Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.glaubische Ohren-Beicht sich verleiten und bethören lassen/ je mehr sie beichten/ je tieffer sich in Zweiffel und Thorheit hinein wickelen und vertieffen: weswegen dann/ wann solche Gewissens-Marter solte zur Rechtfertigung und Seeligkeit erfordert werden bey Einführung des Gnaden-reichen Evangelii/ so wäre es vielen Gewissen tausendmahl besser/ und erträglicher/ daß es GOtt gelassen hätte bey dem scharffen Gesetz des alten Testaments. Zum fünfften: solche Lehr der Papisten/ da sie fürgeben man verdiene durch solche umständliche Ohren-Beicht und Verschämunge seiner selbsten Vergebung der Sünden/ gereicht nur dem vollkommenen Verdienst Christi und der gnädigen Vergebung unserer Sünden zum mercklichen Nachtheil/ und schimpfflicher Verkleinerung. Zum sechsten: wo findet man in H. Schrifft oder bey den H. Vätteren solche garstige Unflättereyen/ die jetziger Zeit in den päbstischen Theologischen Schulen gehandelt und gerührt werden/ nur zu dem Ziel und Absicht/ da ja die Ohren-Beicht ihre gäntzliche Vollkommenheit in Erzehlung des sündlichen Unflats erreichen möge? Bestehet doch der grösseste Pracht der päbstischen Theologischen Bibliothec nur in grossen Tomis und Folianten/ worinnen die abscheuligsten Gestalten allerhand unflätigsten Sünden enthalten / und der unschüldigen Jugend mit höchster Aergernüß für getragen werden. Ist also die Ohren-Beicht nichts anders als eine heßliche Schwind-Grube der Seelen/ und Laster-Schule / wo durch die Gewissen vielmehr zur Bosheit angewiesen/ als abgehalten werden. Einrede der Papisten. I. Ist doch die offentliche Bekanntnüs der Sünden mit deren Umständen in der ersten Apostolischen Kirchen im üblichen Gebrauch gewesen/ warum solte man dann nicht auch jetzund die Ohren-Beicht gelten und passiren lassen? Antwort. Die offentliche Bekantnüs der Sünden in der ersten Kirchen war keine Ohren-Beicht/ sondern eine offene Bekanntnüs/ welche damahls zu Erhaltung der Kirchen-Disciplin und Zucht geschehen müssen/ weil sie damahls noch keine Christliche Obrigkeit gehabt haben: und ist alsdann von den gottseeligen Christen hierauf getrungen worden/ wann etwann einer aus ihrem Mittel eine gantze Christliche Gemeine mit einem groben Excess und Mißtritt hatte geärgert/ wie solches dann auch noch in etlichen wohlbestellten Kirchen üblich gehalten wird. Was hat dis aber für eine Gemeinschafft mit der päbstischen Ohren-Beicht? Warum aber die Papisten nach gegebener Aergernüs von der offentlichen Beicht oder Bekanntnüs ihres Verbrechens nicht viel halten/ dessen mag wohl diese erhebliche Ursach seyen: dieweilen/ wie Baronius schreibt an. 390. da die offentliche Beicht bey der Christenheit noch im schwange war/ und ein junges Adeliches Mägdlein/ so eine geistliche Diaconisse ware/ offentlich bekannte/ wie daß ein Diaconus oder geistlicher Ober-Helffer sich etwas zu weit an ihrer Geistligkeit und Jungfrauschafft vergriffen/ und sie in der Kirchen beschwängert hätte/ Nectarius damahls Patriarch zu Constantinopel solche öffentliche Beicht ins künfftige hat verbohten/ und abgeschafft. Wie solches auch bezeuget Correlius a Lapide in I. Cor. II. v. 6. Drum dann auch wohl nicht ohne Ursach die päbstische Paffen solche offentliche Beicht nicht dulden mögen / weilen sonsten vielleicht wohl offt ein Diaconus &c. offentlich seine hohe Titulen eines Huren-Jägers sc. hören müste/ die er aus Demuth wolte lieber verschwiegen halten Hingegen die heimliche Ohren-Beicht kan die päbstische Pfaffen nicht belästigen: dieweilen wie Sangez, Navarrus, Layman glaubische Ohren-Beicht sich verleiten und bethören lassen/ je mehr sie beichten/ je tieffer sich in Zweiffel und Thorheit hinein wickelen und vertieffen: weswegen