Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.Mittel der Bildung war. Alles was eine stärke- re Verbindung der Begriffe erforderte, überstieg ihren Verstand. Aber diese Kentnisse waren hin- länglich ein anderes, wo er auszuführen sucht, daß man,
statt aller Abgaben, den Zehnten in Natur geben solte. Ein Plan würdig der Wiedereinführung der Sklaverei, die er gepredigt hat, an der Seite gesetzt zu werden: ein anderes wo er das lächerli- che System auskramt, daß alle Geschichte auf die iüdischen Jahrbücher einen Bezug hätten. Er greift den Herrn Court de Gebelin an, in- dem er ihn lobt, so wie die Teufel ohne Zwei- fel Gott loben; er häuft scheinbare Gründe: aber alles dies erregt beim Leser nichts als Bedauren, den Verstand so vergeblich angewandt zu sehn, und vielleicht Unwillen zu bewirken, daß der Verfas- ser nicht überdenkt was er sagt. Bei aller seiner Kunst merkt man doch, daß äussere Beweggründe ihn zum Schreiben bringen, er mag sich noch so verstecken, die geheimen Triebfedern seines Betra- gens, sind dem niedrigsten Schreiber und Laden- burschen nicht unbekant. Er hat den Philosophen Krieg geschworen, aber seine Beweggründe sind nichts weniger als philosophisch. Sieht man aber auch wieder seinen Artikel von der Oper, so be- wundert man den fliessenden, leichten, ia wenn er will sogar angenehmen Stil; seiner angewöhnten beissenden Schreibart ungeachtet, die ihm in dem folgenden Artikel, wo er seine Feder in die bit- terste Galle taucht, wohl zu statten komt. .... Jch lasse ihm gern Gerechtigkeit wiederfahren, aber ich muß ihm auch sagen, daß, wenn er nach Grös- se hascht, er einem Hirngespinste nachiagt. Nie wird er den Titel eines grossen Mannes erlangen: es gehn ihm zuviel Stücke davon ab. (Dulis.) Mittel der Bildung war. Alles was eine ſtaͤrke- re Verbindung der Begriffe erforderte, uͤberſtieg ihren Verſtand. Aber dieſe Kentniſſe waren hin- laͤnglich ein anderes, wo er auszufuͤhren ſucht, daß man,
ſtatt aller Abgaben, den Zehnten in Natur geben ſolte. Ein Plan wuͤrdig der Wiedereinfuͤhrung der Sklaverei, die er gepredigt hat, an der Seite geſetzt zu werden: ein anderes wo er das laͤcherli- che Syſtem auskramt, daß alle Geſchichte auf die iuͤdiſchen Jahrbuͤcher einen Bezug haͤtten. Er greift den Herrn Court de Gebelin an, in- dem er ihn lobt, ſo wie die Teufel ohne Zwei- fel Gott loben; er haͤuft ſcheinbare Gruͤnde: aber alles dies erregt beim Leſer nichts als Bedauren, den Verſtand ſo vergeblich angewandt zu ſehn, und vielleicht Unwillen zu bewirken, daß der Verfaſ- ſer nicht uͤberdenkt was er ſagt. Bei aller ſeiner Kunſt merkt man doch, daß aͤuſſere Beweggruͤnde ihn zum Schreiben bringen, er mag ſich noch ſo verſtecken, die geheimen Triebfedern ſeines Betra- gens, ſind dem niedrigſten Schreiber und Laden- burſchen nicht unbekant. Er hat den Philoſophen Krieg geſchworen, aber ſeine Beweggruͤnde ſind nichts weniger als philoſophiſch. Sieht man aber auch wieder ſeinen Artikel von der Oper, ſo be- wundert man den flieſſenden, leichten, ia wenn er will ſogar angenehmen Stil; ſeiner angewoͤhnten beiſſenden Schreibart ungeachtet, die ihm in dem folgenden Artikel, wo er ſeine Feder in die bit- terſte Galle taucht, wohl zu ſtatten komt. …. Jch laſſe ihm gern Gerechtigkeit wiederfahren, aber ich muß ihm auch ſagen, daß, wenn er nach Groͤſ- ſe haſcht, er einem Hirngeſpinſte nachiagt. Nie wird er den Titel eines groſſen Mannes erlangen: es gehn ihm zuviel Stuͤcke davon ab. (Dulis.