Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.derfahren/ und durch Versäumnüs übertreten das Gebott des HErren/ und sündigen: die sollen ihre Sünde bekennen. Ja so gar etliche bey Adamo Burghaber controv. LXXV. bezeugen/ daß die etwas gelehrte Juden noch zu heutiger Zeit/ vor ihrem Tod und Hinscheiden aus dieser Welt zu beichten pflegen einem Leviten/ wann sie deren einen können antreffen. So ist ja der Gebrauch der Ohren-Beicht im neuen Testament kein neu ersonnenes Pfaffen Gedicht. Antwort. Weilen ihr im Neuen Testament mit eurem Sacrament der Ohren-Beicht nicht könnet auf kommen/ und Unterschleiff haben/ so thut ihr wohl/ daß ihr euch wieder verfüget ins Alte: dannoch kans wenig fruchten/ und findet ihr auch daselbst eben geringen Vorschub / als im Neuen Testament: dann Moyses Num. 5. redet von keiner Ohren-Beicht: sondern nur von Bekäntnüs und Abbit des begangenen Verbrechens/ wann ein Mensch den andern hat beleydiget / oder in einiger Sach vervortheilet: drum auch also bald im 7. Vers folget: Sie sollen die Haupt-Summa wieder geben/ an dem sie sich versündiget haben. Im übrigen/ gesetzet / daß noch zu heutiger Zeit die gelehrten Juden vor ihren Hinscheiden aus dieser Welt beichteten/ so fahren sie doch zur Höllen: dafür GOtt bewahren wolle alle fromme Christen / die an keine Juden-Exempel gebunden seyen. X. Zu Jerusalem/ wie es anmercket der Ehrwürdige Beda, und Nicolaus de Lyra in cap. 3. lib. 2. Esdrae, waren verschiedene Thoren oder Pforten: eine aber/ wie bey Esdra zu lesen / wurde genennet Porta Sterquilinii, das Mist-Thor/ durch welches aller Unflath der Stadt hinaus geführt/ und in den Bach Cedron geworffen/ durch andere Pforten aber eingeführet wurde: so geschichts ja bey uns Menschen/ dann durch die Thor der fünff Sinnen werden alle Sünd und Laster in die Seelen hinein/ durch die eintzige Mist-Pforte des Mundes aber in der Ohren-Beicht heraus geführet. So ist ja die Ohren-Beicht ein gar nützliches Mittel die unsaubere Seelen zu reinigen. Also spitzfindig schliesset hievon P. Benignus Kibler im Wunder-Spiel pag. 465. Antwort. In so weit mag wohl diese eure Gleichnüß eintreffen: daß durch die Mist-Pforten der päbstischen Ohren-Beicht mehr Unflats wird ausgefahren/ als vormahls aus dem garstigen Stall Augiae. Daß aber hierdurch die Seelen solten gesaubert werden/ darvon weiß das Wort GOttes nichts. David sahe auf keine Mist-Pforte: sondern auf die Gnaden-Pforte GOttes/ da er sprach: Ich will wieder mich bekennen meine Ubertretung dem HErrn/ Ps. 32. v. 5. und darauf folgete alsobald die Absolution und Loßsprechung ohne eintzige Ohren-Beicht: Du vergabest mir die Missethat meiner Sünde. XI. Es ist aber die Ohren-Beicht ein schönes Mittel die Gewissen der Menschen zu beruhigen/ wann ein Beicht-Kind sein gantzes Hertz und Gewissen in dem Schoß seines Beicht-Vaters ausgiesset/ und hingegen von ihm mit lauter Trost wird angefüllet. Antwort. Wann einer aus freyem Willen seinem Beicht-Vater sein gantzes Gewissen deutlich entdecken wolte/ sich heilsahmen Rahts und Trostes zu erholen/ mags wol als ein freyes Mittel-Ding hingehen/ wanns nur beyderseits ohne Aergernüs kan abgehen: aber der Noht-Zwang zur Ohren-Beicht im Pabstthum ist nur eine erfundene Tyranney des Antichrists / wodurch die Gewissen der Menschen verwirret/ gemartert/ und gefoltert werden/ wie es leyder die Erfahrnüs gibt/ daß viele aus Zweiffelmuht/ aus Schamröhte/ aus Ungewißheit gnugsamer Offenbahrung ihrer Sünden/ schon bey ihren Leb- derfahren/ und durch Versäumnüs übertreten das Gebott des HErren/ und sündigen: die sollen ihre Sünde bekennen. Ja so gar etliche bey Adamo Burghaber