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Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.

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gäntzliche Vollmacht Sünde zu vergeben/ die Buß für begangene Sünde auszulegen/ aus dem Weg zu räumen alle Hindernissen zur Seeligkeit/ und zu eröffnen den freyen Weg und Hintritt zum Himmel: Gesetze und Gebohte anzuordnen/ mit dem Geistlichen Bann-Donner/ und andern Kirchen-Straffen zu züchtigen/ den Ablaß der Sünden zu ertheilen/ die GOtt versprochene Gelübden aufzuheben/ von den GOtt geleisteten Eyd-schwüren loß zusprechen/ alle für fallen de Glaubens- und Sitten-Zweifflen unwiedersprechlicher Weise zu schlichten: die Concilia oder Kirchen-Versammlungen zu bestimmen und aufzufordern sc. Ist diß nicht eine gewaltige Freyheit und Vollmacht zu lösen und zu binden? Aber worauf ist sie gegründet? Nemlich auf Spingeweb so die Pfaffen und Päbste in ihrem Hirn haben angespunnen ohne eintzigen Grund des Göttlichen Worts: dann die Gewalt zu lösen und zu bindenbey Petro / wie auch andern Aposteln ins gemein (denen Christus eben dieselbige Gewalt ertheilet hat Matth. 18. v. 8.) erstreckte sich nicht weiter als auf das Predig-Ampt/ wie sich dann Christus fein deutlich erklärt Joh. 20. v. 21. da er spricht: Gleich wie mich der Vatter gesandt hat/ so sende ich euch: Nehmet hin den Heil. Geist: welchen ihr die Sünde erlasset/ denen seynd sie erlassen/ und welchen ihr sie behaltet/ denen seynd sie behalten. Und Marc. 16. v. 15. Gehet hin und prediget das Evangelium/ wer da gläubet / der wird seelig werden: Allwo ja Christus klar genug anzeiget/ daß die Auflösung der Sünden nur bestehe in dem Predig-Ampt/ bey denen/ so das Wort GOttes mit gläubigen Hertzen annehmen zu ihrer Rechtfertigung und Bekehrung vom sündhafftigen Wandel/ und folgens von den Stricken und Fesselen ihrer Sünden werden abgelöset: hingegen aber die Bindung und Vorbehaltung der Sünden nur Platz habe den denen bey welchen die Predigt des Evangelii nicht früchten und anschlagen will/ und sie also wegen des Unglaubens in den Stricken des Satans kleben bleiben: Drum dann solchen Unbußfertigen nur billig der Zorn und die Ungnade GOttes wird verkündiget/ und ihnen ihre Boßheit unaufgelöset vorbehalten. In diesem bestehet/ gemäß dem Göttlichen Wort/ die gantze Lösung und Vorbehaltung der Sünden/ und was neben diesem die Päbst oder Pfaffen tichten/ solches ist nur Verwirrung der Seelen/ und ein Tyrannisch Joch des Antichristen.

II. Es werden aber die Menschen abgeschreckt/ und zurück gehalten von der Freyheit zu sündigen/ wann etliche gewisse Sünden werden vorbehalten/ und sie wissen daß sie von solchen nicht können entlediget und loßgesprochen werden/ es seye dann Sache/ daß sie sich für dem Bischoff selbsten/ oder dem Praelaten und Geistlichen Vorsteher verschämen und verschimpffen müssen/ und ihnen ihre begangene Sünde entdecken. Also urtheilet hiervon Adamus Busenbaum de reservat. cas. dub. 4.

Antwort. Ein Sünder/ den weder GOtt mit seinem Gebott/ noch Teuffel/ noch Höll/ noch auch das Weltliche Hals-Gericht/ Schwerdt/ Bänd und Eisen von der Boßheit abschrecken / wird sich ja wenig um diese Vorbehaltung der Sünden bekümmeren: aber darzu nutzet nur solche Vorbehaltung/ daß ein Sünder/ wann er einen Stachel und Antrieb empfindet sich zu GOtt zu kehren/ von der Buß und Beicht werde abgeschrecket: dann manchem ehrliebenden Menschen würde erträglicher seyen/ daß er mit einer Pistolen erschossen würde/ als daß er seiner

