Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.Reichen Testaments/ zu einem Erben dessen Güter eingesetzet seye/ nichts destoweniger aber erkennet er demühtig/ daß er dieselbige Erbschafft nicht verdienet/ sondern aus Gnaden derselbigen theilhafftig werde. XV. Spricht doch S. Paulus: Ich schätze mich selbst noch nicht daß ich ergriffen habe Phil. 3. v. 13. Da sihet man ja daß Paulus selbsten an der Gewißheit seiner Seligkeit gezweiffelt habe. Antwort: Paulus redet daselbsten von der Unvollkommenheit des neuen Gehorsams oder Fortgangs im Christlichen Tugend-Wandel/ nicht aber von der Ungewißheit seiner Seligkeit. Wie aus dem Innhalt des Textes erhellet. XVI. Warum spricht dann S. Paulus: Ich bin mir zwar nichts bewust: aber darinn bin ich nicht gerechtfertiget/ I. Cot. 4. v. 4.? da hat er ja an seiner Rechtfertigung gezweiffelt. Antwort: Paulus redet nicht von der Ungewißheit seiner Rechtfertigung/ sondern von der Gerechtigkeit seiner Wercken/ dadurch er ja nicht gerechtfertiget ist: Sondern ihnen die Rechtfertigung kurtzaus abspricht/ welches wir auch thun/ und sagen/ daß man ja deswegen nicht gerecht werde/ wann man guts thuet/ oder sich nichts Böses bewust ist: Sondern wann man recht glaubet. XVII. Es spricht aber S. Paulus: Ich richte mich selbst nicht I. Cor. 4. v. 3. item v. 5. Richtet nicht vor der Zeit bis der HErr komme. ergo so kan keiner allhier wissen ob er gerecht seye/ bis daß es offenbahr werde an jenem Tage. Antwort: Paulus verwirfft die verkehrte Urtheil etlicher Menschen/ welche das Predig-Ampt der Aposteln verungelimpfften/ und ungegründetes Bedencken trugen von wegen ihrer Treu und Redligkeit in Fürtragung und Ausspendung der Geheimnüsten Gottes. Drum sagt Paulus/ solches Urtheil solle man GOtt heimstellen/ als welcher am besten weiß/ wie unsre Werck für ihm beschaffen. Dis thuet aber gantz und gar nichts gegen die Sicherheit des Glaubens. XVIII. Haben doch auch viele heilige Menschen gezweiffelt/ als Caleb/ da er sprach: Ob vielleicht der HErr mit ihm seyn wolte? Joh. 14. v. 12. Item Moyses sprach: Ich wil hinauf zu dem HErrn/ ob ich vielleicht eure Sünden verlöhnen möge. Exod. 32. v. 30. Warum wollen dann eben die Evangelischen ihre Sachen so gewiß machen? Antwort. An obangezogenen Orten wird nicht geredet von der Menschen Seligkeit: sondern von der äusserlichen Hülff Gottes/ oder von Linderung der zeitlichen Straffen: Und in solchem Sinn redet auch die Schrifft Joel. 2. Jon. 3. 2. Reg. 15. Drum reimet sich dieser Beweiß gar nicht zu unserm Zweck. XIX. Job spricht: Sage ich daß ich gerecht bin/ so verdammet er mich doch/ bin ich dann fromm/ so darffs sich meine Seele nicht annehmen. Job. 9. v. 20. Antwort. Der gantze Verstand dieses Textes weiset aus/ daß Hiob solche Wort geredet/ da die Schwachheit seines Glaubens noch gar blöde und unvermögen war/ und er ihm fälschlich und mit Ungrund einbildete/ GOtt seye hefftig über ihn erzürnet: Da er dann solche kleinmühtige Wort aus Schwachheit seines Fleisches und menschlicher Blödigkeit geführet hat. Ein anders aber ist/ wann man redet von dem völligen Glauben: Dann da kan Reichen Testaments/ zu einem Erben dessen Güter eingesetzet seye/ nichts