Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.Schrift fürgezogen/ oder auch mit der Heil. Schrift eigensinnig bemäntelen will: da bingegen unzähliche viel seine ehrliebende Leute durch fleißiges Lesen der Heil. Schrift von ihrer Ketzerey entlediget / und zur göttlichen Warheit seynd gebracht worden. Muß also weniger gottlosen Leute Boßheit vieler frommen Gottsfurcht/ und geistlichem Nutzen nicht hinderlich und nachtheilich seyn. So lehrt ja die päbstische Theologie in tract. de pec. de vit. Scand. daß wann schon irgend eine ehrbare Weibs-Persohn wüste/ daß sich in der Kirchen bey dem offentlichen Gottesdienst ein leichtfertiger Venus-Vogel an ihrer Gestalt ärgeren/ und mit seinen Gedancken an diesem Vogel Leim würde kleben bleiben/ sie dannoch nicht schüldig noch verbunden seye/ wegen frömbder Boßheit/ sich ihrer Seelen so ersprießlicher Andacht zueufferen/ und zu entschlagen. VII. Wann die Lesung der Heil. Schrifft den Leyen nützlich wäre/ und sie solcher Lesung ohne Schaden nicht entrathen könnten/ so hätte ja der Pabst ihnen das Bibel-Buch so hoch nicht verboten/ und rühret nur diß Verbött her aus löblicher Beysorg des Pabstes/ als eines allgemeinen Vatters der Kirchen/ damit allem Unheil/ so aus Lesung der Bibel entstehen möchte/ gesteurt und vorgebogen werde. Antwort: Wie könnte doch der Pabst/ welcher klüger seyen will als Christus und seine Aposteln die armselige Seelen im Pabstthum elendiger/ mit dem erblendeten Sampson unter dem Joch des Satans/ an der Roßmühlen herum treiben/ als da er ihnen das göttliche Wort / und die Evangelischen Schriften/ durch sein tyrannisches Verbott aus den Händen reisset / und ihnen zugleich hiermit die Augen aussticht? da doch im Gegentheil S. Paulus I. Thes. 5. [unleserliches Material]. 21. schreibt: man solle alles/ ohne Unterscheid und Ausnahm/ was von den Lehreren wird fürgetragen/ prüfen nach dem Probir-Stein des göttlichen Worts. Wer siehet aber nicht/ wie daß der Pabst und seine Clerisey ihrem faulen Handel mißtraue/ wohl wissend/ daß/ wann man ihrer Lehr den Probir-Stein göttlicher Schrift wolte ansetzen / selbige die Prob nicht aushalten/ sondern ihre Grundlosigkeit sich bald eräugen würde? derowegen es billig dem Pabst mit seinem Anhang für rathsamer hat gedüncket/ die Leyen dieses Probir-Steins zu berauben/ und ihnen an dessen statt stumme Bilder/ (so nichtsreden/ sondern alles ungetadelt lassen) vorzustellen/ und sie zu bereden/ es seye ihnen gnug/ wann sie glauben das/ was die Kirch (das ist: der Pabst und seine Pfaffen) glauben: da sie doch mannigmahl so gar nicht wissen/ weder was die Kirch/ noch auch ihr Glaube seye/ oder in sich enthalte. VIII. Haben doch alle Ketzer ihre Irrthümmer mit der Heil. Schrift beschönet/ und geschmücket: dann die Anthropomorphitan hielten darfür/ GOtt habe einen materialischen Leib/ weilen sie in der Schrift lasen/ daß dieselbige GOtt zueignete menschliche Glieder / Hände/ Füsse/ Augen/ Ohren/ sc. Die Manichaeer hegeten unter anderen den Irrthum / daß Christus seye die wesentliche Sonne am Himmel/ so mit ihren Stralen dem Menschen den hellen Tag ertheilet/ weilen sie in der Schrift lasen die Wort Christi: Ich bin das Licht der Welt/ Joh. 8. v. 12. so handelt dann die päbstische Kirche klüglich als eine vorsichtige Mutter/ in dem sie ein solch gefährliches Messer der H. Schrift ihren Kindern aus den Händen reisset/ daß sie sich nicht schneiden. Antwort. Wann die Bibel für sich selbst mit Ketzereyen schwanger g[unleserliches Material]enge/ und selbige nicht gebohren würden bloß von Mißbrauch eines oder andern Schrift fürgezogen/ oder auch mit der Heil. Schrift eigensinnig bemäntelen will: da bingegen unzähliche viel seine ehrliebende Leute durch fleißiges Lesen der Heil. Schrift von ihrer Ketzerey entlediget / und zur göttlichen Warheit seynd gebracht worden. Muß also weniger gottlosen Leute Boßheit