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0276" n="268"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Mittel der Bildung war. Alles was eine ſtaͤrke-<lb/> re Verbindung der Begriffe erforderte, uͤberſtieg<lb/> ihren Verſtand. Aber dieſe Kentniſſe waren hin-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">laͤnglich</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="*)">ein anderes, wo er auszufuͤhren ſucht, daß man,<lb/> ſtatt aller Abgaben, den Zehnten in Natur geben<lb/> ſolte. Ein Plan wuͤrdig der Wiedereinfuͤhrung<lb/> der Sklaverei, die er gepredigt hat, an der Seite<lb/> geſetzt zu werden: ein anderes wo er das laͤcherli-<lb/> che Syſtem auskramt, daß alle Geſchichte auf die<lb/> iuͤdiſchen Jahrbuͤcher einen Bezug haͤtten. Er<lb/> greift den Herrn <hi rendition="#fr">Court de Gebelin</hi> an, in-<lb/> dem er ihn lobt, ſo wie die Teufel ohne Zwei-<lb/> fel Gott loben; er haͤuft ſcheinbare Gruͤnde: aber<lb/> alles dies erregt beim Leſer nichts als Bedauren,<lb/> den Verſtand ſo vergeblich angewandt zu ſehn, und<lb/> vielleicht Unwillen zu bewirken, daß der Verfaſ-<lb/> ſer nicht uͤberdenkt was er ſagt. Bei aller ſeiner<lb/> Kunſt merkt man doch, daß aͤuſſere Beweggruͤnde<lb/> ihn zum Schreiben bringen, er mag ſich noch ſo<lb/> verſtecken, die geheimen Triebfedern ſeines Betra-<lb/> gens, ſind dem niedrigſten Schreiber und Laden-<lb/> burſchen nicht unbekant. Er hat den Philoſophen<lb/> Krieg geſchworen, aber ſeine Beweggruͤnde ſind<lb/> nichts weniger als philoſophiſch. Sieht man aber<lb/> auch wieder ſeinen Artikel von der <hi rendition="#fr">Oper,</hi> ſo be-<lb/> wundert man den flieſſenden, leichten, ia wenn er<lb/> will ſogar angenehmen Stil; ſeiner angewoͤhnten<lb/> beiſſenden Schreibart ungeachtet, die ihm in dem<lb/> folgenden Artikel, wo er ſeine Feder in die bit-<lb/> terſte Galle taucht, wohl zu ſtatten komt. ….<lb/> Jch laſſe ihm gern Gerechtigkeit wiederfahren, aber<lb/> ich muß ihm auch ſagen, daß, wenn er nach <hi rendition="#fr">Groͤſ-<lb/> ſe</hi> haſcht, er einem Hirngeſpinſte nachiagt. Nie<lb/> wird er den Titel eines <hi rendition="#fr">groſſen Mannes</hi> erlangen:<lb/> es gehn ihm zuviel Stuͤcke davon ab. (<hi rendition="#fr">Dulis.</hi>)</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0276]
Mittel der Bildung war. Alles was eine ſtaͤrke-
re Verbindung der Begriffe erforderte, uͤberſtieg
ihren Verſtand. Aber dieſe Kentniſſe waren hin-
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*) ein anderes, wo er auszufuͤhren ſucht, daß man,
ſtatt aller Abgaben, den Zehnten in Natur geben
ſolte. Ein Plan wuͤrdig der Wiedereinfuͤhrung
der Sklaverei, die er gepredigt hat, an der Seite
geſetzt zu werden: ein anderes wo er das laͤcherli-
che Syſtem auskramt, daß alle Geſchichte auf die
iuͤdiſchen Jahrbuͤcher einen Bezug haͤtten. Er
greift den Herrn Court de Gebelin an, in-
dem er ihn lobt, ſo wie die Teufel ohne Zwei-
fel Gott loben; er haͤuft ſcheinbare Gruͤnde: aber
alles dies erregt beim Leſer nichts als Bedauren,
den Verſtand ſo vergeblich angewandt zu ſehn, und
vielleicht Unwillen zu bewirken, daß der Verfaſ-
ſer nicht uͤberdenkt was er ſagt. Bei aller ſeiner
Kunſt merkt man doch, daß aͤuſſere Beweggruͤnde
ihn zum Schreiben bringen, er mag ſich noch ſo
verſtecken, die geheimen Triebfedern ſeines Betra-
gens, ſind dem niedrigſten Schreiber und Laden-
burſchen nicht unbekant. Er hat den Philoſophen
Krieg geſchworen, aber ſeine Beweggruͤnde ſind
nichts weniger als philoſophiſch. Sieht man aber
auch wieder ſeinen Artikel von der Oper, ſo be-
wundert man den flieſſenden, leichten, ia wenn er
will ſogar angenehmen Stil; ſeiner angewoͤhnten
beiſſenden Schreibart ungeachtet, die ihm in dem
folgenden Artikel, wo er ſeine Feder in die bit-
terſte Galle taucht, wohl zu ſtatten komt. ….
Jch laſſe ihm gern Gerechtigkeit wiederfahren, aber
ich muß ihm auch ſagen, daß, wenn er nach Groͤſ-
ſe haſcht, er einem Hirngeſpinſte nachiagt. Nie
wird er den Titel eines groſſen Mannes erlangen:
es gehn ihm zuviel Stuͤcke davon ab. (Dulis.)
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