controv. LXXV. bezeugen/ daß die etwas gelehrte Juden noch zu heutiger Zeit/ vor ihrem Tod und Hinscheiden aus dieser Welt zu beichten pflegen einem Leviten/ wann sie deren einen können antreffen. So ist ja der Gebrauch der Ohren-Beicht im neuen Testament kein neu ersonnenes Pfaffen Gedicht. Antwort. Weilen ihr im Neuen Testament mit eurem Sacrament der Ohren-Beicht nicht könnet auf kommen/ und Unterschleiff haben/ so thut ihr wohl/ daß ihr euch wieder verfüget ins Alte: dannoch kans wenig fruchten/ und findet ihr auch daselbst eben geringen Vorschub / als im Neuen Testament: dann Moyses Num. 5. redet von keiner Ohren-Beicht: sondern nur von Bekäntnüs und Abbit des begangenen Verbrechens/ wann ein Mensch den andern hat beleydiget / oder in einiger Sach vervortheilet: drum auch also bald im 7. Vers folget: Sie sollen die Haupt-Summa wieder geben/ an dem sie sich versündiget haben. Im übrigen/ gesetzet / daß noch zu heutiger Zeit die gelehrten Juden vor ihren Hinscheiden aus dieser Welt beichteten/ so fahren sie doch zur Höllen: dafür GOtt bewahren wolle alle fromme Christen / die an keine Juden-Exempel gebunden seyen. X. Zu Jerusalem/ wie es anmercket der Ehrwürdige Beda, und Nicolaus de Lyra in cap. 3. lib. 2. Esdrae, waren verschiedene Thoren oder Pforten: eine aber/ wie bey Esdra zu lesen / wurde genennet Porta Sterquilinii, das Mist-Thor/ durch welches aller Unflath der Stadt hinaus geführt/ und in den Bach Cedron geworffen/ durch andere Pforten aber eingeführet wurde: so geschichts ja bey uns Menschen/ dann durch die Thor der fünff Sinnen werden alle Sünd und Laster in die Seelen hinein/ durch die eintzige Mist-Pforte des Mundes aber in der Ohren-Beicht heraus geführet. So ist ja die Ohren-Beicht ein gar nützliches Mittel die unsaubere Seelen zu reinigen. Also spitzfindig schliesset hievon P. Benignus Kibler im Wunder-Spiel pag. 465. Antwort. In so weit mag wohl diese eure Gleichnüß eintreffen: daß durch die Mist-Pforten der päbstischen Ohren-Beicht mehr Unflats wird ausgefahren/ als vormahls aus dem garstigen Stall Augiae. Daß aber hierdurch die Seelen solten gesaubert werden/ darvon weiß das Wort GOttes nichts. David sahe auf keine Mist-Pforte: sondern auf die Gnaden-Pforte GOttes/ da er sprach: Ich will wieder mich bekennen meine Ubertretung dem HErrn/ Ps. 32. v. 5. und darauf folgete alsobald die Absolution und Loßsprechung ohne eintzige Ohren-Beicht: Du vergabest mir die Missethat meiner Sünde. XI. Es ist aber die Ohren-Beicht ein schönes Mittel die Gewissen der Menschen zu beruhigen/ wann ein Beicht-Kind sein gantzes Hertz und Gewissen in dem Schoß seines Beicht-Vaters ausgiesset/ und hingegen von ihm mit lauter Trost wird angefüllet. Antwort. Wann einer aus freyem Willen seinem Beicht-Vater sein gantzes Gewissen deutlich entdecken wolte/ sich heilsahmen Rahts und Trostes zu erholen/ mags wol als ein freyes Mittel-Ding hingehen/ wanns nur beyderseits ohne Aergernüs kan abgehen: aber der Noht-Zwang zur Ohren-Beicht im Pabstthum ist nur eine erfundene Tyranney des Antichrists / wodurch die Gewissen der Menschen verwirret/ gemartert/ und gefoltert werden/ wie es leyder die Erfahrnüs gibt/ daß viele aus Zweiffelmuht/ aus Schamröhte/ aus Ungewißheit gnugsamer Offenbahrung ihrer Sünden/ schon bey ihren Leb- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0348" n="48"/> derfahren/ und durch Versäumnüs übertreten das Gebott des HErren/ und sündigen: die sollen ihre Sünde bekennen. Ja so gar etliche bey Adamo Burghaber controv. LXXV. bezeugen/ daß die etwas gelehrte Juden noch zu heutiger Zeit/ vor ihrem Tod und Hinscheiden aus dieser Welt zu beichten pflegen einem Leviten/ wann sie deren einen können antreffen. So ist ja der Gebrauch der Ohren-Beicht im neuen Testament kein neu ersonnenes Pfaffen Gedicht.