Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.sie die Seeligkeit und himmlische glori durch ein bequemes Mittel/ oder im hohen Grad verdienen wolten/ auch tantzen müsten: wie die Papisten ihre Menschen-Satzungen für nohtwendige/ oder zur Seeligkeit auf besondere Weise verdienstliche und ersprießliche Mittel ausgeben/ und lauter Glaubens-articulen daraus drechslen wollen. V. Judith. hat mit fasten und Wittfräulicher Keuschheit verdienet gelobt zu werden Judith. 15. v. II. die Rechabiten seyn gepriesen worden weilen sie sich des Weins enthalten Jer. 35. v. 18. Anna die Tochter Phanuels wurde gelobet wegen ihres fastens und steten Gebets im Tempel Luc. 2. v. 37. Magdalena wegen der Zähren/ küssen und salbungen der Füß Christi. Luc. 7. v. 44. die Juden wegen der abgehauenen Zweigen/ und auf den Weg ausgespreiteten Kleider und Lobs Christi Matth. 21. v. 16. und waren doch diese lauter selbst-erwehlte/ und keines weges von GOtt angeordnete und befohlene Gottes-Dienste. Antwort. Judith ist gelobt worden daß sie eheliche Keuschheit geliebet hat/ und keines Mannes als des ihrigen schuldig worden ist: Vnd diß war kein selbst erwehlter Gottes-Dienst: sondern ein Befehl Gottes/ welcher alle Ehe-Frauen betrifft. Das aber der blosse Witwen-Stand für sich ein GOtt angenehmer Dienst seyn solle/ davon meldet der text nicht das geringste. Die Rechabiten haben in der enthaltung vom wein-trincken keine besondere Krafft und Wirckung gesetzet die Gnade Gottes dardurch zu verdienen: sondern selbiger sich nur bedienet als eines Mittels die Gefahr der Trunckenheit/ und der daraus entstehenden Sünden zu meiden. Das Anna im Tempel gefastet und gebehten hat/ daran hat sie wohlgethan: und ist fasten und behten löblich/ rühret auch her von der Anordnung Gottes/ wanns nur geziemender Weise ohne irrige Meinung eines an sich der Göttlichen Gnaden verdienstlichen wercks/ oder ohne Päpstischen gewissens. Zwang mit Verletzung der Christlichen Freyheit fürgenommen wird. Magdalena hat das Küssen und Salben der Füß Christi nicht gebraucht als ein besonders oder nohtwendiges Mittel zur Rechtfertigung und der Gnaden Gottes: sondern nur als ein Anzeigen ihrer inbrünstigen Liebe: die Rechtfertigung aber für GOtt eintzig erhalten durch den Glauben. Die Juden Matth. 21. haben bey ihren abgehauenen Palmzweigen nicht einen solchen Aberglauben verübet/ noch ihnen einige Krafft die Unholden/ Gespenster/ Poldergeister/ und Ungewitter zu verjagen / oder einige Wirckung zur Vergebung der Sünden beygemessen/ wie die Papisten ihren am Palm-Sontag oder Mariae Himmelfahrt geweyheten Zweigen und Kräuteren andichten: sondern sie haben, selbige nur als ein Mittel-Ding zur Bezeugung ihrer Ehr-erbietsamkeit dem HErrn Christo untergespreitet. Ist also annoch kein eintziger wahrer Gottes-Dienst/ oder ein auf besondere Weise kräfftiges. Mittel zur Seeligkeit/ oder ein solches Werck so ohne Sünde und Ungnade Gottes nicht könne unterlassen werden/ anzutreffen ohne austrücklichem Befehl Gottes. VI. Kan doch die Evangelische Obrigkeit gewisse Buß- und Fast-Tage bestimmen; obschon solche in Gottes Wort nirgend bestimmet und befohlen seyn: welchem Befehl doch die Unterthanen unter Verbindung einer Sünd müssen nachleben: Dann wie S. Paulus spricht Rom. 13. v. I. eine jegliche Seele seye Unterthan der Obrigkeit. Item. v. 5. seyd unterthan nicht allein um der Straffe willen/ sondern auch um des Gewissens Willen: Warum solte dann auch der Pabst/ oder die Päbstische Kirche nicht Macht haben/ ihre Unterthanen zu gewissen Fest- und Fast-Tagen/ zur enthaltung von gewissen Speisen/ anhörung der Meß auf Sonn/ und Feyertagen sc. Unter Verbindung einer Sünde anzuhalten? sie die Seeligkeit und himmlische glori durch ein bequemes Mittel/ oder im hohen Grad verdienen wolten/ auch tantzen müsten: wie die Papisten ihre Menschen-Satzungen für nohtwendige/ oder zur Seeligkeit auf besondere Weise verdienstliche und ersprießliche Mittel ausgeben/ und lauter Glaubens-articulen daraus drechslen wollen. V. Judith. hat mit fasten und Wittfräulicher Keuschheit verdienet gelobt zu werden Judith. 