Wa&#x0364;rme. Vielleicht werden &#x017F;ich die&#x017F;e We&#x017F;en<lb/>
aber auch &#x017F;o lange erhalten, als der Planet oder<lb/>
Komet &#x017F;elb&#x017F;t: aber gewiß i&#x017F;t es, daß weder die<lb/>
Planeten noch Kometen ewig dauern. Nichts als<lb/>
die Natur und ihr go&#x0364;ttlicher Be&#x017F;eeler i&#x017F;t ewig. Aber<lb/>
wie werden die&#x017F;e Planeten und Kometen &#x017F;terben?<lb/>
Dies kan kein Men&#x017F;ch zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig wi&#x017F;&#x017F;en; aber aus<lb/>
der Annalogie la&#x0364;ßt &#x017F;ichs vermuthen. Die Plane-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0308] eine blaue Farbe erhaͤlt: der Himmel iſt ein Wort ohne Sinn, und druͤckt blos einen optiſchen Jrr- thum aus. Daraus folgt, daß die Erde von der Sonne ihrem Vater und Manne keine andere als thieriſche Waͤrme empfaͤngt, welche ſie ganz durchdringt; ſie bekomt unaufhoͤrlich ihre Ausfluͤſſe, und ſchickt ihr, wie die uͤbrigen Planeten andere dafuͤr zu. Dieſer Umlauf eben erhaͤlt, ohne Abnahme, die Bewegung, die Waͤrme und das Leben der Sonne ſelbſt. Hermantin, der dies Syſtem ſo wahrſcheinlich und genugthuend fand, verdoppelte ſeine Aufmerk- ſamkeit. — Glaubt daher nicht, fuhr der Alte fort, daß dieſe weitlaͤuftigen Koͤrper todte Maſſen ſind; ſie leben und werden ſterben. Aber dieienigen We- ſen, welche auf ihrer aͤuſſern Haut ſich befinden, ſind vielleicht ſchon und werden noch oͤfter, waͤh- rend dem Leben der Planeten, vernichtet, entwe- der durch einen gewiſſen Grad zufaͤlliger Kaͤlte, oder Waͤrme. Vielleicht werden ſich dieſe Weſen aber auch ſo lange erhalten, als der Planet oder Komet ſelbſt: aber gewiß iſt es, daß weder die Planeten noch Kometen ewig dauern. Nichts als die Natur und ihr goͤttlicher Beſeeler iſt ewig. Aber wie werden dieſe Planeten und Kometen ſterben? Dies kan kein Menſch zuverlaͤſſig wiſſen; aber aus der Annalogie laͤßt ſichs vermuthen. Die Plane- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/308
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/308>, abgerufen am 16.07.2024.