dann/ wann solche Gewissens-Marter solte zur Rechtfertigung und Seeligkeit erfordert werden bey Einführung des Gnaden-reichen Evangelii/ so wäre es vielen Gewissen tausendmahl besser/ und erträglicher/ daß es GOtt gelassen hätte bey dem scharffen Gesetz des alten Testaments. Zum fünfften: solche Lehr der Papisten/ da sie fürgeben man verdiene durch solche umständliche Ohren-Beicht und Verschämunge seiner selbsten Vergebung der Sünden/ gereicht nur dem vollkommenen Verdienst Christi und der gnädigen Vergebung unserer Sünden zum mercklichen Nachtheil/ und schimpfflicher Verkleinerung. Zum sechsten: wo findet man in H. Schrifft oder bey den H. Vätteren solche garstige Unflättereyen/ die jetziger Zeit in den päbstischen Theologischen Schulen gehandelt und gerührt werden/ nur zu dem Ziel und Absicht/ da ja die Ohren-Beicht ihre gäntzliche Vollkommenheit in Erzehlung des sündlichen Unflats erreichen möge? Bestehet doch der grösseste Pracht der päbstischen Theologischen Bibliothec nur in grossen Tomis und Folianten/ worinnen die abscheuligsten Gestalten allerhand unflätigsten Sünden enthalten / und der unschüldigen Jugend mit höchster Aergernüß für getragen werden. Ist also die Ohren-Beicht nichts anders als eine heßliche Schwind-Grube der Seelen/ und Laster-Schule / wo durch die Gewissen vielmehr zur Bosheit angewiesen/ als abgehalten werden. Einrede der Papisten. I. Ist doch die offentliche Bekanntnüs der Sünden mit deren Umständen in der ersten Apostolischen Kirchen im üblichen Gebrauch gewesen/ warum solte man dann nicht auch jetzund die Ohren-Beicht gelten und passiren lassen? Antwort. Die offentliche Bekantnüs der Sünden in der ersten Kirchen war keine Ohren-Beicht/ sondern eine offene Bekanntnüs/ welche damahls zu Erhaltung der Kirchen-Disciplin und Zucht geschehen müssen/ weil sie damahls noch keine Christliche Obrigkeit gehabt haben: und ist alsdann von den gottseeligen Christen hierauf getrungen worden/ wann etwann einer aus ihrem Mittel eine gantze Christliche Gemeine mit einem groben Excess und Mißtritt hatte geärgert/ wie solches dann auch noch in etlichen wohlbestellten Kirchen üblich gehalten wird. Was hat dis aber für eine Gemeinschafft mit der päbstischen Ohren-Beicht? Warum aber die Papisten nach gegebener Aergernüs von der offentlichen Beicht oder Bekanntnüs ihres Verbrechens nicht viel halten/ dessen mag wohl diese erhebliche Ursach seyen: dieweilen/ wie Baronius schreibt an. 390. da die offentliche Beicht bey der Christenheit noch im schwange war/ und ein junges Adeliches Mägdlein/ so eine geistliche Diaconisse ware/ offentlich bekannte/ wie daß ein Diaconus oder geistlicher Ober-Helffer sich etwas zu weit an ihrer Geistligkeit und Jungfrauschafft vergriffen/ und sie in der Kirchen beschwängert hätte/ Nectarius damahls Patriarch zu Constantinopel solche öffentliche Beicht ins künfftige hat verbohten/ und abgeschafft. Wie solches auch bezeuget Correlius à Lapide in I. Cor. II. v. 6. Drum dann auch wohl nicht ohne Ursach die päbstische Paffen solche offentliche Beicht nicht dulden mögen / weilen sonsten vielleicht wohl offt ein Diaconus &c. offentlich seine hohe Titulen eines Huren-Jägers sc. hören müste/ die er aus Demuth wolte lieber verschwiegen halten Hingegen die heimliche Ohren-Beicht kan die päbstische Pfaffen nicht belästigen: dieweilen wie Sangez, Navarrus, Layman <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0345" n="45"/> glaubische Ohren-Beicht sich verleiten und bethören lassen/ je mehr sie beichten/ je tieffer sich in Zweiffel und Thorheit hinein wickelen und vertieffen: weswegen dann/ wann solche Gewissens-Marter solte zur Rechtfertigung und Seeligkeit erfordert werden bey Einführung des Gnaden-reichen Evangelii/ so wäre es vielen Gewissen tausendmahl besser/ und erträglicher/ daß es GOtt gelassen hätte bey dem scharffen Gesetz des alten Testaments.