Nach diesem feierlichen Vertrage begaben sich die Nachtmenschen wieder nach Hause, begleitet von einigen der dolmetschenden Weiber, um der Na- tion eine Beschreibung von diesem Vorgange zu machen: denn man besorgte etwa ein Misverständ- niß von Seiten der Abgeordneten. Die Männer dieser Weiber gingen mit, um sie wieder nach Hau- se zu begleiten; doch begaben sie sich nicht mit in die Höhle. Nach volzognem Auftrage kehrten sie bey hellem Tage, geführt von ihren Männern, weil sie nicht mehr sehn konten, wieder zurück.
Es war eine gar sonderbare Sache um diese Haushaltungen. Des Morgens stand der Mann auf und die Frau legte sich nieder: des Abends erhob sich die Frau und verrichtete alle ihr oblie- gende und angemessene Geschäfte, während der Mann ruhte. Uebrigens wollten die Arbeiten die- ser Weiber wenig sagen: sie waren unfähig zum Fleisse: sie reinigten blos das Haus und begossen die Gartenfrüchte. Dies war der Hauptgrund, war- um man beschloß, in Zukunft dieselben nicht weiter zu ehelichen. Aber Victorin freute sich, daß die Noth ihn anfangs dazu gezwungen hatte. Jn- deß nahmen die Kinder aus diesen Ehen leicht eine Erziehung an, die man ihnen aufs beste und sorg- fältigste gab. Sie hatten keinen andern Fehler, als daß sie am Tage mit den Augen blinzten, mit ei- ner unaufhörlichen, heftigen Bewegung der Augen- lieder, die sie iedoch nicht am Sehen hinderte. Sie sahen auch in der Nacht, und man beschloß in der
Fol-
Nach dieſem feierlichen Vertrage begaben ſich die Nachtmenſchen wieder nach Hauſe, begleitet von einigen der dolmetſchenden Weiber, um der Na- tion eine Beſchreibung von dieſem Vorgange zu machen: denn man beſorgte etwa ein Misverſtaͤnd- niß von Seiten der Abgeordneten. Die Maͤnner dieſer Weiber gingen mit, um ſie wieder nach Hau- ſe zu begleiten; doch begaben ſie ſich nicht mit in die Hoͤhle. Nach volzognem Auftrage kehrten ſie bey hellem Tage, gefuͤhrt von ihren Maͤnnern, weil ſie nicht mehr ſehn konten, wieder zuruͤck.
Es war eine gar ſonderbare Sache um dieſe Haushaltungen. Des Morgens ſtand der Mann auf und die Frau legte ſich nieder: des Abends erhob ſich die Frau und verrichtete alle ihr oblie- gende und angemeſſene Geſchaͤfte, waͤhrend der Mann ruhte. Uebrigens wollten die Arbeiten die- ſer Weiber wenig ſagen: ſie waren unfaͤhig zum Fleiſſe: ſie reinigten blos das Haus und begoſſen die Gartenfruͤchte. Dies war der Hauptgrund, war- um man beſchloß, in Zukunft dieſelben nicht weiter zu ehelichen. Aber Victorin freute ſich, daß die Noth ihn anfangs dazu gezwungen hatte. Jn- deß nahmen die Kinder aus dieſen Ehen leicht eine Erziehung an, die man ihnen aufs beſte und ſorg- faͤltigſte gab. Sie hatten keinen andern Fehler, als daß ſie am Tage mit den Augen blinzten, mit ei- ner unaufhoͤrlichen, heftigen Bewegung der Augen- lieder, die ſie iedoch nicht am Sehen hinderte. Sie ſahen auch in der Nacht, und man beſchloß in der
Fol-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0181"n="173"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Nach dieſem feierlichen Vertrage begaben ſich<lb/>
die Nachtmenſchen wieder nach Hauſe, begleitet von<lb/>
einigen der dolmetſchenden Weiber, um der Na-<lb/>