15. v. II. die Rechabiten seyn gepriesen worden weilen sie sich des Weins enthalten Jer. 35. v. 18. Anna die Tochter Phanuels wurde gelobet wegen ihres fastens und steten Gebets im Tempel Luc. 2. v. 37. Magdalena wegen der Zähren/ küssen und salbungen der Füß Christi. Luc. 7. v. 44. die Juden wegen der abgehauenen Zweigen/ und auf den Weg ausgespreiteten Kleider und Lobs Christi Matth. 21. v. 16. und waren doch diese lauter selbst-erwehlte/ und keines weges von GOtt angeordnete und befohlene Gottes-Dienste. Antwort. Judith ist gelobt worden daß sie eheliche Keuschheit geliebet hat/ und keines Mannes als des ihrigen schuldig worden ist: Vnd diß war kein selbst erwehlter Gottes-Dienst: sondern ein Befehl Gottes/ welcher alle Ehe-Frauen betrifft. Das aber der blosse Witwen-Stand für sich ein GOtt angenehmer Dienst seyn solle/ davon meldet der text nicht das geringste. Die Rechabiten haben in der enthaltung vom wein-trincken keine besondere Krafft und Wirckung gesetzet die Gnade Gottes dardurch zu verdienen: sondern selbiger sich nur bedienet als eines Mittels die Gefahr der Trunckenheit/ und der daraus entstehenden Sünden zu meiden. Das Anna im Tempel gefastet und gebehten hat/ daran hat sie wohlgethan: und ist fasten und behten löblich/ rühret auch her von der Anordnung Gottes/ wanns nur geziemender Weise ohne irrige Meinung eines an sich der Göttlichen Gnaden verdienstlichen wercks/ oder ohne Päpstischen gewissens. Zwang mit Verletzung der Christlichen Freyheit fürgenommen wird. Magdalena hat das Küssen und Salben der Füß Christi nicht gebraucht als ein besonders oder nohtwendiges Mittel zur Rechtfertigung und der Gnaden Gottes: sondern nur als ein Anzeigen ihrer inbrünstigen Liebe: die Rechtfertigung aber für GOtt eintzig erhalten durch den Glauben. Die Juden Matth. 21. haben bey ihren abgehauenen Palmzweigen nicht einen solchen Aberglauben verübet/ noch ihnen einige Krafft die Unholden/ Gespenster/ Poldergeister/ und Ungewitter zu verjagen / oder einige Wirckung zur Vergebung der Sünden beygemessen/ wie die Papisten ihren am Palm-Sontag oder Mariae Himmelfahrt geweyheten Zweigen und Kräuteren andichten: sondern sie haben, selbige nur als ein Mittel-Ding zur Bezeugung ihrer Ehr-erbietsamkeit dem HErrn Christo untergespreitet. Ist also annoch kein eintziger wahrer Gottes-Dienst/ oder ein auf besondere Weise kräfftiges. Mittel zur Seeligkeit/ oder ein solches Werck so ohne Sünde und Ungnade Gottes nicht könne unterlassen werden/ anzutreffen ohne austrücklichem Befehl Gottes. VI. Kan doch die Evangelische Obrigkeit gewisse Buß- und Fast-Tage bestimmen; obschon solche in Gottes Wort nirgend bestimmet und befohlen seyn: welchem Befehl doch die Unterthanen unter Verbindung einer Sünd müssen nachleben: Dann wie S. Paulus spricht Rom. 13. v. I. eine jegliche Seele seye Unterthan der Obrigkeit. Item. v. 5. seyd unterthan nicht allein um der Straffe willen/ sondern auch um des Gewissens Willen: Warum solte dann auch der Pabst/ oder die Päbstische Kirche nicht Macht haben/ ihre Unterthanen zu gewissen Fest- und Fast-Tagen/ zur enthaltung von gewissen Speisen/ anhörung der Meß auf Sonn/ und Feyertagen sc. Unter Verbindung einer Sünde anzuhalten? <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0236" n="216"/> sie die Seeligkeit und himmlische glori durch ein bequemes Mittel/ oder im hohen Grad verdienen wolten/ auch tantzen müsten: wie die Papisten ihre Menschen-Satzungen für nohtwendige/ oder zur Seeligkeit auf besondere Weise verdienstliche und ersprießliche Mittel ausgeben/ und lauter Glaubens-articulen daraus drechslen wollen.