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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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reien und Jagden. Auch mein Sohn folgte
uns, ob er gleich nur sieben Jahr alt war, um
sich bei guter Zeit an diese Beschwerlichkeiten zu
gewöhnen. So haben wir zehn Jahr hin ge-
bracht. Während der Zeit aber, muß ich euch
sagen, machten wir einige Bockmenschen zahm die
uns besuchten. Einer davon hatte eine Tochter
weniger ungestaltet als ihre Gespielinnen, die mein
iunger Schiffer liebgewann und heirathete. Jch
hatte ihm meine Tochter bestimmt; aber dieser
treue Jüngling sprach eines Tages zu mir. -- Ka-
pitain, es ist schicklicher daß ich versuche, was
eine Vermischung mit den Weibern dieses Landes
hervorbringen kan, und daß eure Familie, welche
die Herrschaft darüber haben wird und haben muß,
alle Volkommenheiten der menschlichen Gestalt be-
halte: verheirathet daher eure beiden Kinder zu-
sammen: die Nothwendigkeit erfordert es." Jch
muß gestehn, dieser Beweggrund machte einen tie-
fen Eindruck auf mich; denn ich hatte eine ausser-
ordentliche Abneigung, meinen Sohn an ein Zie-
genmädchen verheirathet zu sehn. Jch unterwarf
mich also den Gesetzen der Nothwendigkeit: und dies
sind die Früchte davon. Jch habe sechs Enkel,
Moriz, mein Schiffer aber hat deren bereits
zwölfe, weil seine Frau fast immer Zwillinge bringt.
Zu meiner Freude finde ich, daß diese Kinder
mehr nach dem Vater als der Mutter arten, und
könten sie so glücklich seyn sich mit volkommern
Wesen zu verbinden, so würde ihre ursprüngliche
Ungestalt sich bald verlieren.

Noch



reien und Jagden. Auch mein Sohn folgte
uns, ob er gleich nur ſieben Jahr alt war, um
ſich bei guter Zeit an dieſe Beſchwerlichkeiten zu
gewoͤhnen. So haben wir zehn Jahr hin ge-
bracht. Waͤhrend der Zeit aber, muß ich euch
ſagen, machten wir einige Bockmenſchen zahm die
uns beſuchten. Einer davon hatte eine Tochter
weniger ungeſtaltet als ihre Geſpielinnen, die mein
iunger Schiffer liebgewann und heirathete. Jch
hatte ihm meine Tochter beſtimmt; aber dieſer
treue Juͤngling ſprach eines Tages zu mir. — Ka-
pitain, es iſt ſchicklicher daß ich verſuche, was
eine Vermiſchung mit den Weibern dieſes Landes
hervorbringen kan, und daß eure Familie, welche
die Herrſchaft daruͤber haben wird und haben muß,
alle Volkommenheiten der menſchlichen Geſtalt be-
halte: verheirathet daher eure beiden Kinder zu-
ſammen: die Nothwendigkeit erfordert es.‟ Jch
muß geſtehn, dieſer Beweggrund machte einen tie-
fen Eindruck auf mich; denn ich hatte eine auſſer-
ordentliche Abneigung, meinen Sohn an ein Zie-
genmaͤdchen verheirathet zu ſehn. Jch unterwarf
mich alſo den Geſetzen der Nothwendigkeit: und dies
ſind die Fruͤchte davon. Jch habe ſechs Enkel,
Moriz, mein Schiffer aber hat deren bereits
zwoͤlfe, weil ſeine Frau faſt immer Zwillinge bringt.
Zu meiner Freude finde ich, daß dieſe Kinder
mehr nach dem Vater als der Mutter arten, und
koͤnten ſie ſo gluͤcklich ſeyn ſich mit volkommern
Weſen zu verbinden, ſo wuͤrde ihre urſpruͤngliche
Ungeſtalt ſich bald verlieren.

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[216/0224] reien und Jagden. Auch mein Sohn folgte uns, ob er gleich nur ſieben Jahr alt war, um ſich bei guter Zeit an dieſe Beſchwerlichkeiten zu gewoͤhnen. So haben wir zehn Jahr hin ge- bracht. Waͤhrend der Zeit aber, muß ich euch ſagen, machten wir einige Bockmenſchen zahm die uns beſuchten. Einer davon hatte eine Tochter weniger ungeſtaltet als ihre Geſpielinnen, die mein iunger Schiffer liebgewann und heirathete. Jch hatte ihm meine Tochter beſtimmt; aber dieſer treue Juͤngling ſprach eines Tages zu mir. — Ka- pitain, es iſt ſchicklicher daß ich verſuche, was eine Vermiſchung mit den Weibern dieſes Landes hervorbringen kan, und daß eure Familie, welche die Herrſchaft daruͤber haben wird und haben muß, alle Volkommenheiten der menſchlichen Geſtalt be- halte: verheirathet daher eure beiden Kinder zu- ſammen: die Nothwendigkeit erfordert es.‟ Jch muß geſtehn, dieſer Beweggrund machte einen tie- fen Eindruck auf mich; denn ich hatte eine auſſer- ordentliche Abneigung, meinen Sohn an ein Zie- genmaͤdchen verheirathet zu ſehn. Jch unterwarf mich alſo den Geſetzen der Nothwendigkeit: und dies ſind die Fruͤchte davon. Jch habe ſechs Enkel, Moriz, mein Schiffer aber hat deren bereits zwoͤlfe, weil ſeine Frau faſt immer Zwillinge bringt. Zu meiner Freude finde ich, daß dieſe Kinder mehr nach dem Vater als der Mutter arten, und koͤnten ſie ſo gluͤcklich ſeyn ſich mit volkommern Weſen zu verbinden, ſo wuͤrde ihre urſpruͤngliche Ungeſtalt ſich bald verlieren. Noch

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/224>, abgerufen am 24.11.2024.