destoweniger aber erkennet er demühtig/ daß er dieselbige Erbschafft nicht verdienet/ sondern aus Gnaden derselbigen theilhafftig werde. XV. Spricht doch S. Paulus: Ich schätze mich selbst noch nicht daß ich ergriffen habe Phil. 3. v. 13. Da sihet man ja daß Paulus selbsten an der Gewißheit seiner Seligkeit gezweiffelt habe. Antwort: Paulus redet daselbsten von der Unvollkommenheit des neuen Gehorsams oder Fortgangs im Christlichen Tugend-Wandel/ nicht aber von der Ungewißheit seiner Seligkeit. Wie aus dem Innhalt des Textes erhellet. XVI. Warum spricht dann S. Paulus: Ich bin mir zwar nichts bewust: aber darinn bin ich nicht gerechtfertiget/ I. Cot. 4. v. 4.? da hat er ja an seiner Rechtfertigung gezweiffelt. Antwort: Paulus redet nicht von der Ungewißheit seiner Rechtfertigung/ sondern von der Gerechtigkeit seiner Wercken/ dadurch er ja nicht gerechtfertiget ist: Sondern ihnen die Rechtfertigung kurtzaus abspricht/ welches wir auch thun/ und sagen/ daß man ja deswegen nicht gerecht werde/ wann man guts thuet/ oder sich nichts Böses bewust ist: Sondern wann man recht glaubet. XVII. Es spricht aber S. Paulus: Ich richte mich selbst nicht I. Cor. 4. v. 3. item v. 5. Richtet nicht vor der Zeit bis der HErr komme. ergo so kan keiner allhier wissen ob er gerecht seye/ bis daß es offenbahr werde an jenem Tage. Antwort: Paulus verwirfft die verkehrte Urtheil etlicher Menschen/ welche das Predig-Ampt der Aposteln verungelimpfften/ und ungegründetes Bedencken trugen von wegen ihrer Treu und Redligkeit in Fürtragung und Ausspendung der Geheimnüsten Gottes. Drum sagt Paulus/ solches Urtheil solle man GOtt heimstellen/ als welcher am besten weiß/ wie unsre Werck für ihm beschaffen. Dis thuet aber gantz und gar nichts gegen die Sicherheit des Glaubens. XVIII. Haben doch auch viele heilige Menschen gezweiffelt/ als Caleb/ da er sprach: Ob vielleicht der HErr mit ihm seyn wolte? Joh. 14. v. 12. Item Moyses sprach: Ich wil hinauf zu dem HErrn/ ob ich vielleicht eure Sünden verlöhnen möge. Exod. 32. v. 30. Warum wollen dann eben die Evangelischen ihre Sachen so gewiß machen? Antwort. An obangezogenen Orten wird nicht geredet von der Menschen Seligkeit: sondern von der äusserlichen Hülff Gottes/ oder von Linderung der zeitlichen Straffen: Und in solchem Sinn redet auch die Schrifft Joel. 2. Jon. 3. 2. Reg. 15. Drum reimet sich dieser Beweiß gar nicht zu unserm Zweck. XIX. Job spricht: Sage ich daß ich gerecht bin/ so verdammet er mich doch/ bin ich dann fromm/ so darffs sich meine Seele nicht annehmen. Job. 9. v. 20. Antwort. Der gantze Verstand dieses Textes weiset aus/ daß Hiob solche Wort geredet/ da die Schwachheit seines Glaubens noch gar blöde und unvermögen war/ und er ihm fälschlich und mit Ungrund einbildete/ GOtt seye hefftig über ihn erzürnet: Da er dann solche kleinmühtige Wort aus Schwachheit seines Fleisches und menschlicher Blödigkeit geführet hat. Ein anders aber ist/ wann man redet von dem völligen Glauben: Dann da kan <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0218" n="198"/> Reichen Testaments/ zu einem Erben dessen Güter eingesetzet seye/ nichts destoweniger aber erkennet er demühtig/ daß er dieselbige Erbschafft nicht verdienet/ sondern aus Gnaden derselbigen theilhafftig werde.