</p> <p>V. Judith. hat mit fasten und Wittfräulicher Keuschheit verdienet gelobt zu werden Judith. 15. v. II. die Rechabiten seyn gepriesen worden weilen sie sich des Weins enthalten Jer. 35. v. 18. Anna die Tochter Phanuels wurde gelobet wegen ihres fastens und steten Gebets im Tempel Luc. 2. v. 37. Magdalena wegen der Zähren/ küssen und salbungen der Füß Christi. Luc. 7. v. 44. die Juden wegen der abgehauenen Zweigen/ und auf den Weg ausgespreiteten Kleider und Lobs Christi Matth. 21. v. 16. und waren doch diese lauter selbst-erwehlte/ und keines weges von GOtt angeordnete und befohlene Gottes-Dienste.</p> <p>Antwort. Judith ist gelobt worden daß sie eheliche Keuschheit geliebet hat/ und keines Mannes als des ihrigen schuldig worden ist: Vnd diß war kein selbst erwehlter Gottes-Dienst: sondern ein Befehl Gottes/ welcher alle Ehe-Frauen betrifft. Das aber der blosse Witwen-Stand für sich ein GOtt angenehmer Dienst seyn solle/ davon meldet der text nicht das geringste. Die Rechabiten haben in der enthaltung vom wein-trincken keine besondere Krafft und Wirckung gesetzet die Gnade Gottes dardurch zu verdienen: sondern selbiger sich nur bedienet als eines Mittels die Gefahr der Trunckenheit/ und der daraus entstehenden Sünden zu meiden. Das Anna im Tempel gefastet und gebehten hat/ daran hat sie wohlgethan: und ist fasten und behten löblich/ rühret auch her von der Anordnung Gottes/ wanns nur geziemender Weise ohne irrige Meinung eines an sich der Göttlichen Gnaden verdienstlichen wercks/ oder ohne Päpstischen gewissens. Zwang mit Verletzung der Christlichen Freyheit fürgenommen wird. Magdalena hat das Küssen und Salben der Füß Christi nicht gebraucht als ein besonders oder nohtwendiges Mittel zur Rechtfertigung und der Gnaden Gottes: sondern nur als ein Anzeigen ihrer inbrünstigen Liebe: die Rechtfertigung aber für GOtt eintzig erhalten durch den Glauben. Die Juden Matth. 21. haben bey ihren abgehauenen Palmzweigen nicht einen solchen Aberglauben verübet/ noch ihnen einige Krafft die Unholden/ Gespenster/ Poldergeister/ und Ungewitter zu verjagen / oder einige Wirckung zur Vergebung der Sünden beygemessen/ wie die Papisten ihren am Palm-Sontag oder Mariae Himmelfahrt geweyheten Zweigen und Kräuteren andichten: sondern sie haben, selbige nur als ein Mittel-Ding zur Bezeugung ihrer Ehr-erbietsamkeit dem HErrn Christo untergespreitet. Ist also annoch kein eintziger wahrer Gottes-Dienst/ oder ein auf besondere Weise kräfftiges. Mittel zur Seeligkeit/ oder ein solches Werck so ohne Sünde und Ungnade Gottes nicht könne unterlassen werden/ anzutreffen ohne austrücklichem Befehl Gottes.</p> <p>VI. Kan doch die Evangelische Obrigkeit gewisse Buß- und Fast-Tage bestimmen; obschon solche in Gottes Wort nirgend bestimmet und befohlen seyn: welchem Befehl doch die Unterthanen unter Verbindung einer Sünd müssen nachleben: Dann wie S. Paulus spricht Rom. 13. v. I. eine jegliche Seele seye Unterthan der Obrigkeit. Item. v. 5. seyd unterthan nicht allein um der Straffe willen/ sondern auch um des Gewissens Willen: Warum solte dann auch der Pabst/ oder die Päbstische Kirche nicht Macht haben/ ihre Unterthanen zu gewissen Fest- und Fast-Tagen/ zur enthaltung von gewissen Speisen/ anhörung der Meß auf Sonn/ und Feyertagen sc. Unter Verbindung einer Sünde anzuhalten?</p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0236]
sie die Seeligkeit und himmlische glori durch ein bequemes Mittel/ oder im hohen Grad verdienen wolten/ auch tantzen müsten: wie die Papisten ihre Menschen-Satzungen für nohtwendige/ oder zur Seeligkeit auf besondere Weise verdienstliche und ersprießliche Mittel ausgeben/ und lauter Glaubens-articulen daraus drechslen wollen.
