Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.gegen die Menschen sein *). Der Grund ihres Glücks bestand daher in einer volkommen Gleich- heit *) Es solte mir leid thun, wenn man mich in den
Verdacht zöge, als ob ich den Misbrauch, welcher in Paris und, wie ich glaube, beinah in der gan- zen Welt herrscht, billigte, eben so viel Hunde als Menschen, eine Menge unnützer Vögel und dergleichen zu unterhalten. Jch bin vielmehr der Meinung, daß man die Freiheit Hunde und Vö- gel zu halten, besonders in grossen Städten äus- serst einschränken solte. Erstlich weil diese Thie- re mit dem Menschen gleiche Nahrung genüssen, und viele Menschen dagegen Mangel an dem Noth- dürftigen leiden. Zweitens weil bei der Menge Hunde sich, wie alle Welt weiß, oft schreckliche Fälle ereignen. Dritt[e]ns weil diese Thiere der Gesundheit schaden, ich kenne viel Häuser, wo die Treppen und sogar die Zimmer von den Hun- den einen höchst ungesundeu Geruch verbreiten. Viertens sind sie unnütz, und durch ihr Gelär- me beschwerlich, auch oft nachtheilig in Ansehung der Zänkereien, welche sie verursachen, wenn man ihnen aus Unbedachtsamkeit, aus Versehen, oder aus Ungedult einen Schlag giebt. Fünstens: Weil sie dem Volke nicht nur einen Theil ihrer Lebensmittel entziehen, sondern auch das Herz der brüderlichen Liebe verschliessen. Oft hab' ich zärt- liche weibliche Herzen gefunden, ganz offen die- sen Thieren, aber verschlossen dem Manne, den Kindern, Anverwandten und Bedienten. Jn mei- nem Unwillen hätt' ich dann das ganze Geschlecht, das ein so grosses Unheil verursacht, zernichten mögen! Man muß die Thiere, welche man hat, nie leiden lassen: das ist alles, was ich habe sa- gen gegen die Menſchen ſein *). Der Grund ihres Gluͤcks beſtand daher in einer volkommen Gleich- heit *) Es ſolte mir leid thun, wenn man mich in den
Verdacht zoͤge, als ob ich den Misbrauch, welcher in Paris und, wie ich glaube, beinah in der gan- zen Welt herrſcht, billigte, eben ſo viel Hunde als Menſchen, eine Menge unnuͤtzer Voͤgel und dergleichen zu unterhalten. Jch bin vielmehr der Meinung, daß man die Freiheit Hunde und Voͤ- gel zu halten, beſonders in groſſen Staͤdten aͤuſ- ſerſt einſchraͤnken ſolte. Erſtlich weil dieſe Thie- re mit dem Menſchen gleiche Nahrung genuͤſſen, und viele Menſchen dagegen Mangel an dem Noth- duͤrftigen leiden. Zweitens weil bei der Menge Hunde ſich, wie alle Welt weiß, oft ſchreckliche Faͤlle ereignen. Dritt[e]ns weil dieſe Thiere der Geſundheit ſchaden, ich kenne viel Haͤuſer, wo die Treppen und ſogar die Zimmer von den Hun- den einen hoͤchſt ungeſundeu Geruch verbreiten. Viertens ſind ſie unnuͤtz, und durch ihr Gelaͤr- me beſchwerlich, auch oft nachtheilig in Anſehung der Zaͤnkereien, welche ſie verurſachen, wenn man ihnen aus Unbedachtſamkeit, aus Verſehen, oder aus Ungedult einen Schlag giebt. Fuͤnſtens: Weil ſie dem Volke nicht nur einen Theil ihrer Lebensmittel entziehen, ſondern auch das Herz der bruͤderlichen Liebe verſchlieſſen. Oft hab’ ich zaͤrt- liche weibliche Herzen gefunden, ganz offen die- ſen Thieren, aber verſchloſſen dem Manne, den Kindern, Anverwandten und Bedienten. Jn mei- nem Unwillen haͤtt’ ich dann das ganze Geſchlecht, das ein ſo groſſes Unheil verurſacht, zernichten moͤgen! Man muß die Thiere, welche man hat, nie leiden laſſen: das iſt alles, was ich habe ſa- gen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0274" n="266"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gegen die Menſchen ſein <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)">Es ſolte mir leid thun, wenn man mich in den<lb/> Verdacht zoͤge, als ob ich den Misbrauch, welcher<lb/> in