</p> <p>Antwort. Weilen ihr im Neuen Testament mit eurem Sacrament der Ohren-Beicht nicht könnet auf kommen/ und Unterschleiff haben/ so thut ihr wohl/ daß ihr euch wieder verfüget ins Alte: dannoch kans wenig fruchten/ und findet ihr auch daselbst eben geringen Vorschub / als im Neuen Testament: dann Moyses Num. 5. redet von keiner Ohren-Beicht: sondern nur von Bekäntnüs und Abbit des begangenen Verbrechens/ wann ein Mensch den andern hat beleydiget / oder in einiger Sach vervortheilet: drum auch also bald im 7. Vers folget: Sie sollen die Haupt-Summa wieder geben/ an dem sie sich versündiget haben. Im übrigen/ gesetzet / daß noch zu heutiger Zeit die gelehrten Juden vor ihren Hinscheiden aus dieser Welt beichteten/ so fahren sie doch zur Höllen: dafür GOtt bewahren wolle alle fromme Christen / die an keine Juden-Exempel gebunden seyen.</p> <p>X. Zu Jerusalem/ wie es anmercket der Ehrwürdige Beda, und Nicolaus de Lyra in cap. 3. lib. 2. Esdrae, waren verschiedene Thoren oder Pforten: eine aber/ wie bey Esdra zu lesen / wurde genennet Porta Sterquilinii, das Mist-Thor/ durch welches aller Unflath der Stadt hinaus geführt/ und in den Bach Cedron geworffen/ durch andere Pforten aber eingeführet wurde: so geschichts ja bey uns Menschen/ dann durch die Thor der fünff Sinnen werden alle Sünd und Laster in die Seelen hinein/ durch die eintzige Mist-Pforte des Mundes aber in der Ohren-Beicht heraus geführet. So ist ja die Ohren-Beicht ein gar nützliches Mittel die unsaubere Seelen zu reinigen. Also spitzfindig schliesset hievon P. Benignus Kibler im Wunder-Spiel pag. 465.</p> <p>Antwort. In so weit mag wohl diese eure Gleichnüß eintreffen: daß durch die Mist-Pforten der päbstischen Ohren-Beicht mehr Unflats wird ausgefahren/ als vormahls aus dem garstigen Stall Augiae. Daß aber hierdurch die Seelen solten gesaubert werden/ darvon weiß das Wort GOttes nichts. David sahe auf keine Mist-Pforte: sondern auf die Gnaden-Pforte GOttes/ da er sprach: Ich will wieder mich bekennen meine Ubertretung dem HErrn/ Ps. 32. v. 5. und darauf folgete alsobald die Absolution und Loßsprechung ohne eintzige Ohren-Beicht: Du vergabest mir die Missethat meiner Sünde.</p> <p>XI. Es ist aber die Ohren-Beicht ein schönes Mittel die Gewissen der Menschen zu beruhigen/ wann ein Beicht-Kind sein gantzes Hertz und Gewissen in dem Schoß seines Beicht-Vaters ausgiesset/ und hingegen von ihm mit lauter Trost wird angefüllet.</p> <p>Antwort. Wann einer aus freyem Willen seinem Beicht-Vater sein gantzes Gewissen deutlich entdecken wolte/ sich heilsahmen Rahts und Trostes zu erholen/ mags wol als ein freyes Mittel-Ding hingehen/ wanns nur beyderseits ohne Aergernüs kan abgehen: aber der Noht-Zwang zur Ohren-Beicht im Pabstthum ist nur eine erfundene Tyranney des Antichrists / wodurch die Gewissen der Menschen verwirret/ gemartert/ und gefoltert werden/ wie es leyder die Erfahrnüs gibt/ daß viele aus Zweiffelmuht/ aus Schamröhte/ aus Ungewißheit gnugsamer Offenbahrung ihrer Sünden/ schon bey ihren Leb- </p> </div> </body> </text> </TEI> [48/0348]
derfahren/ und durch Versäumnüs übertreten das Gebott des HErren/ und sündigen: die sollen ihre Sünde bekennen. Ja so gar etliche bey Adamo Burghaber controv. LXXV. bezeugen/ daß die etwas gelehrte Juden noch zu heutiger Zeit/ vor ihrem Tod und Hinscheiden aus dieser Welt zu beichten pflegen einem Leviten/ wann sie deren einen können antreffen. So ist ja der Gebrauch der Ohren-Beicht im neuen Testament kein neu ersonnenes Pfaffen Gedicht.
