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Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.

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am ietzt gemelten Ort gleichfals wie in dem vorigen von seinem Predig-Ampt/ und nicht von seiner Bekehrung. Und wan schon die tägliche Erneuerung und Wercke des Geistes solten durch die Wort Pauli gemeinet seyn/ so ginge doch solches nur die Wiedergebohrnen an/ als bey welchen solche Erneuerung täglich soll im Schwang gehen und geübt werden. Bey einem Unwiedergebohrnen aber hat solche Mit-arbeitung in den neuen Wercken des Geistes keinen Platz.

XIX. Wan aber der Mensch unter der Sünden dermassen gefangen gehalten wird/ daß er von und aus sich selbst sich nicht kan bekehren/ mit was Recht kan dan GOtt den Menschen wegen der Sünden anklagen/ und ihn des Ungehorsams beschüldigen/ da er doch nicht hat können gehorsam seyn/ noch sich durch die Bekehrung zu GOtt wenden?

Antwort. Es lehren zwar etliche Papisten mit Suarezio de effect. peccat. daß GOtt als der höchste Ober-Herr aller Creaturen/ wan er nur gebrauchen wolte seine Ober-gewalt/ auch einen gantz Unschüldigen mit ewiger Pein plagen könnte. Dannoch damit wir gelinder reden von der Gütigkeit GOttes als diese Papisten/ so hat GOtt keinen Gefallen an dem Verderben des Menschen: sondern es ist zu vermuhten/ daß GOtt alle zum Gebrauch ihrer Vernunfft erwachsene Menschen mit Erleuchtung ihres Verstandes und innerlichem Antrieb des Willens zum guten anlocke/ welche Gnade wan sie gebrauchen würden/ sie endlich zur völligen Gerechtfertigung durch den kräfftigen Zug Gottes würden geleitet werden; dannoch wan schon ein Mensch nicht also auch von weiten mit solcher Gnade von Gott solte gezogen werden / und folgens er kein Vermögen hätte zur Bekehrung und Rechtfertigung/ so hat doch GOtt den Menschen also erschaffen/ daß er vermögt gehabt und es in seinem Vermögen gestanden ist fromm zu bleiben/ und im guten durch den Gehorsam zu verharren/ oder durch den Ungehorsam vom Gebot GOttes abzuweichen: also/ daß Adam sich eben so wohl für der Sünde hätte hüten können wan er gewolt/ als daß er darein verwilliget und gefallen ist. So bald er aber Gottes Gebot übertreten/ so ist der Mensch auch zumahl in Verlust des freyen mit der Gnade GOttes begleiteten Willens gerahten/ und hat dis Kleynod verspielet: nicht zwar als ob der Mensch keinen Verstand/ Willen/ und Kräfften mehr hätte: sondern es ist die Freyheit des menschlichen Willens zum Guten zumahl mit der anerschaffenen Gerechtigkeit verderbt und jämmerlich verlohren worden. Uber diesen Verlust nun und Verderbung/ so von Adam her von Natur auf alle Menschen ererbet/ ist GOttes Zorn ergrimmet/ und klaget den Menschen billig darum an; dan GOtt hat dem Menschen dis Kleynod und sein eigenes Bild anerschaffen und vertrauet/ so hat ers ja billig als ein anvertrauetes Gut von dem Menschen wieder zu forderen/ und ihn wegen seiner liederlichen Verwahrlosigkeit scharff anzusehen/ ob es schon der Mensch verlohren hat/ und folgens aus eigenen Kräfften kein Vermögen hat sich zur Rechtfertigung und Versöhnung mit GOtt einzurichten.

Das elffte Capitel.

Von der Gnade GOttes.

Und Rechtfertigung des Menschen.