Paris und, wie ich glaube, beinah in der gan-<lb/> zen Welt herrſcht, billigte, eben ſo viel Hunde<lb/> als Menſchen, eine Menge unnuͤtzer Voͤgel und<lb/> dergleichen zu unterhalten. Jch bin vielmehr der<lb/> Meinung, daß man die Freiheit Hunde und Voͤ-<lb/> gel zu halten, beſonders in groſſen Staͤdten aͤuſ-<lb/> ſerſt einſchraͤnken ſolte. <hi rendition="#fr">Erſtlich</hi> weil dieſe Thie-<lb/> re mit dem Menſchen gleiche Nahrung genuͤſſen,<lb/> und viele Menſchen dagegen Mangel an dem Noth-<lb/> duͤrftigen leiden. <hi rendition="#fr">Zweitens</hi> weil bei der Menge<lb/> Hunde ſich, wie alle Welt weiß, oft ſchreckliche<lb/> Faͤlle ereignen. <hi rendition="#fr">Dritt<supplied>e</supplied>ns</hi> weil dieſe Thiere der<lb/> Geſundheit ſchaden, ich kenne viel Haͤuſer, wo<lb/> die Treppen und ſogar die Zimmer von den Hun-<lb/> den einen hoͤchſt ungeſundeu Geruch verbreiten.<lb/><hi rendition="#fr">Viertens</hi> ſind ſie unnuͤtz, und durch ihr Gelaͤr-<lb/> me beſchwerlich, auch oft nachtheilig in Anſehung<lb/> der Zaͤnkereien, welche ſie verurſachen, wenn man<lb/> ihnen aus Unbedachtſamkeit, aus Verſehen, oder<lb/> aus Ungedult einen Schlag giebt. <hi rendition="#fr">Fuͤnſtens:</hi><lb/> Weil ſie dem Volke nicht nur einen Theil ihrer<lb/> Lebensmittel entziehen, ſondern auch das Herz der<lb/> bruͤderlichen Liebe verſchlieſſen. Oft hab’ ich zaͤrt-<lb/> liche weibliche Herzen gefunden, ganz offen die-<lb/> ſen Thieren, aber verſchloſſen dem Manne, den<lb/> Kindern, Anverwandten und Bedienten. Jn mei-<lb/> nem Unwillen haͤtt’ ich dann das ganze Geſchlecht,<lb/> das ein ſo groſſes Unheil verurſacht, zernichten<lb/> moͤgen! Man muß die Thiere, welche man hat,<lb/> nie leiden laſſen: das iſt alles, was ich habe ſa-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gen</fw></note>. Der Grund ihres<lb/> Gluͤcks beſtand daher in einer volkommen Gleich-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">heit</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0274]
gegen die Menſchen ſein *). Der Grund ihres
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*) Es ſolte mir leid thun, wenn man mich in den
Verdacht zoͤge, als ob ich den Misbrauch, welcher
in Paris und, wie ich glaube, beinah in der gan-
zen Welt herrſcht, billigte, eben ſo viel Hunde
als Menſchen, eine Menge unnuͤtzer Voͤgel und
dergleichen zu unterhalten. Jch bin vielmehr der
Meinung, daß man die Freiheit Hunde und Voͤ-
gel zu halten, beſonders in groſſen Staͤdten aͤuſ-
ſerſt einſchraͤnken ſolte. Erſtlich weil dieſe Thie-
re mit dem Menſchen gleiche Nahrung genuͤſſen,
und viele Menſchen dagegen Mangel an dem Noth-
duͤrftigen leiden. Zweitens weil bei der Menge
Hunde ſich, wie alle Welt weiß, oft ſchreckliche
Faͤlle ereignen. Drittens weil dieſe Thiere der
Geſundheit ſchaden, ich kenne viel Haͤuſer, wo
die Treppen und ſogar die Zimmer von den Hun-
den einen hoͤchſt ungeſundeu Geruch verbreiten.
Viertens ſind ſie unnuͤtz, und durch ihr Gelaͤr-
me beſchwerlich, auch oft nachtheilig in Anſehung
der Zaͤnkereien, welche ſie verurſachen, wenn man
ihnen aus Unbedachtſamkeit, aus Verſehen, oder
aus Ungedult einen Schlag giebt. Fuͤnſtens:
Weil ſie dem Volke nicht nur einen Theil ihrer
Lebensmittel entziehen, ſondern auch das Herz der
bruͤderlichen Liebe verſchlieſſen. Oft hab’ ich zaͤrt-
liche weibliche Herzen gefunden, ganz offen die-
ſen Thieren, aber verſchloſſen dem Manne, den
Kindern, Anverwandten und Bedienten. Jn mei-
nem Unwillen haͤtt’ ich dann das ganze Geſchlecht,
das ein ſo groſſes Unheil verurſacht, zernichten
moͤgen! Man muß die Thiere, welche man hat,
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