Johann flog so weit, als seine Kräfte erlaub- ten; aber in weniger als einer Viertelstunde waren diese erschöpft; er suchte durch eine mindere Bewe- gung auf die Erde zu kommen. Und Victorin lief hinzu, um zu verhindern, daß er im Niederlassen kei- nen Schaden nähme; denn er fiel gerade auf den Leib und das Gesicht.
Nach diesem Versuch unterhielten sich Victorin und Johann von nichts, als von ihren Flügeln, und was sie machen wollten, wenn sie weiter fliegen könnten.
Victorin dachte nur auf Christinen; diese wollte er weg und auf einen unbesteigbaren Berg führen, um da allein mit ihr zu leben.
Johann Vezinier aber hatte ganz andere Pläne. Er wollte sich an seinen Feinden rächen und sie von oben aus der Luft tödten. Er wollte die Mädchen aus dem Orte wegholen, die seine Hand wegen seiner Nichtswürdigkeit verschmäht hatten, sich nach Ge- fallen mit ihnen vergnügen und denn entehrt ihren Eltern wiederbringen. Vorzüglich hatte er sein Ab- sehen auf eine gewisse Ednier Boissard, die Toch- ter eines Schulmeisters, das schönste mannbare Mädchen, die aber den Sohn des Marschalls ihm vorzog.
Victorin war mit diesen Entwürfen des Vezi- nier eben nicht zufrieden; und macht' ihn oft Vor- stellungen deshalb; da er ihn aber nöthig hatte, wagt' er nicht ganz mit ihm zu brechen.
Endlich
Johann flog ſo weit, als ſeine Kraͤfte erlaub- ten; aber in weniger als einer Viertelſtunde waren dieſe erſchoͤpft; er ſuchte durch eine mindere Bewe- gung auf die Erde zu kommen. Und Victorin lief hinzu, um zu verhindern, daß er im Niederlaſſen kei- nen Schaden naͤhme; denn er fiel gerade auf den Leib und das Geſicht.
Nach dieſem Verſuch unterhielten ſich Victorin und Johann von nichts, als von ihren Fluͤgeln, und was ſie machen wollten, wenn ſie weiter fliegen koͤnnten.
Victorin dachte nur auf Chriſtinen; dieſe wollte er weg und auf einen unbeſteigbaren Berg fuͤhren, um da allein mit ihr zu leben.
Johann Vezinier aber hatte ganz andere Plaͤne. Er wollte ſich an ſeinen Feinden raͤchen und ſie von oben aus der Luft toͤdten. Er wollte die Maͤdchen aus dem Orte wegholen, die ſeine Hand wegen ſeiner Nichtswuͤrdigkeit verſchmaͤht hatten, ſich nach Ge- fallen mit ihnen vergnuͤgen und denn entehrt ihren Eltern wiederbringen. Vorzuͤglich hatte er ſein Ab- ſehen auf eine gewiſſe Ednier Boiſſard, die Toch- ter eines Schulmeiſters, das ſchoͤnſte mannbare Maͤdchen, die aber den Sohn des Marſchalls ihm vorzog.
Victorin war mit dieſen Entwuͤrfen des Vezi- nier eben nicht zufrieden; und macht’ ihn oft Vor- ſtellungen deshalb; da er ihn aber noͤthig hatte, wagt’ er nicht ganz mit ihm zu brechen.
Endlich
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Johann flog ſo weit, als ſeine Kraͤfte erlaub-
ten; aber in weniger als einer Viertelſtunde waren
dieſe erſchoͤpft; er ſuchte durch eine mindere Bewe-
gung auf die Erde zu kommen. Und Victorin lief
hinzu, um zu verhindern, daß er im Niederlaſſen kei-
nen Schaden naͤhme; denn er fiel gerade auf den Leib
und das Geſicht.
Nach dieſem Verſuch unterhielten ſich Victorin
und Johann von nichts, als von ihren Fluͤgeln,
und was ſie machen wollten, wenn ſie weiter fliegen
koͤnnten.
Victorin dachte nur auf Chriſtinen; dieſe wollte
er weg und auf einen unbeſteigbaren Berg fuͤhren,
um da allein mit ihr zu leben.
Johann Vezinier aber hatte ganz andere Plaͤne.
Er wollte ſich an ſeinen Feinden raͤchen und ſie von
oben aus der Luft toͤdten. Er wollte die Maͤdchen
aus dem Orte wegholen, die ſeine Hand wegen ſeiner
Nichtswuͤrdigkeit verſchmaͤht hatten, ſich nach Ge-
fallen mit ihnen vergnuͤgen und denn entehrt ihren
Eltern wiederbringen. Vorzuͤglich hatte er ſein Ab-
ſehen auf eine gewiſſe Ednier Boiſſard, die Toch-
ter eines Schulmeiſters, das ſchoͤnſte mannbare
Maͤdchen, die aber den Sohn des Marſchalls ihm
vorzog.
Victorin war mit dieſen Entwuͤrfen des Vezi-
nier eben nicht zufrieden; und macht’ ihn oft Vor-
ſtellungen deshalb; da er ihn aber noͤthig hatte,
wagt’ er nicht ganz mit ihm zu brechen.
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/22>, abgerufen am 23.11.2024.
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