gäntzliche Vollmacht Sünde zu vergeben/ die Buß für begangene Sünde auszulegen/ aus dem Weg zu räumen alle Hindernissen zur Seeligkeit/ und zu eröffnen den freyen Weg und Hintritt zum Himmel: Gesetze und Gebohte anzuordnen/ mit dem Geistlichen Bann-Donner/ und andern Kirchen-Straffen zu züchtigen/ den Ablaß der Sünden zu ertheilen/ die GOtt versprochene Gelübden aufzuheben/ von den GOtt geleisteten Eyd-schwüren loß zusprechen/ alle für fallen de Glaubens- und Sitten-Zweifflen unwiedersprechlicher Weise zu schlichten: die Concilia oder Kirchen-Versam̃lungen zu bestimmen und aufzufordern sc. Ist diß nicht eine gewaltige Freyheit und Vollmacht zu lösen und zu binden? Aber worauf ist sie gegründet? Nemlich auf Spingeweb so die Pfaffen und Päbste in ihrem Hirn haben angespunnen ohne eintzigen Grund des Göttlichen Worts: dann die Gewalt zu lösen und zu bindenbey Petro / wie auch andern Aposteln ins gemein (denen Christus eben dieselbige Gewalt ertheilet hat Matth. 18. v. 8.) erstreckte sich nicht weiter als auf das Predig-Ampt/ wie sich dann Christus fein deutlich erklärt Joh. 20. v. 21. da er spricht: Gleich wie mich der Vatter gesandt hat/ so sende ich euch: Nehmet hin den Heil. Geist: welchen ihr die Sünde erlasset/ denen seynd sie erlassen/ und welchen ihr sie behaltet/ denen seynd sie behalten. Und Marc. 16. v. 15. Gehet hin und prediget das Evangelium/ wer da gläubet / der wird seelig werden: Allwo ja Christus klar genug anzeiget/ daß die Auflösung der Sünden nur bestehe in dem Predig-Ampt/ bey denen/ so das Wort GOttes mit gläubigen Hertzen annehmen zu ihrer Rechtfertigung und Bekehrung vom sündhafftigen Wandel/ und folgens von den Stricken und Fesselen ihrer Sünden werden abgelöset: hingegen aber die Bindung und Vorbehaltung der Sünden nur Platz habe den denen bey welchen die Predigt des Evangelii nicht früchten und anschlagen will/ und sie also wegen des Unglaubens in den Stricken des Satans kleben bleiben: Drum dann solchen Unbußfertigen nur billig der Zorn und die Ungnade GOttes wird verkündiget/ und ihnen ihre Boßheit unaufgelöset vorbehalten. In diesem bestehet/ gemäß dem Göttlichen Wort/ die gantze Lösung und Vorbehaltung der Sünden/ und was neben diesem die Päbst oder Pfaffen tichten/ solches ist nur Verwirrung der Seelen/ und ein Tyrannisch Joch des Antichristen.

II. Es werden aber die Menschen abgeschreckt/ und zurück gehalten von der Freyheit zu sündigen/ wann etliche gewisse Sünden werden vorbehalten/ und sie wissen daß sie von solchen nicht können entlediget und loßgesprochen werden/ es seye dann Sache/ daß sie sich für dem Bischoff selbsten/ oder dem Praelaten und Geistlichen Vorsteher verschämen und verschimpffen müssen/ und ihnen ihre begangene Sünde entdecken. Also urtheilet hiervon Adamus Busenbaum de reservat. cas. dub. 4.

Antwort. Ein Sünder/ den weder GOtt mit seinem Gebott/ noch Teuffel/ noch Höll/ noch auch das Weltliche Hals-Gericht/ Schwerdt/ Bänd und Eisen von der Boßheit abschrecken / wird sich ja wenig um diese Vorbehaltung der Sünden bekümmeren: aber darzu nutzet nur solche Vorbehaltung/ daß ein Sünder/ wann er einen Stachel und Antrieb empfindet sich zu GOtt zu kehren/ von der Buß und Beicht werde abgeschrecket: dann manchem ehrliebenden Menschen würde erträglicher seyen/ daß er mit einer Pistolen erschossen würde/ als daß er seiner

