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Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.

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Das neunte Capitel.

Von etlichen Mißbräuchen so in und bey der Messe verübt werden.

Der erste Mißbrauch.

Wegen der Privat-oder Winckel-Messe /

ES hat die Anti-Christische Rotte erspunnen und aufgebracht eine Privatoder Winckel-Messe / welche entweder ohne anderer Leut Gegenwart (bißweilen auch für einen abwesenden um Geld und gute Wort) verrichtet wird: oder aber darinnen nur allein der Meß-Priester/ so da Meß hält/ das Sacrament empfahet: die andern aber so zugegen seyn/ stehen oder sitzen und sehen zu/ und schmatzen für Andacht/ und dieselbigen werden von dem Meß-Priester beredet / und sie bereden sich auch selber/ sie haben ihren grossen Nutzen von diesem Schau-Essen / und käme ihren Seelen zu Nutz eine gewisse Portion von diesem Opffer. Dann die Meß-Pfaffen tranchiren und zertheilen das Verdienst der Messe in vier Portionen: die erste nennen sie Portionem Generalissimam, den allergemeinsten Theil/ welcher insgemein der gantzen Christenheit zum Nutzen gedeyhe. Die zweyte Portionem Generalem, so den Zuschaueren und Beywohneren der gaucklerischen Messe zum Vortheil solle gereichen. Den dritten Theil nennen sie Portionem Specialem, und diß ist ein besonderer Theil/ welcher absonderlich denen wird zugewendet/ welche das Geld und die Bezahlung für die Messe dem Pfaffen darlegen. Der vierdte Theil wird genennet Portio Specialissima, eine allerbesonderste Portion oder Pfaffen-Bissen/ so dem Meß-Priester allein wird vorbehalten zu seiner eigenen Seelen vermeynter Wollfahrt.

Zudem eigenen sie dem Meß-Opffer viererley Kräffte und Eigenschafften zu und nennen es darum latreuticum, Eucharisticum, impetratorium, propitiatorium, das ist: es habe erstlich die Krafft eines Opffers/ welches darinn bestehet/ daß man durch Zerstöhrung eines erschaffenen Dinges für GOtt bezeuge und protestire, Er seye der Herrscher und Gebieter über Todt und Leben. Zum anderen: es seye ein Danck-Opffer für die von Gott empfangene Gutthaten. Zum dritten: es habe die Krafft von Gott neue Gutthaten zu erhalten: wie dann auch zum vierdten die Krafft Gott zu versöhnen wegen der begangenen Sünden.

Wir aber können solche Winckel-Meß nicht gut heissen aus nachfolgenden Ursachen.

Dann erstlich: so ist es ja ein lauter Pfaffen-Gedicht/ und wird durch solche Winckel-Messe/ so von Christo nirgend eingesetzet ist/ das H. Abendmahl in eine solche Action und Verhandlung verändert und verkehrt/ welche von der ersten Einsetzung/ so durch Christum geschehen/ allerdings abweichet/ und derselbigen gerad zuwieder lauffet. Sintemahl Christus hat ja seinen Jüngern in seinem Hl. Abendmahl kein blosses Schau-Essen / das man nur angapffet aber nicht geniesset/ fürgesetzet/ noch ihnen durch solche Angapffung einen besondern Nutzen ihrer Seelen versprochen: sondern er hat ihnen seinen Leib zu essen/ und sein Blut zu trincken Ausgetheilet. Dieweil aber nun bey der Winckel-Meß keine communication und austheilung ist/ sondern den Leyen das Sacrament nur gleich als ein Schau-Essen fürgezeiget wird/ so hat die Winckel-Messe mit der Einsatzung und Verhandlung Christi gantz und gar keine Gemeinschafft/ und folgens ist daraus kein Nutze der Seelen zu hoffen.

Das neunte Capitel.

Von etlichen Mißbräuchen so in und bey der Messe verübt werden.

Der erste Mißbrauch.

