Doch behandelt man sie so, daß sie ihren Ver- lust zu bedauern keine Ursach haben. Sie genüßen alle bürgerliche Vortheile, ohne deren Mühseligkei- ten tragen zu dürfen: erst ihre Kinder treten in die allgemeine Ordnung ein.
Ferner haben wir nicht mehr als ein Fahrzeug, welches stets auf Kosten des Staats, und nie von Privatpersonen unterhalten wird; es steht jederzeit unter den Befehlen der Prinzen von Geblüte, die, aus Ursachen, die du bald erfahren sollst, nicht zu hintergehen sind. Denn ich steh' im Begriff dir eine Erzählung zu thun, die dich staunen machen wird.
So weit kamen wir den ersten Tag. Meine Neugierde war auf eine unbeschreibliche Art erregt worden, daß ich den folgenden Morgen mit der größ- ten Ungeduld erwartete. Endlich erschien dieser so erwünschte Morgen. Wir nahmen unsere Chocolate ein, und nach dem Frühstück fuhr mein Freund also fort.
Jch bin ein gebohrner Franzose, wie fast alle meine Landsleute. Wir wohnen auf einer sehr schö- nen Jnsel, jenseit des südlichen Wendekreises, von uns mit dem Namen unserer ersten noch lebenden Königinn belegt. Sie liegt mit Frankreich unter einer Mittagslinie. Tag und Nacht treten da zu den nämlichen Stunden wie hier ein.
Jch habe ihnen bereits gesagt, daß ein Gesetz den Einwohnern weite Reisen unmöglich macht. Daher können sie leicht glauben, daß ich mit Ge- nehmhaltung der Obersten meiner Nation reise.
Unter
Doch behandelt man ſie ſo, daß ſie ihren Ver- luſt zu bedauern keine Urſach haben. Sie genuͤßen alle buͤrgerliche Vortheile, ohne deren Muͤhſeligkei- ten tragen zu duͤrfen: erſt ihre Kinder treten in die allgemeine Ordnung ein.
Ferner haben wir nicht mehr als ein Fahrzeug, welches ſtets auf Koſten des Staats, und nie von Privatperſonen unterhalten wird; es ſteht jederzeit unter den Befehlen der Prinzen von Gebluͤte, die, aus Urſachen, die du bald erfahren ſollſt, nicht zu hintergehen ſind. Denn ich ſteh’ im Begriff dir eine Erzaͤhlung zu thun, die dich ſtaunen machen wird.
So weit kamen wir den erſten Tag. Meine Neugierde war auf eine unbeſchreibliche Art erregt worden, daß ich den folgenden Morgen mit der groͤß- ten Ungeduld erwartete. Endlich erſchien dieſer ſo erwuͤnſchte Morgen. Wir nahmen unſere Chocolate ein, und nach dem Fruͤhſtuͤck fuhr mein Freund alſo fort.
Jch bin ein gebohrner Franzoſe, wie faſt alle meine Landsleute. Wir wohnen auf einer ſehr ſchoͤ- nen Jnſel, jenſeit des ſuͤdlichen Wendekreiſes, von uns mit dem Namen unſerer erſten noch lebenden Koͤniginn belegt. Sie liegt mit Frankreich unter einer Mittagslinie. Tag und Nacht treten da zu den naͤmlichen Stunden wie hier ein.
Jch habe ihnen bereits geſagt, daß ein Geſetz den Einwohnern weite Reiſen unmoͤglich macht. Daher koͤnnen ſie leicht glauben, daß ich mit Ge- nehmhaltung der Oberſten meiner Nation reiſe.