</p> <p>Zum fünfften: solche Lehr der Papisten/ da sie fürgeben man verdiene durch solche umständliche Ohren-Beicht und Verschämunge seiner selbsten Vergebung der Sünden/ gereicht nur dem vollkommenen Verdienst Christi und der gnädigen Vergebung unserer Sünden zum mercklichen Nachtheil/ und schimpfflicher Verkleinerung.</p> <p>Zum sechsten: wo findet man in H. Schrifft oder bey den H. Vätteren solche garstige Unflättereyen/ die jetziger Zeit in den päbstischen Theologischen Schulen gehandelt und gerührt werden/ nur zu dem Ziel und Absicht/ da ja die Ohren-Beicht ihre gäntzliche Vollkommenheit in Erzehlung des sündlichen Unflats erreichen möge? Bestehet doch der grösseste Pracht der päbstischen Theologischen Bibliothec nur in grossen Tomis und Folianten/ worinnen die abscheuligsten Gestalten allerhand unflätigsten Sünden enthalten / und der unschüldigen Jugend mit höchster Aergernüß für getragen werden. Ist also die Ohren-Beicht nichts anders als eine heßliche Schwind-Grube der Seelen/ und Laster-Schule / wo durch die Gewissen vielmehr zur Bosheit angewiesen/ als abgehalten werden.</p> <p>Einrede der Papisten.</p> <p>I. Ist doch die offentliche Bekanntnüs der Sünden mit deren Umständen in der ersten Apostolischen Kirchen im üblichen Gebrauch gewesen/ warum solte man dann nicht auch jetzund die Ohren-Beicht gelten und passiren lassen?</p> <p>Antwort. Die offentliche Bekantnüs der Sünden in der ersten Kirchen war keine Ohren-Beicht/ sondern eine offene Bekanntnüs/ welche damahls zu Erhaltung der Kirchen-Disciplin und Zucht geschehen müssen/ weil sie damahls noch keine Christliche Obrigkeit gehabt haben: und ist alsdann von den gottseeligen Christen hierauf getrungen worden/ wann etwann einer aus ihrem Mittel eine gantze Christliche Gemeine mit einem groben Excess und Mißtritt hatte geärgert/ wie solches dann auch noch in etlichen wohlbestellten Kirchen üblich gehalten wird. Was hat dis aber für eine Gemeinschafft mit der päbstischen Ohren-Beicht? Warum aber die Papisten nach gegebener Aergernüs von der offentlichen Beicht oder Bekanntnüs ihres Verbrechens nicht viel halten/ dessen mag wohl diese erhebliche Ursach seyen: dieweilen/ wie Baronius schreibt an. 390. da die offentliche Beicht bey der Christenheit noch im schwange war/ und ein junges Adeliches Mägdlein/ so eine geistliche Diaconisse ware/ offentlich bekannte/ wie daß ein Diaconus oder geistlicher Ober-Helffer sich etwas zu weit an ihrer Geistligkeit und Jungfrauschafft vergriffen/ und sie in der Kirchen beschwängert hätte/ Nectarius damahls Patriarch zu Constantinopel solche öffentliche Beicht ins künfftige hat verbohten/ und abgeschafft. Wie solches auch bezeuget Correlius à Lapide in I. Cor. II. v. 6. Drum dann auch wohl nicht ohne Ursach die päbstische Paffen solche offentliche Beicht nicht dulden mögen / weilen sonsten vielleicht wohl offt ein Diaconus &c. offentlich seine hohe Titulen eines Huren-Jägers sc. hören müste/ die er aus Demuth wolte lieber verschwiegen halten Hingegen die heimliche Ohren-Beicht kan die päbstische Pfaffen nicht belästigen: dieweilen wie Sangez, Navarrus, Layman </p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0345]
glaubische Ohren-Beicht sich verleiten und bethören lassen/ je mehr sie beichten/ je tieffer sich in Zweiffel und Thorheit hinein wickelen und vertieffen: weswegen dann/ wann solche Gewissens-Marter solte zur Rechtfertigung und Seeligkeit erfordert werden bey Einführung des Gnaden-reichen Evangelii/ so wäre es vielen Gewissen tausendmahl besser/ und erträglicher/ daß es GOtt gelassen hätte bey dem scharffen Gesetz des alten Testaments.
