Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.nicht unversorgt, sie konten wiederum ein iunges Mädchen heirathen; aber sie waren zu dieser drit- ten Heirath nicht so wie zu den erstern beiden ge- nöthigt, indes standen die, welche eine dritte Verbindung eingingen, in grösserer Achtung. Auch konten sie sich eine blosse Beischläferin aus den Frauenzimmern der niedern Gattungen als aus den Rachtweibern oder andern vorerwähnten, wählen. Man sahe diese Verbindungen nicht für tadelhaft an, weil sie besonders zu Unterhaltung dienten. Aber die Regierung hatte auf die Söhne dieser ver- mischten Gattungen ein wachsames Auge und such- te solche zu vervollkommen, sie durften nur ver- wittwete Frauenzimmer heirathen, die wenigstens zwei und dreissig und nicht über vierzig Jahr' alt waren, folglich Kräfte genug hatten, denen Kin- dern am meisten von ihrer Natur mitzutheilen. Die Mädchen konten Männer von einer ebenfals gemisch- ten Gattung, oder als Beischläferinnen auch Alte nehmen. Nach der dritten Vereinigung aber mu- sten sie blos rechtmässige Weiber werden. Die königliche Familie konte iedoch diese Ge- sonders
nicht unverſorgt, ſie konten wiederum ein iunges Maͤdchen heirathen; aber ſie waren zu dieſer drit- ten Heirath nicht ſo wie zu den erſtern beiden ge- noͤthigt, indes ſtanden die, welche eine dritte Verbindung eingingen, in groͤſſerer Achtung. Auch konten ſie ſich eine bloſſe Beiſchlaͤferin aus den Frauenzimmern der niedern Gattungen als aus den Rachtweibern oder andern vorerwaͤhnten, waͤhlen. Man ſahe dieſe Verbindungen nicht fuͤr tadelhaft an, weil ſie beſonders zu Unterhaltung dienten. Aber die Regierung hatte auf die Soͤhne dieſer ver- miſchten Gattungen ein wachſames Auge und ſuch- te ſolche zu vervollkommen, ſie durften nur ver- wittwete Frauenzimmer heirathen, die wenigſtens zwei und dreiſſig und nicht uͤber vierzig Jahr’ alt waren, folglich Kraͤfte genug hatten, denen Kin- dern am meiſten von ihrer Natur mitzutheilen. Die Maͤdchen konten Maͤnner von einer ebenfals gemiſch- ten Gattung, oder als Beiſchlaͤferinnen auch Alte nehmen. Nach der dritten Vereinigung aber mu- ſten ſie blos rechtmaͤſſige Weiber werden. Die koͤnigliche Familie konte iedoch dieſe Ge- ſonders
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0230" n="222"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> nicht unverſorgt, ſie konten wiederum ein iunges<lb/> Maͤdchen heirathen; aber ſie waren zu dieſer drit-<lb/> ten Heirath nicht ſo wie zu den erſtern beiden ge-<lb/> noͤthigt, indes ſtanden die, welche eine dritte<lb/> Verbindung eingingen, in groͤſſerer Achtung. Auch<lb/> konten ſie ſich eine bloſſe Beiſchlaͤferin aus den<lb/> Frauenzimmern der niedern Gattungen als aus den<lb/> Rachtweibern oder andern vorerwaͤhnten, waͤhlen.<lb/> Man ſahe dieſe Verbindungen nicht fuͤr tadelhaft<lb/> an, weil ſie beſonders zu Unterhaltung dienten.<lb/> Aber die Regierung hatte auf die Soͤhne dieſer ver-<lb/> miſchten Gattungen ein wachſames Auge und ſuch-<lb/> te ſolche zu vervollkommen, ſie durften nur ver-<lb/> wittwete Frauenzimmer heirathen, die wenigſtens<lb/> zwei und dreiſſig und nicht uͤber vierzig Jahr’ alt<lb/> waren, folglich Kraͤfte genug hatten, denen Kin-<lb/> dern am meiſten von ihrer Natur mitzutheilen. Die<lb/> Maͤdchen konten Maͤnner von einer ebenfals gemiſch-<lb/> ten Gattung, oder als Beiſchlaͤferinnen auch Alte<lb/> nehmen. Nach der dritten Vereinigung aber mu-<lb/> ſten ſie blos rechtmaͤſſige Weiber werden.</p><lb/> <p>Die koͤnigliche Familie konte iedoch dieſe Ge-<lb/> wohnheit nicht beobachten, weil ſie in Ermange-<lb/> lung der Prinzeſſinnen von Gebluͤte patagoniſche<lb/> Gemalinnen nehmen muſten, theils um ihre Ho-<lb/> heit zu behaupten, theils um die Freundſchaft mit<lb/> den maͤchtigen Nationen von Victorique oder Pa-<lb/> tagonien zu unterhalten. Man wendete auſſeror-<lb/> dentliche Sorgfalt auf die iungen Prinzen und uͤbt’<lb/> ihren Verſtand, der ſehr groß iſt, ungemein. Be-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſonders</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0230]
nicht unverſorgt, ſie konten wiederum ein iunges
Maͤdchen heirathen; aber ſie waren zu dieſer drit-
ten Heirath nicht ſo wie zu den erſtern beiden ge-
noͤthigt, indes ſtanden die, welche eine dritte
Verbindung eingingen, in groͤſſerer Achtung. Auch
konten ſie ſich eine bloſſe Beiſchlaͤferin aus den
Frauenzimmern der niedern Gattungen als aus den
Rachtweibern oder andern vorerwaͤhnten, waͤhlen.
Man ſahe dieſe Verbindungen nicht fuͤr tadelhaft
an, weil ſie beſonders zu Unterhaltung dienten.
Aber die Regierung hatte auf die Soͤhne dieſer ver-
miſchten Gattungen ein wachſames Auge und ſuch-
te ſolche zu vervollkommen, ſie durften nur ver-
wittwete Frauenzimmer heirathen, die wenigſtens
zwei und dreiſſig und nicht uͤber vierzig Jahr’ alt
waren, folglich Kraͤfte genug hatten, denen Kin-
dern am meiſten von ihrer Natur mitzutheilen. Die
Maͤdchen konten Maͤnner von einer ebenfals gemiſch-
ten Gattung, oder als Beiſchlaͤferinnen auch Alte
nehmen. Nach der dritten Vereinigung aber mu-
ſten ſie blos rechtmaͤſſige Weiber werden.
Die koͤnigliche Familie konte iedoch dieſe Ge-
wohnheit nicht beobachten, weil ſie in Ermange-
lung der Prinzeſſinnen von Gebluͤte patagoniſche
Gemalinnen nehmen muſten, theils um ihre Ho-
heit zu behaupten, theils um die Freundſchaft mit
den maͤchtigen Nationen von Victorique oder Pa-
tagonien zu unterhalten. Man wendete auſſeror-
dentliche Sorgfalt auf die iungen Prinzen und uͤbt’
ihren Verſtand, der ſehr groß iſt, ungemein. Be-
ſonders
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/230 |
Zitationshilfe: | Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/230>, abgerufen am 16.02.2025. |