Wegen der Privat-oder Winckel-Messe /

ES hat die Anti-Christische Rotte erspunnen und aufgebracht eine Privatoder Winckel-Messe / welche entweder ohne anderer Leut Gegenwart (bißweilen auch für einen abwesenden um Geld und gute Wort) verrichtet wird: oder aber darinnen nur allein der Meß-Priester/ so da Meß hält/ das Sacrament empfahet: die andern aber so zugegen seyn/ stehen oder sitzen und sehen zu/ und schmatzen für Andacht/ und dieselbigen werden von dem Meß-Priester beredet / und sie bereden sich auch selber/ sie haben ihren grossen Nutzen von diesem Schau-Essen / und käme ihren Seelen zu Nutz eine gewisse Portion von diesem Opffer. Dann die Meß-Pfaffen tranchiren und zertheilen das Verdienst der Messe in vier Portionen: die erste nennen sie Portionem Generalissimam, den allergemeinsten Theil/ welcher insgemein der gantzen Christenheit zum Nutzen gedeyhe. Die zweyte Portionem Generalem, so den Zuschaueren und Beywohneren der gaucklerischen Messe zum Vortheil solle gereichen. Den dritten Theil nennen sie Portionem Specialem, und diß ist ein besonderer Theil/ welcher absonderlich denen wird zugewendet/ welche das Geld und die Bezahlung für die Messe dem Pfaffen darlegen. Der vierdte Theil wird genennet Portio Specialissima, eine allerbesonderste Portion oder Pfaffen-Bissen/ so dem Meß-Priester allein wird vorbehalten zu seiner eigenen Seelen vermeynter Wollfahrt.

Zudem eigenen sie dem Meß-Opffer viererley Kräffte und Eigenschafften zu und nennen es darum latreuticum, Eucharisticum, impetratorium, propitiatorium, das ist: es habe erstlich die Krafft eines Opffers/ welches darinn bestehet/ daß man durch Zerstöhrung eines erschaffenen Dinges für GOtt bezeuge und protestire, Er seye der Herrscher und Gebieter über Todt und Leben. Zum anderen: es seye ein Danck-Opffer für die von Gott empfangene Gutthaten. Zum dritten: es habe die Krafft von Gott neue Gutthaten zu erhalten: wie dann auch zum vierdten die Krafft Gott zu versöhnen wegen der begangenen Sünden.

Wir aber können solche Winckel-Meß nicht gut heissen aus nachfolgenden Ursachen.

Dann erstlich: so ist es ja ein lauter Pfaffen-Gedicht/ und wird durch solche Winckel-Messe/ so von Christo nirgend eingesetzet ist/ das H. Abendmahl in eine solche Action und Verhandlung verändert und verkehrt/ welche von der ersten Einsetzung/ so durch Christum geschehen/ allerdings abweichet/ und derselbigen gerad zuwieder lauffet. Sintemahl Christus hat ja seinen Jüngern in seinem Hl. Abendmahl kein blosses Schau-Essen / das man nur angapffet aber nicht geniesset/ fürgesetzet/ noch ihnen durch solche Angapffung einen besondern Nutzen ihrer Seelen versprochen: sondern er hat ihnen seinen Leib zu essen/ und sein Blut zu trincken Ausgetheilet. Dieweil aber nun bey der Winckel-Meß keine communication und austheilung ist/ sondern den Leyen das Sacrament nur gleich als ein Schau-Essen fürgezeiget wird/ so hat die Winckel-Messe mit der Einsatzung und Verhandlung Christi gantz und gar keine Gemeinschafft/ und folgens ist daraus kein Nutze der Seelen zu hoffen.