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[43/0343] gäntzliche Vollmacht Sünde zu vergeben/ die Buß für begangene Sünde auszulegen/ aus dem Weg zu räumen alle Hindernissen zur Seeligkeit/ und zu eröffnen den freyen Weg und Hintritt zum Himmel: Gesetze und Gebohte anzuordnen/ mit dem Geistlichen Bann-Donner/ und andern Kirchen-Straffen zu züchtigen/ den Ablaß der Sünden zu ertheilen/ die GOtt versprochene Gelübden aufzuheben/ von den GOtt geleisteten Eyd-schwüren loß zusprechen/ alle für fallen de Glaubens- und Sitten-Zweifflen unwiedersprechlicher Weise zu schlichten: die Concilia oder Kirchen-Versam̃lungen zu bestimmen und aufzufordern sc. Ist diß nicht eine gewaltige Freyheit und Vollmacht zu lösen und zu binden? Aber worauf ist sie gegründet? Nemlich auf Spingeweb so die Pfaffen und Päbste in ihrem Hirn haben angespunnen ohne eintzigen Grund des Göttlichen Worts: dann die Gewalt zu lösen und zu bindenbey Petro / wie auch andern Aposteln ins gemein (denen Christus eben dieselbige Gewalt ertheilet hat Matth. 18. v. 8.) erstreckte sich nicht weiter als auf das Predig-Ampt/ wie sich dann Christus fein deutlich erklärt Joh. 20. v. 21. da er spricht: Gleich wie mich der Vatter gesandt hat/ so sende ich euch: Nehmet hin den Heil. Geist: welchen ihr die Sünde erlasset/ denen seynd sie erlassen/ und welchen ihr sie behaltet/ denen seynd sie behalten. Und Marc. 16. v. 15. Gehet hin und prediget das Evangelium/ wer da gläubet / der wird seelig werden: Allwo ja Christus klar genug anzeiget/ daß die Auflösung der Sünden nur bestehe in dem Predig-Ampt/ bey denen/ so das Wort GOttes mit gläubigen Hertzen annehmen zu ihrer Rechtfertigung und Bekehrung vom sündhafftigen Wandel/ und folgens von den Stricken und Fesselen ihrer Sünden werden abgelöset: hingegen aber die Bindung und Vorbehaltung der Sünden nur Platz habe den denen bey welchen die Predigt des Evangelii nicht früchten und anschlagen will/ und sie also wegen des Unglaubens in den Stricken des Satans kleben bleiben: Drum dann solchen Unbußfertigen nur billig der Zorn und die Ungnade GOttes wird verkündiget/ und ihnen ihre Boßheit unaufgelöset vorbehalten. In diesem bestehet/ gemäß dem Göttlichen Wort/ die gantze Lösung und Vorbehaltung der Sünden/ und was neben diesem die Päbst oder Pfaffen tichten/ solches ist nur Verwirrung der Seelen/ und ein Tyrannisch Joch des Antichristen. II. Es werden aber die Menschen abgeschreckt/ und zurück gehalten von der Freyheit zu sündigen/ wann etliche gewisse Sünden werden vorbehalten/ und sie wissen daß sie von solchen nicht können entlediget und loßgesprochen werden/ es seye dann Sache/ daß sie sich für dem Bischoff selbsten/ oder dem Praelaten und Geistlichen Vorsteher verschämen und verschimpffen müssen/ und ihnen ihre begangene Sünde entdecken. Also urtheilet hiervon Adamus Busenbaum de reservat. cas. dub. 4. Antwort. Ein Sünder/ den weder GOtt mit seinem Gebott/ noch Teuffel/ noch Höll/ noch auch das Weltliche Hals-Gericht/ Schwerdt/ Bänd und Eisen von der Boßheit abschrecken / wird sich ja wenig um diese Vorbehaltung der Sünden bekümmeren: aber darzu nutzet nur solche Vorbehaltung/ daß ein Sünder/ wann er einen Stachel und Antrieb empfindet sich zu GOtt zu kehren/ von der Buß und Beicht werde abgeschrecket: dann manchem ehrliebenden Menschen würde erträglicher seyen/ daß er mit einer Pistolen erschossen würde/ als daß er seiner

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Zitationshilfe: Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/343>, abgerufen am 23.11.2024.