</p> <p>XV. Spricht doch S. Paulus: Ich schätze mich selbst noch nicht daß ich ergriffen habe Phil. 3. v. 13. Da sihet man ja daß Paulus selbsten an der Gewißheit seiner Seligkeit gezweiffelt habe.</p> <p>Antwort: Paulus redet daselbsten von der Unvollkommenheit des neuen Gehorsams oder Fortgangs im Christlichen Tugend-Wandel/ nicht aber von der Ungewißheit seiner Seligkeit. Wie aus dem Innhalt des Textes erhellet.</p> <p>XVI. Warum spricht dann S. Paulus: Ich bin mir zwar nichts bewust: aber darinn bin ich nicht gerechtfertiget/ I. Cot. 4. v. 4.? da hat er ja an seiner Rechtfertigung gezweiffelt.</p> <p>Antwort: Paulus redet nicht von der Ungewißheit seiner Rechtfertigung/ sondern von der Gerechtigkeit seiner Wercken/ dadurch er ja nicht gerechtfertiget ist: Sondern ihnen die Rechtfertigung kurtzaus abspricht/ welches wir auch thun/ und sagen/ daß man ja deswegen nicht gerecht werde/ wann man guts thuet/ oder sich nichts Böses bewust ist: Sondern wann man recht glaubet.</p> <p>XVII. Es spricht aber S. Paulus: Ich richte mich selbst nicht I. Cor. 4. v. 3. item v. 5. Richtet nicht vor der Zeit bis der HErr komme. ergo so kan keiner allhier wissen ob er gerecht seye/ bis daß es offenbahr werde an jenem Tage.</p> <p>Antwort: Paulus verwirfft die verkehrte Urtheil etlicher Menschen/ welche das Predig-Ampt der Aposteln verungelimpfften/ und ungegründetes Bedencken trugen von wegen ihrer Treu und Redligkeit in Fürtragung und Ausspendung der Geheimnüsten Gottes. Drum sagt Paulus/ solches Urtheil solle man GOtt heimstellen/ als welcher am besten weiß/ wie unsre Werck für ihm beschaffen. Dis thuet aber gantz und gar nichts gegen die Sicherheit des Glaubens.</p> <p>XVIII. Haben doch auch viele heilige Menschen gezweiffelt/ als Caleb/ da er sprach: Ob vielleicht der HErr mit ihm seyn wolte? Joh. 14. v. 12. Item Moyses sprach: Ich wil hinauf zu dem HErrn/ ob ich vielleicht eure Sünden verlöhnen möge. Exod. 32. v. 30. Warum wollen dann eben die Evangelischen ihre Sachen so gewiß machen?</p> <p>Antwort. An obangezogenen Orten wird nicht geredet von der Menschen Seligkeit: sondern von der äusserlichen Hülff Gottes/ oder von Linderung der zeitlichen Straffen: Und in solchem Sinn redet auch die Schrifft Joel. 2. Jon. 3. 2. Reg. 15. Drum reimet sich dieser Beweiß gar nicht zu unserm Zweck.</p> <p>XIX. Job spricht: Sage ich daß ich gerecht bin/ so verdammet er mich doch/ bin ich dann fromm/ so darffs sich meine Seele nicht annehmen. Job. 9. v. 20.</p> <p>Antwort. Der gantze Verstand dieses Textes weiset aus/ daß Hiob solche Wort geredet/ da die Schwachheit seines Glaubens noch gar blöde und unvermögen war/ und er ihm fälschlich und mit Ungrund einbildete/ GOtt seye hefftig über ihn erzürnet: Da er dann solche kleinmühtige Wort aus Schwachheit seines Fleisches und menschlicher Blödigkeit geführet hat. 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Reichen Testaments/ zu einem Erben dessen Güter eingesetzet seye/ nichts destoweniger aber erkennet er demühtig/ daß er dieselbige Erbschafft nicht verdienet/ sondern aus Gnaden derselbigen theilhafftig werde.