Unter
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0016"n="8"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Doch behandelt man ſie ſo, daß ſie ihren Ver-<lb/>
luſt zu bedauern keine Urſach haben. Sie genuͤßen<lb/>
alle buͤrgerliche Vortheile, ohne deren Muͤhſeligkei-<lb/>
ten tragen zu duͤrfen: erſt ihre Kinder treten in die<lb/>
allgemeine Ordnung ein.</p><lb/><p>Ferner haben wir nicht mehr als ein Fahrzeug,<lb/>
welches ſtets auf Koſten des Staats, und nie von<lb/>
Privatperſonen unterhalten wird; es ſteht jederzeit<lb/>
unter den Befehlen der Prinzen von Gebluͤte, die,<lb/>
aus Urſachen, die du bald erfahren ſollſt, nicht zu<lb/>
hintergehen ſind. Denn ich ſteh’ im Begriff dir eine<lb/>
Erzaͤhlung zu thun, die dich ſtaunen machen wird.</p><lb/><p>So weit kamen wir den erſten Tag. Meine<lb/>
Neugierde war auf eine unbeſchreibliche Art erregt<lb/>
worden, daß ich den folgenden Morgen mit der groͤß-<lb/>
ten Ungeduld erwartete. Endlich erſchien dieſer ſo<lb/>
erwuͤnſchte Morgen. Wir nahmen unſere Chocolate<lb/>
ein, und nach dem Fruͤhſtuͤck fuhr mein Freund<lb/>
alſo fort.</p><lb/><p>Jch bin ein gebohrner Franzoſe, wie faſt alle<lb/>
meine Landsleute. Wir wohnen auf einer ſehr ſchoͤ-<lb/>
nen Jnſel, jenſeit des ſuͤdlichen Wendekreiſes, von<lb/>
uns mit dem Namen unſerer erſten noch lebenden<lb/>
Koͤniginn belegt. Sie liegt mit Frankreich unter<lb/>
einer Mittagslinie. Tag und Nacht treten da zu<lb/>
den naͤmlichen Stunden wie hier ein.</p><lb/><p>Jch habe ihnen bereits geſagt, daß ein Geſetz<lb/>
den Einwohnern weite Reiſen unmoͤglich macht.<lb/>
Daher koͤnnen ſie leicht glauben, daß ich mit Ge-<lb/>
nehmhaltung der Oberſten meiner Nation reiſe.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Unter</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[8/0016]
Doch behandelt man ſie ſo, daß ſie ihren Ver-
luſt zu bedauern keine Urſach haben. Sie genuͤßen
alle buͤrgerliche Vortheile, ohne deren Muͤhſeligkei-
ten tragen zu duͤrfen: erſt ihre Kinder treten in die
allgemeine Ordnung ein.
Ferner haben wir nicht mehr als ein Fahrzeug,
welches ſtets auf Koſten des Staats, und nie von
Privatperſonen unterhalten wird; es ſteht jederzeit
unter den Befehlen der Prinzen von Gebluͤte, die,
aus Urſachen, die du bald erfahren ſollſt, nicht zu
hintergehen ſind. Denn ich ſteh’ im Begriff dir eine
Erzaͤhlung zu thun, die dich ſtaunen machen wird.
So weit kamen wir den erſten Tag. Meine
Neugierde war auf eine unbeſchreibliche Art erregt
worden, daß ich den folgenden Morgen mit der groͤß-
ten Ungeduld erwartete. Endlich erſchien dieſer ſo
erwuͤnſchte Morgen. Wir nahmen unſere Chocolate
ein, und nach dem Fruͤhſtuͤck fuhr mein Freund
alſo fort.
Jch bin ein gebohrner Franzoſe, wie faſt alle
meine Landsleute. Wir wohnen auf einer ſehr ſchoͤ-
nen Jnſel, jenſeit des ſuͤdlichen Wendekreiſes, von
uns mit dem Namen unſerer erſten noch lebenden
Koͤniginn belegt. Sie liegt mit Frankreich unter
einer Mittagslinie. Tag und Nacht treten da zu
den naͤmlichen Stunden wie hier ein.
Jch habe ihnen bereits geſagt, daß ein Geſetz
den Einwohnern weite Reiſen unmoͤglich macht.
Daher koͤnnen ſie leicht glauben, daß ich mit Ge-
nehmhaltung der Oberſten meiner Nation reiſe.
Unter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/16>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.