vieler frommen Gottsfurcht/ und geistlichem Nutzen nicht hinderlich und nachtheilich seyn. So lehrt ja die päbstische Theologie in tract. de pec. de vit. Scand. daß wann schon irgend eine ehrbare Weibs-Persohn wüste/ daß sich in der Kirchen bey dem offentlichen Gottesdienst ein leichtfertiger Venus-Vogel an ihrer Gestalt ärgeren/ und mit seinen Gedancken an diesem Vogel Leim würde kleben bleiben/ sie dannoch nicht schüldig noch verbunden seye/ wegen frömbder Boßheit/ sich ihrer Seelen so ersprießlicher Andacht zueufferen/ und zu entschlagen. VII. Wann die Lesung der Heil. Schrifft den Leyen nützlich wäre/ und sie solcher Lesung ohne Schaden nicht entrathen könnten/ so hätte ja der Pabst ihnen das Bibel-Buch so hoch nicht verboten/ und rühret nur diß Verbött her aus löblicher Beysorg des Pabstes/ als eines allgemeinen Vatters der Kirchen/ damit allem Unheil/ so aus Lesung der Bibel entstehen möchte/ gesteurt und vorgebogen werde. Antwort: Wie könnte doch der Pabst/ welcher klüger seyen will als Christus und seine Aposteln die armselige Seelen im Pabstthum elendiger/ mit dem erblendeten Sampson unter dem Joch des Satans/ an der Roßmühlen herum treiben/ als da er ihnen das göttliche Wort / und die Evangelischen Schriften/ durch sein tyrannisches Verbott aus den Händen reisset / und ihnen zugleich hiermit die Augen aussticht? da doch im Gegentheil S. Paulus I. Thes. 5. [unleserliches Material]. 21. schreibt: man solle alles/ ohne Unterscheid und Ausnahm/ was von den Lehreren wird fürgetragen/ prüfen nach dem Probir-Stein des göttlichen Worts. Wer siehet aber nicht/ wie daß der Pabst und seine Clerisey ihrem faulen Handel mißtraue/ wohl wissend/ daß/ wann man ihrer Lehr den Probir-Stein göttlicher Schrift wolte ansetzen / selbige die Prob nicht aushalten/ sondern ihre Grundlosigkeit sich bald eräugen würde? derowegen es billig dem Pabst mit seinem Anhang für rathsamer hat gedüncket/ die Leyen dieses Probir-Steins zu berauben/ und ihnen an dessen statt stumme Bilder/ (so nichtsreden/ sondern alles ungetadelt lassen) vorzustellen/ und sie zu bereden/ es seye ihnen gnug/ wann sie glauben das/ was die Kirch (das ist: der Pabst und seine Pfaffen) glauben: da sie doch mannigmahl so gar nicht wissen/ weder was die Kirch/ noch auch ihr Glaube seye/ oder in sich enthalte. VIII. Haben doch alle Ketzer ihre Irrthümmer mit der Heil. Schrift beschönet/ und geschmücket: dann die Anthropomorphitan hielten darfür/ GOtt habe einen materialischen Leib/ weilen sie in der Schrift lasen/ daß dieselbige GOtt zueignete menschliche Glieder / Hände/ Füsse/ Augen/ Ohren/ sc. Die Manichaeer hegeten unter anderen den Irrthum / daß Christus seye die wesentliche Sonne am Himmel/ so mit ihren Stralen dem Menschen den hellen Tag ertheilet/ weilen sie in der Schrift lasen die Wort Christi: Ich bin das Licht der Welt/ Joh. 8. v. 12. so handelt dann die päbstische Kirche klüglich als eine vorsichtige Mutter/ in dem sie ein solch gefährliches Messer der H. Schrift ihren Kindern aus den Händen reisset/ daß sie sich nicht schneiden. Antwort. Wann die Bibel für sich selbst mit Ketzereyen schwanger g[unleserliches Material]enge/ und selbige nicht gebohren würden bloß von Mißbrauch eines oder andern <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0073" n="53"/> Schrift fürgezogen/ oder auch mit der Heil. Schrift eigensinnig bemäntelen will: da bingegen unzähliche viel seine ehrliebende Leute durch fleißiges Lesen der Heil. Schrift von ihrer Ketzerey entlediget / und zur göttlichen Warheit seynd gebracht worden. Muß also weniger gottlosen Leute Boßheit vieler frommen Gottsfurcht/ und geistlichem Nutzen nicht hinderlich und nachtheilich seyn. So lehrt ja die päbstische Theologie in tract. de pec. de vit. Scand. daß wann schon irgend eine ehrbare Weibs-Persohn wüste/ daß sich in der Kirchen bey dem offentlichen Gottesdienst ein leichtfertiger Venus-Vogel an ihrer Gestalt ärgeren/ und mit seinen Gedancken an diesem Vogel Leim würde kleben bleiben/ sie dannoch nicht schüldig noch verbunden seye/ wegen frömbder Boßheit/ sich ihrer Seelen so ersprießlicher Andacht zueufferen/ und zu entschlagen.