NEben der Gnade/ wodurch GOtt einen Sünder zur Besserung anreitzet/ ihn erleuchtet / und ans Hertze anklopffet/ tichten die Papisten eine ande-

am ietzt gemelten Ort gleichfals wie in dem vorigen von seinem Predig-Ampt/ und nicht von seiner Bekehrung. Und wan schon die tägliche Erneuerung und Wercke des Geistes solten durch die Wort Pauli gemeinet seyn/ so ginge doch solches nur die Wiedergebohrnen an/ als bey welchen solche Erneuerung täglich soll im Schwang gehen und geübt werden. Bey einem Unwiedergebohrnen aber hat solche Mit-arbeitung in den neuen Wercken des Geistes keinen Platz.

XIX. Wan aber der Mensch unter der Sünden dermassen gefangen gehalten wird/ daß er von und aus sich selbst sich nicht kan bekehren/ mit was Recht kan dan GOtt den Menschen wegen der Sünden anklagen/ und ihn des Ungehorsams beschüldigen/ da er doch nicht hat können gehorsam seyn/ noch sich durch die Bekehrung zu GOtt wenden?

Antwort. Es lehren zwar etliche Papisten mit Suarezio de effect. peccat. daß GOtt als der höchste Ober-Herr aller Creaturen/ wan er nur gebrauchen wolte seine Ober-gewalt/ auch einen gantz Unschüldigen mit ewiger Pein plagen könnte. Dannoch damit wir gelinder reden von der Gütigkeit GOttes als diese Papisten/ so hat GOtt keinen Gefallen an dem Verderben des Menschen: sondern es ist zu vermuhten/ daß GOtt alle zum Gebrauch ihrer Vernunfft erwachsene Menschen mit Erleuchtung ihres Verstandes und innerlichem Antrieb des Willens zum guten anlocke/ welche Gnade wan sie gebrauchen würden/ sie endlich zur völligen Gerechtfertigung durch den kräfftigen Zug Gottes würden geleitet werden; dannoch wan schon ein Mensch nicht also auch von weiten mit solcher Gnade von Gott solte gezogen werden / und folgens er kein Vermögen hätte zur Bekehrung und Rechtfertigung/ so hat doch GOtt den Menschen also erschaffen/ daß er vermögt gehabt und es in seinem Vermögen gestanden ist fromm zu bleiben/ und im guten durch den Gehorsam zu verharren/ oder durch den Ungehorsam vom Gebot GOttes abzuweichen: also/ daß Adam sich eben so wohl für der Sünde hätte hüten können wan er gewolt/ als daß er darein verwilliget und gefallen ist. So bald er aber Gottes Gebot übertreten/ so ist der Mensch auch zumahl in Verlust des freyen mit der Gnade GOttes begleiteten Willens gerahten/ und hat dis Kleynod verspielet: nicht zwar als ob der Mensch keinen Verstand/ Willen/ und Kräfften mehr hätte: sondern es ist die Freyheit des menschlichen Willens zum Guten zumahl mit der anerschaffenen Gerechtigkeit verderbt und jämmerlich verlohren worden. Uber diesen Verlust nun und Verderbung/ so von Adam her von Natur auf alle Menschen ererbet/ ist GOttes Zorn ergrimmet/ und klaget den Menschen billig darum an; dan GOtt hat dem Menschen dis Kleynod und sein eigenes Bild anerschaffen und vertrauet/ so hat ers ja billig als ein anvertrauetes Gut von dem Menschen wieder zu forderen/ und ihn wegen seiner liederlichen Verwahrlosigkeit scharff anzusehen/ ob es schon der Mensch verlohren hat/ und folgens aus eigenen Kräfften kein Vermögen hat sich zur Rechtfertigung und Versöhnung mit GOtt einzurichten.

Das elffte Capitel.

Von der Gnade GOttes.

Und Rechtfertigung des Menschen.

