Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rennenkampff, Gustav Reinhold Georg von: Ueber die bevorstehende Freiheit der Ehsten und Letten. Dorpat, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

wird der Lette und Ehste aus der Leibeigenschaft oder Vormundschaft seines bisherigen Herrn treten, und über sein künftiges Leben selbst bestimmen. Eben so wie der mündig gewordene Sohn oder Aufzögling nicht mehr darauf rechnen darf, daß sein Vater oder Pflegevater auch dann noch, wann er sich von ihm getrennt, und bereits seine eigene Wirthschaft angetreten hat, für jedes seiner Bedürfnisse sorge; eben so kann der mündig und frei gewordene Leibeigene auch nicht mehr erwarten, daß sein bisheriger Herr sich seiner Versorgung unterziehe, und bei öffentlichen Zahlungen und Leistungen für ihn verantworte. Der freie Mensch erwirbt für sich selbst und seine Familie, er muß sich also auch selbst helfen. Es glaube aber Niemand, daß deswegen der Bauer von seinem Herrn und dessen Hülfe verstoßen sei. Wie der gehorsame gute Sohn, auch wenn er längst schon das väterliche Haus verlassen hat, immer noch dem Herzen seines Vaters theuer bleibt, und in jedem Unglück bei ihm Trost und Hülfe findet, so weit die Kräfte des Vaters reichen, wenn er nur jederzeit ein liebevoller, guter Sohn geblieben

wird der Lette und Ehste aus der Leibeigenschaft oder Vormundschaft seines bisherigen Herrn treten, und über sein künftiges Leben selbst bestimmen. Eben so wie der mündig gewordene Sohn oder Aufzögling nicht mehr darauf rechnen darf, daß sein Vater oder Pflegevater auch dann noch, wann er sich von ihm getrennt, und bereits seine eigene Wirthschaft angetreten hat, für jedes seiner Bedürfnisse sorge; eben so kann der mündig und frei gewordene Leibeigene auch nicht mehr erwarten, daß sein bisheriger Herr sich seiner Versorgung unterziehe, und bei öffentlichen Zahlungen und Leistungen für ihn verantworte. Der freie Mensch erwirbt für sich selbst und seine Familie, er muß sich also auch selbst helfen. Es glaube aber Niemand, daß deswegen der Bauer von seinem Herrn und dessen Hülfe verstoßen sei. Wie der gehorsame gute Sohn, auch wenn er längst schon das väterliche Haus verlassen hat, immer noch dem Herzen seines Vaters theuer bleibt, und in jedem Unglück bei ihm Trost und Hülfe findet, so weit die Kräfte des Vaters reichen, wenn er nur jederzeit ein liebevoller, guter Sohn geblieben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="14"/>
wird der Lette und Ehste aus der Leibeigenschaft oder Vormundschaft seines bisherigen Herrn treten, und über sein künftiges Leben selbst bestimmen. Eben so wie der mündig gewordene Sohn oder Aufzögling nicht mehr darauf rechnen darf, daß sein Vater oder Pflegevater auch dann noch, wann er sich von ihm getrennt, und bereits seine eigene Wirthschaft angetreten hat, für jedes seiner Bedürfnisse sorge; eben so kann der mündig und frei gewordene Leibeigene auch nicht mehr erwarten, daß sein bisheriger Herr sich seiner Versorgung unterziehe, und bei öffentlichen Zahlungen und Leistungen für ihn verantworte. Der freie Mensch erwirbt für sich selbst und seine Familie, er muß sich also auch selbst helfen. Es glaube aber Niemand, daß deswegen der Bauer von seinem Herrn und dessen Hülfe verstoßen sei. Wie der gehorsame gute Sohn, auch wenn er längst schon das väterliche Haus verlassen hat, immer noch dem Herzen seines Vaters theuer bleibt, und in jedem Unglück bei ihm Trost und Hülfe findet, so weit die Kräfte des Vaters reichen, wenn er nur jederzeit ein liebevoller, guter Sohn geblieben
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0014] wird der Lette und Ehste aus der Leibeigenschaft oder Vormundschaft seines bisherigen Herrn treten, und über sein künftiges Leben selbst bestimmen. Eben so wie der mündig gewordene Sohn oder Aufzögling nicht mehr darauf rechnen darf, daß sein Vater oder Pflegevater auch dann noch, wann er sich von ihm getrennt, und bereits seine eigene Wirthschaft angetreten hat, für jedes seiner Bedürfnisse sorge; eben so kann der mündig und frei gewordene Leibeigene auch nicht mehr erwarten, daß sein bisheriger Herr sich seiner Versorgung unterziehe, und bei öffentlichen Zahlungen und Leistungen für ihn verantworte. Der freie Mensch erwirbt für sich selbst und seine Familie, er muß sich also auch selbst helfen. Es glaube aber Niemand, daß deswegen der Bauer von seinem Herrn und dessen Hülfe verstoßen sei. Wie der gehorsame gute Sohn, auch wenn er längst schon das väterliche Haus verlassen hat, immer noch dem Herzen seines Vaters theuer bleibt, und in jedem Unglück bei ihm Trost und Hülfe findet, so weit die Kräfte des Vaters reichen, wenn er nur jederzeit ein liebevoller, guter Sohn geblieben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-08T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-08T09:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-08T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rennenkampff_freiheit_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rennenkampff_freiheit_1820/14
Zitationshilfe: Rennenkampff, Gustav Reinhold Georg von: Ueber die bevorstehende Freiheit der Ehsten und Letten. Dorpat, 1820, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rennenkampff_freiheit_1820/14>, abgerufen am 23.11.2024.