</p> <p>VII. Wann die Lesung der Heil. Schrifft den Leyen nützlich wäre/ und sie solcher Lesung ohne Schaden nicht entrathen könnten/ so hätte ja der Pabst ihnen das Bibel-Buch so hoch nicht verboten/ und rühret nur diß Verbött her aus löblicher Beysorg des Pabstes/ als eines allgemeinen Vatters der Kirchen/ damit allem Unheil/ so aus Lesung der Bibel entstehen möchte/ gesteurt und vorgebogen werde.</p> <p>Antwort: Wie könnte doch der Pabst/ welcher klüger seyen will als Christus und seine Aposteln die armselige Seelen im Pabstthum elendiger/ mit dem erblendeten Sampson unter dem Joch des Satans/ an der Roßmühlen herum treiben/ als da er ihnen das göttliche Wort / und die Evangelischen Schriften/ durch sein tyrannisches Verbott aus den Händen reisset / und ihnen zugleich hiermit die Augen aussticht? da doch im Gegentheil S. Paulus I. Thes. 5. <gap reason="illegible"/>. 21. schreibt: man solle alles/ ohne Unterscheid und Ausnahm/ was von den Lehreren wird fürgetragen/ prüfen nach dem Probir-Stein des göttlichen Worts. Wer siehet aber nicht/ wie daß der Pabst und seine Clerisey ihrem faulen Handel mißtraue/ wohl wissend/ daß/ wann man ihrer Lehr den Probir-Stein göttlicher Schrift wolte ansetzen / selbige die Prob nicht aushalten/ sondern ihre Grundlosigkeit sich bald eräugen würde? derowegen es billig dem Pabst mit seinem Anhang für rathsamer hat gedüncket/ die Leyen dieses Probir-Steins zu berauben/ und ihnen an dessen statt stumme Bilder/ (so nichtsreden/ sondern alles ungetadelt lassen) vorzustellen/ und sie zu bereden/ es seye ihnen gnug/ wann sie glauben das/ was die Kirch (das ist: der Pabst und seine Pfaffen) glauben: da sie doch mannigmahl so gar nicht wissen/ weder was die Kirch/ noch auch ihr Glaube seye/ oder in sich enthalte.</p> <p>VIII. Haben doch alle Ketzer ihre Irrthümmer mit der Heil. Schrift beschönet/ und geschmücket: dann die Anthropomorphitan hielten darfür/ GOtt habe einen materialischen Leib/ weilen sie in der Schrift lasen/ daß dieselbige GOtt zueignete menschliche Glieder / Hände/ Füsse/ Augen/ Ohren/ sc. Die Manichaeer hegeten unter anderen den Irrthum / daß Christus seye die wesentliche Sonne am Himmel/ so mit ihren Stralen dem Menschen den hellen Tag ertheilet/ weilen sie in der Schrift lasen die Wort Christi: Ich bin das Licht der Welt/ Joh. 8. v. 12. so handelt dann die päbstische Kirche klüglich als eine vorsichtige Mutter/ in dem sie ein solch gefährliches Messer der H. Schrift ihren Kindern aus den Händen reisset/ daß sie sich nicht schneiden.</p> <p>Antwort. Wann die Bibel für sich selbst mit Ketzereyen schwanger g<gap reason="illegible"/>enge/ und selbige nicht gebohren würden bloß von Mißbrauch eines oder andern </p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0073]
Schrift fürgezogen/ oder auch mit der Heil. Schrift eigensinnig bemäntelen will: da bingegen unzähliche viel seine ehrliebende Leute durch fleißiges Lesen der Heil. Schrift von ihrer Ketzerey entlediget / und zur göttlichen Warheit seynd gebracht worden. Muß also weniger gottlosen Leute Boßheit vieler frommen Gottsfurcht/ und geistlichem Nutzen nicht hinderlich und nachtheilich seyn. So lehrt ja die päbstische Theologie in tract. de pec. de vit. Scand. daß wann schon irgend eine ehrbare Weibs-Persohn wüste/ daß sich in der Kirchen bey dem offentlichen Gottesdienst ein leichtfertiger Venus-Vogel an ihrer Gestalt ärgeren/ und mit seinen Gedancken an diesem Vogel Leim würde kleben bleiben/ sie dannoch nicht schüldig noch verbunden seye/ wegen frömbder Boßheit/ sich ihrer Seelen so ersprießlicher Andacht zueufferen/ und zu entschlagen.