NEben der Gnade/ wodurch GOtt einen Sünder zur Besserung anreitzet/ ihn erleuchtet / und ans Hertze anklopffet/ tichten die Papisten eine ande-

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[143/0163] am ietzt gemelten Ort gleichfals wie in dem vorigen von seinem Predig-Ampt/ und nicht von seiner Bekehrung. Und wan schon die tägliche Erneuerung und Wercke des Geistes solten durch die Wort Pauli gemeinet seyn/ so ginge doch solches nur die Wiedergebohrnen an/ als bey welchen solche Erneuerung täglich soll im Schwang gehen und geübt werden. Bey einem Unwiedergebohrnen aber hat solche Mit-arbeitung in den neuen Wercken des Geistes keinen Platz. XIX. Wan aber der Mensch unter der Sünden dermassen gefangen gehalten wird/ daß er von und aus sich selbst sich nicht kan bekehren/ mit was Recht kan dan GOtt den Menschen wegen der Sünden anklagen/ und ihn des Ungehorsams beschüldigen/ da er doch nicht hat können gehorsam seyn/ noch sich durch die Bekehrung zu GOtt wenden? Antwort. Es lehren zwar etliche Papisten mit Suarezio de effect. peccat. daß GOtt als der höchste Ober-Herr aller Creaturen/ wan er nur gebrauchen wolte seine Ober-gewalt/ auch einen gantz Unschüldigen mit ewiger Pein plagen könnte. Dannoch damit wir gelinder reden von der Gütigkeit GOttes als diese Papisten/ so hat GOtt keinen Gefallen an dem Verderben des Menschen: sondern es ist zu vermuhten/ daß GOtt alle zum Gebrauch ihrer Vernunfft erwachsene Menschen mit Erleuchtung ihres Verstandes und innerlichem Antrieb des Willens zum guten anlocke/ welche Gnade wan sie gebrauchen würden/ sie endlich zur völligen Gerechtfertigung durch den kräfftigen Zug Gottes würden geleitet werden; dannoch wan schon ein Mensch nicht also auch von weiten mit solcher Gnade von Gott solte gezogen werden / und folgens er kein Vermögen hätte zur Bekehrung und Rechtfertigung/ so hat doch GOtt den Menschen also erschaffen/ daß er vermögt gehabt und es in seinem Vermögen gestanden ist fromm zu bleiben/ und im guten durch den Gehorsam zu verharren/ oder durch den Ungehorsam vom Gebot GOttes abzuweichen: also/ daß Adam sich eben so wohl für der Sünde hätte hüten können wan er gewolt/ als daß er darein verwilliget und gefallen ist. So bald er aber Gottes Gebot übertreten/ so ist der Mensch auch zumahl in Verlust des freyen mit der Gnade GOttes begleiteten Willens gerahten/ und hat dis Kleynod verspielet: nicht zwar als ob der Mensch keinen Verstand/ Willen/ und Kräfften mehr hätte: sondern es ist die Freyheit des menschlichen Willens zum Guten zumahl mit der anerschaffenen Gerechtigkeit verderbt und jämmerlich verlohren worden. Uber diesen Verlust nun und Verderbung/ so von Adam her von Natur auf alle Menschen ererbet/ ist GOttes Zorn ergrimmet/ und klaget den Menschen billig darum an; dan GOtt hat dem Menschen dis Kleynod und sein eigenes Bild anerschaffen und vertrauet/ so hat ers ja billig als ein anvertrauetes Gut von dem Menschen wieder zu forderen/ und ihn wegen seiner liederlichen Verwahrlosigkeit scharff anzusehen/ ob es schon der Mensch verlohren hat/ und folgens aus eigenen Kräfften kein Vermögen hat sich zur Rechtfertigung und Versöhnung mit GOtt einzurichten. Das elffte Capitel. Von der Gnade GOttes. Und Rechtfertigung des Menschen. NEben der Gnade/ wodurch GOtt einen Sünder zur Besserung anreitzet/ ihn erleuchtet / und ans Hertze anklopffet/ tichten die Papisten eine ande-

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Zitationshilfe: Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/163>, abgerufen am 24.11.2024.