weitläuftig gnug um alle Einwohner in sich zu fassen stand. Dieser Ort war dem Vergnügen gewidmet, und man brachte daselbst Sommerszeit, geschützt ge- gen die Hitze, die zum Spiel bestimmte Zeit hin.
Nach der Tafel sahe der Alte diejenigen Spiele mit an, die alle Tage nach vollendeten Geschäften statt fanden; wenn anders die Republik nicht ge- meinschaftliche oder dringende Arbeiten, wie zum Beyspiel der Bau des Pallasts und der Kapelle war, vorhatte, oder man Wohnungen für neue Wirthschaf- ten bauen mußte, weil man alsdann mit Eifer und ohn' Unterlaß arbeitete. Jn dem Fall war die Ar- beit für so vernünftige und gegen einander gefällige Leute ein Vergnügen.
Der gute Herr durchwanderte den ganzen Tag die Staaten seines Schwiegersohns und war entzückt davon. Durch Hülfe eines fürtreflichen Glases be- merkt' er leicht im Verhältniß der ihm sehr bekannten herumliegenden Gegenden, die Lage des unbesteigli- chen Berges: er entdeckte sogar sein Schloß von der Spitze eines steilen Felsens, wohin ihn sein Schwie- gersohn, umgeben von der ganzen Familie aus Be- sorgniß eines ihm etwa anwandelnden Schwindels, brachte.
"Dies ist der Ort, bester Vater, sagte Victo- rin, wo ich meiner geliebten Gattin und meinen Kin- dern euren Wohnsitz zeigete, und wo sie, besonders eure zärtliche Tochter, euch einen Zoll von Zärtlich- keit und Thränen bringen."
"Alles
weitlaͤuftig gnug um alle Einwohner in ſich zu faſſen ſtand. Dieſer Ort war dem Vergnuͤgen gewidmet, und man brachte daſelbſt Sommerszeit, geſchuͤtzt ge- gen die Hitze, die zum Spiel beſtimmte Zeit hin.
Nach der Tafel ſahe der Alte diejenigen Spiele mit an, die alle Tage nach vollendeten Geſchaͤften ſtatt fanden; wenn anders die Republik nicht ge- meinſchaftliche oder dringende Arbeiten, wie zum Beyſpiel der Bau des Pallaſts und der Kapelle war, vorhatte, oder man Wohnungen fuͤr neue Wirthſchaf- ten bauen mußte, weil man alsdann mit Eifer und ohn’ Unterlaß arbeitete. Jn dem Fall war die Ar- beit fuͤr ſo vernuͤnftige und gegen einander gefaͤllige Leute ein Vergnuͤgen.
Der gute Herr durchwanderte den ganzen Tag die Staaten ſeines Schwiegerſohns und war entzuͤckt davon. Durch Huͤlfe eines fuͤrtreflichen Glaſes be- merkt’ er leicht im Verhaͤltniß der ihm ſehr bekannten herumliegenden Gegenden, die Lage des unbeſteigli- chen Berges: er entdeckte ſogar ſein Schloß von der Spitze eines ſteilen Felſens, wohin ihn ſein Schwie- gerſohn, umgeben von der ganzen Familie aus Be- ſorgniß eines ihm etwa anwandelnden Schwindels, brachte.
„Dies iſt der Ort, beſter Vater, ſagte Victo- rin, wo ich meiner geliebten Gattin und meinen Kin- dern euren Wohnſitz zeigete, und wo ſie, beſonders eure zaͤrtliche Tochter, euch einen Zoll von Zaͤrtlich- keit und Thraͤnen bringen.‟
„Alles
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[102/0110]
weitlaͤuftig gnug um alle Einwohner in ſich zu faſſen
ſtand. Dieſer Ort war dem Vergnuͤgen gewidmet,
und man brachte daſelbſt Sommerszeit, geſchuͤtzt ge-
gen die Hitze, die zum Spiel beſtimmte Zeit hin.
Nach der Tafel ſahe der Alte diejenigen Spiele
mit an, die alle Tage nach vollendeten Geſchaͤften
ſtatt fanden; wenn anders die Republik nicht ge-
meinſchaftliche oder dringende Arbeiten, wie zum
Beyſpiel der Bau des Pallaſts und der Kapelle war,
vorhatte, oder man Wohnungen fuͤr neue Wirthſchaf-
ten bauen mußte, weil man alsdann mit Eifer und
ohn’ Unterlaß arbeitete. Jn dem Fall war die Ar-
beit fuͤr ſo vernuͤnftige und gegen einander gefaͤllige
Leute ein Vergnuͤgen.
Der gute Herr durchwanderte den ganzen Tag
die Staaten ſeines Schwiegerſohns und war entzuͤckt
davon. Durch Huͤlfe eines fuͤrtreflichen Glaſes be-
merkt’ er leicht im Verhaͤltniß der ihm ſehr bekannten
herumliegenden Gegenden, die Lage des unbeſteigli-
chen Berges: er entdeckte ſogar ſein Schloß von der
Spitze eines ſteilen Felſens, wohin ihn ſein Schwie-
gerſohn, umgeben von der ganzen Familie aus Be-
ſorgniß eines ihm etwa anwandelnden Schwindels,
brachte.
„Dies iſt der Ort, beſter Vater, ſagte Victo-
rin, wo ich meiner geliebten Gattin und meinen Kin-
dern euren Wohnſitz zeigete, und wo ſie, beſonders
eure zaͤrtliche Tochter, euch einen Zoll von Zaͤrtlich-
keit und Thraͤnen bringen.‟
„Alles
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/110>, abgerufen am 16.02.2025.
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