Zum fünfften: solche Lehr der Papisten/ da sie fürgeben man verdiene durch solche umständliche Ohren-Beicht und Verschämunge seiner selbsten Vergebung der Sünden/ gereicht nur dem vollkommenen Verdienst Christi und der gnädigen Vergebung unserer Sünden zum mercklichen Nachtheil/ und schimpfflicher Verkleinerung.
Zum sechsten: wo findet man in H. Schrifft oder bey den H. Vätteren solche garstige Unflättereyen/ die jetziger Zeit in den päbstischen Theologischen Schulen gehandelt und gerührt werden/ nur zu dem Ziel und Absicht/ da ja die Ohren-Beicht ihre gäntzliche Vollkommenheit in Erzehlung des sündlichen Unflats erreichen möge? Bestehet doch der grösseste Pracht der päbstischen Theologischen Bibliothec nur in grossen Tomis und Folianten/ worinnen die abscheuligsten Gestalten allerhand unflätigsten Sünden enthalten / und der unschüldigen Jugend mit höchster Aergernüß für getragen werden. Ist also die Ohren-Beicht nichts anders als eine heßliche Schwind-Grube der Seelen/ und Laster-Schule / wo durch die Gewissen vielmehr zur Bosheit angewiesen/ als abgehalten werden.
Einrede der Papisten.
I. Ist doch die offentliche Bekanntnüs der Sünden mit deren Umständen in der ersten Apostolischen Kirchen im üblichen Gebrauch gewesen/ warum solte man dann nicht auch jetzund die Ohren-Beicht gelten und passiren lassen?
Antwort. Die offentliche Bekantnüs der Sünden in der ersten Kirchen war keine Ohren-Beicht/ sondern eine offene Bekanntnüs/ welche damahls zu Erhaltung der Kirchen-Disciplin und Zucht geschehen müssen/ weil sie damahls noch keine Christliche Obrigkeit gehabt haben: und ist alsdann von den gottseeligen Christen hierauf getrungen worden/ wann etwann einer aus ihrem Mittel eine gantze Christliche Gemeine mit einem groben Excess und Mißtritt hatte geärgert/ wie solches dann auch noch in etlichen wohlbestellten Kirchen üblich gehalten wird. Was hat dis aber für eine Gemeinschafft mit der päbstischen Ohren-Beicht? Warum aber die Papisten nach gegebener Aergernüs von der offentlichen Beicht oder Bekanntnüs ihres Verbrechens nicht viel halten/ dessen mag wohl diese erhebliche Ursach seyen: dieweilen/ wie Baronius schreibt an. 390. da die offentliche Beicht bey der Christenheit noch im schwange war/ und ein junges Adeliches Mägdlein/ so eine geistliche Diaconisse ware/ offentlich bekannte/ wie daß ein Diaconus oder geistlicher Ober-Helffer sich etwas zu weit an ihrer Geistligkeit und Jungfrauschafft vergriffen/ und sie in der Kirchen beschwängert hätte/ Nectarius damahls Patriarch zu Constantinopel solche öffentliche Beicht ins künfftige hat verbohten/ und abgeschafft. Wie solches auch bezeuget Correlius à Lapide in I. Cor. II. v. 6. Drum dann auch wohl nicht ohne Ursach die päbstische Paffen solche offentliche Beicht nicht dulden mögen / weilen sonsten vielleicht wohl offt ein Diaconus &c. offentlich seine hohe Titulen eines Huren-Jägers sc. hören müste/ die er aus Demuth wolte lieber verschwiegen halten Hingegen die heimliche Ohren-Beicht kan die päbstische Pfaffen nicht belästigen: dieweilen wie Sangez, Navarrus, Layman
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Zitationshilfe: | Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/345>, abgerufen am 08.07.2024. |