Antwort. Weilen ihr im Neuen Testament mit eurem Sacrament der Ohren-Beicht nicht könnet auf kommen/ und Unterschleiff haben/ so thut ihr wohl/ daß ihr euch wieder verfüget ins Alte: dannoch kans wenig fruchten/ und findet ihr auch daselbst eben geringen Vorschub / als im Neuen Testament: dann Moyses Num. 5. redet von keiner Ohren-Beicht: sondern nur von Bekäntnüs und Abbit des begangenen Verbrechens/ wann ein Mensch den andern hat beleydiget / oder in einiger Sach vervortheilet: drum auch also bald im 7. Vers folget: Sie sollen die Haupt-Summa wieder geben/ an dem sie sich versündiget haben. Im übrigen/ gesetzet / daß noch zu heutiger Zeit die gelehrten Juden vor ihren Hinscheiden aus dieser Welt beichteten/ so fahren sie doch zur Höllen: dafür GOtt bewahren wolle alle fromme Christen / die an keine Juden-Exempel gebunden seyen.
X. Zu Jerusalem/ wie es anmercket der Ehrwürdige Beda, und Nicolaus de Lyra in cap. 3. lib. 2. Esdrae, waren verschiedene Thoren oder Pforten: eine aber/ wie bey Esdra zu lesen / wurde genennet Porta Sterquilinii, das Mist-Thor/ durch welches aller Unflath der Stadt hinaus geführt/ und in den Bach Cedron geworffen/ durch andere Pforten aber eingeführet wurde: so geschichts ja bey uns Menschen/ dann durch die Thor der fünff Sinnen werden alle Sünd und Laster in die Seelen hinein/ durch die eintzige Mist-Pforte des Mundes aber in der Ohren-Beicht heraus geführet. So ist ja die Ohren-Beicht ein gar nützliches Mittel die unsaubere Seelen zu reinigen. Also spitzfindig schliesset hievon P. Benignus Kibler im Wunder-Spiel pag. 465.
Antwort. In so weit mag wohl diese eure Gleichnüß eintreffen: daß durch die Mist-Pforten der päbstischen Ohren-Beicht mehr Unflats wird ausgefahren/ als vormahls aus dem garstigen Stall Augiae. Daß aber hierdurch die Seelen solten gesaubert werden/ darvon weiß das Wort GOttes nichts. David sahe auf keine Mist-Pforte: sondern auf die Gnaden-Pforte GOttes/ da er sprach: Ich will wieder mich bekennen meine Ubertretung dem HErrn/ Ps. 32. v. 5. und darauf folgete alsobald die Absolution und Loßsprechung ohne eintzige Ohren-Beicht: Du vergabest mir die Missethat meiner Sünde.
XI. Es ist aber die Ohren-Beicht ein schönes Mittel die Gewissen der Menschen zu beruhigen/ wann ein Beicht-Kind sein gantzes Hertz und Gewissen in dem Schoß seines Beicht-Vaters ausgiesset/ und hingegen von ihm mit lauter Trost wird angefüllet.
Antwort. Wann einer aus freyem Willen seinem Beicht-Vater sein gantzes Gewissen deutlich entdecken wolte/ sich heilsahmen Rahts und Trostes zu erholen/ mags wol als ein freyes Mittel-Ding hingehen/ wanns nur beyderseits ohne Aergernüs kan abgehen: aber der Noht-Zwang zur Ohren-Beicht im Pabstthum ist nur eine erfundene Tyranney des Antichrists / wodurch die Gewissen der Menschen verwirret/ gemartert/ und gefoltert werden/ wie es leyder die Erfahrnüs gibt/ daß viele aus Zweiffelmuht/ aus Schamröhte/ aus Ungewißheit gnugsamer Offenbahrung ihrer Sünden/ schon bey ihren Leb-
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Zitationshilfe: | Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/348>, abgerufen am 31.07.2024. |