tion eine Beſchreibung von dieſem Vorgange zu<lb/>
machen: denn man beſorgte etwa ein Misverſtaͤnd-<lb/>
niß von Seiten der Abgeordneten. Die Maͤnner<lb/>
dieſer Weiber gingen mit, um ſie wieder nach Hau-<lb/>ſe zu begleiten; doch begaben ſie ſich nicht mit in<lb/>
die Hoͤhle. Nach volzognem Auftrage kehrten ſie<lb/>
bey hellem Tage, gefuͤhrt von ihren Maͤnnern,<lb/>
weil ſie nicht mehr ſehn konten, wieder zuruͤck.</p><lb/><p>Es war eine gar ſonderbare Sache um dieſe<lb/>
Haushaltungen. Des Morgens ſtand der Mann<lb/>
auf und die Frau legte ſich nieder: des Abends<lb/>
erhob ſich die Frau und verrichtete alle ihr oblie-<lb/>
gende und angemeſſene Geſchaͤfte, waͤhrend der<lb/>
Mann ruhte. Uebrigens wollten die Arbeiten die-<lb/>ſer Weiber wenig ſagen: ſie waren unfaͤhig zum<lb/>
Fleiſſe: ſie reinigten blos das Haus und begoſſen<lb/>
die Gartenfruͤchte. Dies war der Hauptgrund, war-<lb/>
um man beſchloß, in Zukunft dieſelben nicht<lb/>
weiter zu ehelichen. Aber Victorin freute ſich, daß<lb/>
die Noth ihn anfangs dazu gezwungen hatte. Jn-<lb/>
deß nahmen die Kinder aus dieſen Ehen leicht eine<lb/>
Erziehung an, die man ihnen aufs beſte und ſorg-<lb/>
faͤltigſte gab. Sie hatten keinen andern Fehler, als<lb/>
daß ſie am Tage mit den Augen blinzten, mit ei-<lb/>
ner unaufhoͤrlichen, heftigen Bewegung der Augen-<lb/>
lieder, die ſie iedoch nicht am Sehen hinderte. Sie<lb/>ſahen auch in der Nacht, und man beſchloß in der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Fol-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[173/0181]
Nach dieſem feierlichen Vertrage begaben ſich
die Nachtmenſchen wieder nach Hauſe, begleitet von
einigen der dolmetſchenden Weiber, um der Na-
tion eine Beſchreibung von dieſem Vorgange zu
machen: denn man beſorgte etwa ein Misverſtaͤnd-
niß von Seiten der Abgeordneten. Die Maͤnner
dieſer Weiber gingen mit, um ſie wieder nach Hau-
ſe zu begleiten; doch begaben ſie ſich nicht mit in
die Hoͤhle. Nach volzognem Auftrage kehrten ſie
bey hellem Tage, gefuͤhrt von ihren Maͤnnern,
weil ſie nicht mehr ſehn konten, wieder zuruͤck.
Es war eine gar ſonderbare Sache um dieſe
Haushaltungen. Des Morgens ſtand der Mann
auf und die Frau legte ſich nieder: des Abends
erhob ſich die Frau und verrichtete alle ihr oblie-
gende und angemeſſene Geſchaͤfte, waͤhrend der
Mann ruhte. Uebrigens wollten die Arbeiten die-
ſer Weiber wenig ſagen: ſie waren unfaͤhig zum
Fleiſſe: ſie reinigten blos das Haus und begoſſen
die Gartenfruͤchte. Dies war der Hauptgrund, war-
um man beſchloß, in Zukunft dieſelben nicht
weiter zu ehelichen. Aber Victorin freute ſich, daß
die Noth ihn anfangs dazu gezwungen hatte. Jn-
deß nahmen die Kinder aus dieſen Ehen leicht eine
Erziehung an, die man ihnen aufs beſte und ſorg-
faͤltigſte gab. Sie hatten keinen andern Fehler, als
daß ſie am Tage mit den Augen blinzten, mit ei-
ner unaufhoͤrlichen, heftigen Bewegung der Augen-
lieder, die ſie iedoch nicht am Sehen hinderte. Sie
ſahen auch in der Nacht, und man beſchloß in der
Fol-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/181>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.