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        <p>Zudem eigenen sie dem Meß-Opffer viererley Kräffte und Eigenschafften zu und nennen es            darum latreuticum, Eucharisticum, impetratorium, propitiatorium, das ist: es habe erstlich            die Krafft eines Opffers/ welches darinn bestehet/ daß man durch Zerstöhrung eines            erschaffenen Dinges für GOtt bezeuge und protestire, Er seye der Herrscher und Gebieter            über Todt und Leben. Zum anderen: es seye ein Danck-Opffer für die von Gott empfangene            Gutthaten. Zum dritten: es habe die Krafft von Gott neue Gutthaten zu erhalten: wie dann            auch zum vierdten die Krafft Gott zu versöhnen wegen der begangenen Sünden.</p>
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[122/0422] Das neunte Capitel. Von etlichen Mißbräuchen so in und bey der Messe verübt werden. Der erste Mißbrauch. Wegen der Privat-oder Winckel-Messe / ES hat die Anti-Christische Rotte erspunnen und aufgebracht eine Privatoder Winckel-Messe / welche entweder ohne anderer Leut Gegenwart (bißweilen auch für einen abwesenden um Geld und gute Wort) verrichtet wird: oder aber darinnen nur allein der Meß-Priester/ so da Meß hält/ das Sacrament empfahet: die andern aber so zugegen seyn/ stehen oder sitzen und sehen zu/ und schmatzen für Andacht/ und dieselbigen werden von dem Meß-Priester beredet / und sie bereden sich auch selber/ sie haben ihren grossen Nutzen von diesem Schau-Essen / und käme ihren Seelen zu Nutz eine gewisse Portion von diesem Opffer. Dann die Meß-Pfaffen tranchiren und zertheilen das Verdienst der Messe in vier Portionen: die erste nennen sie Portionem Generalissimam, den allergemeinsten Theil/ welcher insgemein der gantzen Christenheit zum Nutzen gedeyhe. Die zweyte Portionem Generalem, so den Zuschaueren und Beywohneren der gaucklerischen Messe zum Vortheil solle gereichen. Den dritten Theil nennen sie Portionem Specialem, und diß ist ein besonderer Theil/ welcher absonderlich denen wird zugewendet/ welche das Geld und die Bezahlung für die Messe dem Pfaffen darlegen. Der vierdte Theil wird genennet Portio Specialissima, eine allerbesonderste Portion oder Pfaffen-Bissen/ so dem Meß-Priester allein wird vorbehalten zu seiner eigenen Seelen vermeynter Wollfahrt. Zudem eigenen sie dem Meß-Opffer viererley Kräffte und Eigenschafften zu und nennen es darum latreuticum, Eucharisticum, impetratorium, propitiatorium, das ist: es habe erstlich die Krafft eines Opffers/ welches darinn bestehet/ daß man durch Zerstöhrung eines erschaffenen Dinges für GOtt bezeuge und protestire, Er seye der Herrscher und Gebieter über Todt und Leben. Zum anderen: es seye ein Danck-Opffer für die von Gott empfangene Gutthaten. Zum dritten: es habe die Krafft von Gott neue Gutthaten zu erhalten: wie dann auch zum vierdten die Krafft Gott zu versöhnen wegen der begangenen Sünden. Wir aber können solche Winckel-Meß nicht gut heissen aus nachfolgenden Ursachen. Dann erstlich: so ist es ja ein lauter Pfaffen-Gedicht/ und wird durch solche Winckel-Messe/ so von Christo nirgend eingesetzet ist/ das H. Abendmahl in eine solche Action und Verhandlung verändert und verkehrt/ welche von der ersten Einsetzung/ so durch Christum geschehen/ allerdings abweichet/ und derselbigen gerad zuwieder lauffet. Sintemahl Christus hat ja seinen Jüngern in seinem Hl. Abendmahl kein blosses Schau-Essen / das man nur angapffet aber nicht geniesset/ fürgesetzet/ noch ihnen durch solche Angapffung einen besondern Nutzen ihrer Seelen versprochen: sondern er hat ihnen seinen Leib zu essen/ und sein Blut zu trincken Ausgetheilet. Dieweil aber nun bey der Winckel-Meß keine communication und austheilung ist/ sondern den Leyen das Sacrament nur gleich als ein Schau-Essen fürgezeiget wird/ so hat die Winckel-Messe mit der Einsatzung und Verhandlung Christi gantz und gar keine Gemeinschafft/ und folgens ist daraus kein Nutze der Seelen zu hoffen.

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Zitationshilfe: Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/422>, abgerufen am 25.11.2024.