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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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viere liessen sich in einer Victorin bekannten Gegend
nieder, wo er in derselben Nacht ein reichbeziertes
Pferd hingeschaft hatte; es war in einem Büschgen
nahe am Schlosse. Victorin nahm seinem ältern
Sohne, der als ein junger Kavalier gekleidet war,
die Flügel ab, gab ihm einigen Unterricht, und kehr-
te mit seinen beyden andern Kindern, nicht mit ge-
ringer Unruhe auf den unbesteiglichen Berg zurück.
Sie fanden Christinen in Thränen, und hatten alle
Mühe sie zu trösten ... Ach! kein Glück ist voll-
kommen! dem Anschein nach hätte kein Leid diese
glückliche Gattin, wenn sie ruhig auf ihrem Berge ge-
blieben wäre, treffen können; aber sie hatte einen Va-
ter, sie wollte ihrem bisher genossenen Glücke einen
noch höhern Grad geben, und dieser schmeichelhaften
Hofnung brachte sie schmerzliches Opfer.

Jndeß machte sich der im Wäldchen zurückgelas-
sene junge B-m-t mit Tagesanbruch aufn Weg,
bestieg sein schönes Pferd, und ritt gerade auf das
Schloß seines Großvaters. Als er ans Thor kam,
öfnete Christinens Vater eben das Fenster seines Bal-
cons um eine Pfeife Taback zu rauchen, sah den lie-
benswürdigen Kavalier, und ging ihm sogleich entge-
gen. Seine Schönheit, Jugend, Gesichtszüge, sei-
ne reichen Kleider, und das reiche Geschirr seines
Pferdes machten den Alten staunen, und rührten ihn
auf eine ganz besondere Art.

Seyn sie willkommen mein Herr, redt' er ihn
an, denn sie können keine andere als gute Neuigkeiten
bringen.

"Wenig-



viere lieſſen ſich in einer Victorin bekannten Gegend
nieder, wo er in derſelben Nacht ein reichbeziertes
Pferd hingeſchaft hatte; es war in einem Buͤſchgen
nahe am Schloſſe. Victorin nahm ſeinem aͤltern
Sohne, der als ein junger Kavalier gekleidet war,
die Fluͤgel ab, gab ihm einigen Unterricht, und kehr-
te mit ſeinen beyden andern Kindern, nicht mit ge-
ringer Unruhe auf den unbeſteiglichen Berg zuruͤck.
Sie fanden Chriſtinen in Thraͤnen, und hatten alle
Muͤhe ſie zu troͤſten … Ach! kein Gluͤck iſt voll-
kommen! dem Anſchein nach haͤtte kein Leid dieſe
gluͤckliche Gattin, wenn ſie ruhig auf ihrem Berge ge-
blieben waͤre, treffen koͤnnen; aber ſie hatte einen Va-
ter, ſie wollte ihrem bisher genoſſenen Gluͤcke einen
noch hoͤhern Grad geben, und dieſer ſchmeichelhaften
Hofnung brachte ſie ſchmerzliches Opfer.

Jndeß machte ſich der im Waͤldchen zuruͤckgelaſ-
ſene junge B-m-t mit Tagesanbruch aufn Weg,
beſtieg ſein ſchoͤnes Pferd, und ritt gerade auf das
Schloß ſeines Großvaters. Als er ans Thor kam,
oͤfnete Chriſtinens Vater eben das Fenſter ſeines Bal-
cons um eine Pfeife Taback zu rauchen, ſah den lie-
benswuͤrdigen Kavalier, und ging ihm ſogleich entge-
gen. Seine Schoͤnheit, Jugend, Geſichtszuͤge, ſei-
ne reichen Kleider, und das reiche Geſchirr ſeines
Pferdes machten den Alten ſtaunen, und ruͤhrten ihn
auf eine ganz beſondere Art.

Seyn ſie willkommen mein Herr, redt’ er ihn
an, denn ſie koͤnnen keine andere als gute Neuigkeiten
bringen.

„Wenig-
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[95/0103] viere lieſſen ſich in einer Victorin bekannten Gegend nieder, wo er in derſelben Nacht ein reichbeziertes Pferd hingeſchaft hatte; es war in einem Buͤſchgen nahe am Schloſſe. Victorin nahm ſeinem aͤltern Sohne, der als ein junger Kavalier gekleidet war, die Fluͤgel ab, gab ihm einigen Unterricht, und kehr- te mit ſeinen beyden andern Kindern, nicht mit ge- ringer Unruhe auf den unbeſteiglichen Berg zuruͤck. Sie fanden Chriſtinen in Thraͤnen, und hatten alle Muͤhe ſie zu troͤſten … Ach! kein Gluͤck iſt voll- kommen! dem Anſchein nach haͤtte kein Leid dieſe gluͤckliche Gattin, wenn ſie ruhig auf ihrem Berge ge- blieben waͤre, treffen koͤnnen; aber ſie hatte einen Va- ter, ſie wollte ihrem bisher genoſſenen Gluͤcke einen noch hoͤhern Grad geben, und dieſer ſchmeichelhaften Hofnung brachte ſie ſchmerzliches Opfer. Jndeß machte ſich der im Waͤldchen zuruͤckgelaſ- ſene junge B-m-t mit Tagesanbruch aufn Weg, beſtieg ſein ſchoͤnes Pferd, und ritt gerade auf das Schloß ſeines Großvaters. Als er ans Thor kam, oͤfnete Chriſtinens Vater eben das Fenſter ſeines Bal- cons um eine Pfeife Taback zu rauchen, ſah den lie- benswuͤrdigen Kavalier, und ging ihm ſogleich entge- gen. Seine Schoͤnheit, Jugend, Geſichtszuͤge, ſei- ne reichen Kleider, und das reiche Geſchirr ſeines Pferdes machten den Alten ſtaunen, und ruͤhrten ihn auf eine ganz beſondere Art. Seyn ſie willkommen mein Herr, redt’ er ihn an, denn ſie koͤnnen keine andere als gute Neuigkeiten bringen. „Wenig-

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/103>, abgerufen am 22.11.2024.