V. Judith. hat mit fasten und Wittfräulicher Keuschheit verdienet gelobt zu werden Judith. 15. v. II. die Rechabiten seyn gepriesen worden weilen sie sich des Weins enthalten Jer. 35. v. 18. Anna die Tochter Phanuels wurde gelobet wegen ihres fastens und steten Gebets im Tempel Luc. 2. v. 37. Magdalena wegen der Zähren/ küssen und salbungen der Füß Christi. Luc. 7. v. 44. die Juden wegen der abgehauenen Zweigen/ und auf den Weg ausgespreiteten Kleider und Lobs Christi Matth. 21. v. 16. und waren doch diese lauter selbst-erwehlte/ und keines weges von GOtt angeordnete und befohlene Gottes-Dienste.
Antwort. Judith ist gelobt worden daß sie eheliche Keuschheit geliebet hat/ und keines Mannes als des ihrigen schuldig worden ist: Vnd diß war kein selbst erwehlter Gottes-Dienst: sondern ein Befehl Gottes/ welcher alle Ehe-Frauen betrifft. Das aber der blosse Witwen-Stand für sich ein GOtt angenehmer Dienst seyn solle/ davon meldet der text nicht das geringste. Die Rechabiten haben in der enthaltung vom wein-trincken keine besondere Krafft und Wirckung gesetzet die Gnade Gottes dardurch zu verdienen: sondern selbiger sich nur bedienet als eines Mittels die Gefahr der Trunckenheit/ und der daraus entstehenden Sünden zu meiden. Das Anna im Tempel gefastet und gebehten hat/ daran hat sie wohlgethan: und ist fasten und behten löblich/ rühret auch her von der Anordnung Gottes/ wanns nur geziemender Weise ohne irrige Meinung eines an sich der Göttlichen Gnaden verdienstlichen wercks/ oder ohne Päpstischen gewissens. Zwang mit Verletzung der Christlichen Freyheit fürgenommen wird. Magdalena hat das Küssen und Salben der Füß Christi nicht gebraucht als ein besonders oder nohtwendiges Mittel zur Rechtfertigung und der Gnaden Gottes: sondern nur als ein Anzeigen ihrer inbrünstigen Liebe: die Rechtfertigung aber für GOtt eintzig erhalten durch den Glauben. Die Juden Matth. 21. haben bey ihren abgehauenen Palmzweigen nicht einen solchen Aberglauben verübet/ noch ihnen einige Krafft die Unholden/ Gespenster/ Poldergeister/ und Ungewitter zu verjagen / oder einige Wirckung zur Vergebung der Sünden beygemessen/ wie die Papisten ihren am Palm-Sontag oder Mariae Himmelfahrt geweyheten Zweigen und Kräuteren andichten: sondern sie haben, selbige nur als ein Mittel-Ding zur Bezeugung ihrer Ehr-erbietsamkeit dem HErrn Christo untergespreitet. Ist also annoch kein eintziger wahrer Gottes-Dienst/ oder ein auf besondere Weise kräfftiges. Mittel zur Seeligkeit/ oder ein solches Werck so ohne Sünde und Ungnade Gottes nicht könne unterlassen werden/ anzutreffen ohne austrücklichem Befehl Gottes.
VI. Kan doch die Evangelische Obrigkeit gewisse Buß- und Fast-Tage bestimmen; obschon solche in Gottes Wort nirgend bestimmet und befohlen seyn: welchem Befehl doch die Unterthanen unter Verbindung einer Sünd müssen nachleben: Dann wie S. Paulus spricht Rom. 13. v. I. eine jegliche Seele seye Unterthan der Obrigkeit. Item. v. 5. seyd unterthan nicht allein um der Straffe willen/ sondern auch um des Gewissens Willen: Warum solte dann auch der Pabst/ oder die Päbstische Kirche nicht Macht haben/ ihre Unterthanen zu gewissen Fest- und Fast-Tagen/ zur enthaltung von gewissen Speisen/ anhörung der Meß auf Sonn/ und Feyertagen sc. Unter Verbindung einer Sünde anzuhalten?
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Zitationshilfe: | Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/236>, abgerufen am 31.07.2024. |