VII. Wann die Lesung der Heil. Schrifft den Leyen nützlich wäre/ und sie solcher Lesung ohne Schaden nicht entrathen könnten/ so hätte ja der Pabst ihnen das Bibel-Buch so hoch nicht verboten/ und rühret nur diß Verbött her aus löblicher Beysorg des Pabstes/ als eines allgemeinen Vatters der Kirchen/ damit allem Unheil/ so aus Lesung der Bibel entstehen möchte/ gesteurt und vorgebogen werde.
Antwort: Wie könnte doch der Pabst/ welcher klüger seyen will als Christus und seine Aposteln die armselige Seelen im Pabstthum elendiger/ mit dem erblendeten Sampson unter dem Joch des Satans/ an der Roßmühlen herum treiben/ als da er ihnen das göttliche Wort / und die Evangelischen Schriften/ durch sein tyrannisches Verbott aus den Händen reisset / und ihnen zugleich hiermit die Augen aussticht? da doch im Gegentheil S. Paulus I. Thes. 5. _ . 21. schreibt: man solle alles/ ohne Unterscheid und Ausnahm/ was von den Lehreren wird fürgetragen/ prüfen nach dem Probir-Stein des göttlichen Worts. Wer siehet aber nicht/ wie daß der Pabst und seine Clerisey ihrem faulen Handel mißtraue/ wohl wissend/ daß/ wann man ihrer Lehr den Probir-Stein göttlicher Schrift wolte ansetzen / selbige die Prob nicht aushalten/ sondern ihre Grundlosigkeit sich bald eräugen würde? derowegen es billig dem Pabst mit seinem Anhang für rathsamer hat gedüncket/ die Leyen dieses Probir-Steins zu berauben/ und ihnen an dessen statt stumme Bilder/ (so nichtsreden/ sondern alles ungetadelt lassen) vorzustellen/ und sie zu bereden/ es seye ihnen gnug/ wann sie glauben das/ was die Kirch (das ist: der Pabst und seine Pfaffen) glauben: da sie doch mannigmahl so gar nicht wissen/ weder was die Kirch/ noch auch ihr Glaube seye/ oder in sich enthalte.
VIII. Haben doch alle Ketzer ihre Irrthümmer mit der Heil. Schrift beschönet/ und geschmücket: dann die Anthropomorphitan hielten darfür/ GOtt habe einen materialischen Leib/ weilen sie in der Schrift lasen/ daß dieselbige GOtt zueignete menschliche Glieder / Hände/ Füsse/ Augen/ Ohren/ sc. Die Manichaeer hegeten unter anderen den Irrthum / daß Christus seye die wesentliche Sonne am Himmel/ so mit ihren Stralen dem Menschen den hellen Tag ertheilet/ weilen sie in der Schrift lasen die Wort Christi: Ich bin das Licht der Welt/ Joh. 8. v. 12. so handelt dann die päbstische Kirche klüglich als eine vorsichtige Mutter/ in dem sie ein solch gefährliches Messer der H. Schrift ihren Kindern aus den Händen reisset/ daß sie sich nicht schneiden.
Antwort. Wann die Bibel für sich selbst mit Ketzereyen schwanger g_ enge/ und selbige nicht gebohren würden bloß von Mißbrauch eines oder andern
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Zitationshilfe: | Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/73>, abgerufen am 08.07.2024. |