XV. Spricht doch S. Paulus: Ich schätze mich selbst noch nicht daß ich ergriffen habe Phil. 3. v. 13. Da sihet man ja daß Paulus selbsten an der Gewißheit seiner Seligkeit gezweiffelt habe.
Antwort: Paulus redet daselbsten von der Unvollkommenheit des neuen Gehorsams oder Fortgangs im Christlichen Tugend-Wandel/ nicht aber von der Ungewißheit seiner Seligkeit. Wie aus dem Innhalt des Textes erhellet.
XVI. Warum spricht dann S. Paulus: Ich bin mir zwar nichts bewust: aber darinn bin ich nicht gerechtfertiget/ I. Cot. 4. v. 4.? da hat er ja an seiner Rechtfertigung gezweiffelt.
Antwort: Paulus redet nicht von der Ungewißheit seiner Rechtfertigung/ sondern von der Gerechtigkeit seiner Wercken/ dadurch er ja nicht gerechtfertiget ist: Sondern ihnen die Rechtfertigung kurtzaus abspricht/ welches wir auch thun/ und sagen/ daß man ja deswegen nicht gerecht werde/ wann man guts thuet/ oder sich nichts Böses bewust ist: Sondern wann man recht glaubet.
XVII. Es spricht aber S. Paulus: Ich richte mich selbst nicht I. Cor. 4. v. 3. item v. 5. Richtet nicht vor der Zeit bis der HErr komme. ergo so kan keiner allhier wissen ob er gerecht seye/ bis daß es offenbahr werde an jenem Tage.
Antwort: Paulus verwirfft die verkehrte Urtheil etlicher Menschen/ welche das Predig-Ampt der Aposteln verungelimpfften/ und ungegründetes Bedencken trugen von wegen ihrer Treu und Redligkeit in Fürtragung und Ausspendung der Geheimnüsten Gottes. Drum sagt Paulus/ solches Urtheil solle man GOtt heimstellen/ als welcher am besten weiß/ wie unsre Werck für ihm beschaffen. Dis thuet aber gantz und gar nichts gegen die Sicherheit des Glaubens.
XVIII. Haben doch auch viele heilige Menschen gezweiffelt/ als Caleb/ da er sprach: Ob vielleicht der HErr mit ihm seyn wolte? Joh. 14. v. 12. Item Moyses sprach: Ich wil hinauf zu dem HErrn/ ob ich vielleicht eure Sünden verlöhnen möge. Exod. 32. v. 30. Warum wollen dann eben die Evangelischen ihre Sachen so gewiß machen?
Antwort. An obangezogenen Orten wird nicht geredet von der Menschen Seligkeit: sondern von der äusserlichen Hülff Gottes/ oder von Linderung der zeitlichen Straffen: Und in solchem Sinn redet auch die Schrifft Joel. 2. Jon. 3. 2. Reg. 15. Drum reimet sich dieser Beweiß gar nicht zu unserm Zweck.
XIX. Job spricht: Sage ich daß ich gerecht bin/ so verdammet er mich doch/ bin ich dann fromm/ so darffs sich meine Seele nicht annehmen. Job. 9. v. 20.
Antwort. Der gantze Verstand dieses Textes weiset aus/ daß Hiob solche Wort geredet/ da die Schwachheit seines Glaubens noch gar blöde und unvermögen war/ und er ihm fälschlich und mit Ungrund einbildete/ GOtt seye hefftig über ihn erzürnet: Da er dann solche kleinmühtige Wort aus Schwachheit seines Fleisches und menschlicher Blödigkeit geführet hat. Ein anders aber ist/ wann man redet von dem völligen Glauben: Dann da kan
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Zitationshilfe: | Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/218>, abgerufen am 08.07.2024. |