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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Scherben, als durch seine Ausschmückung aus. Was nur die Er-
findungsgabe an Formen und Verzierungen ersinnen, Geschmack und
Ausdauer dabei erreichen konnten, findet man bei dieser Waare ver-
sucht und durchgeführt.*) Eine dem Scherben angepasste Glasur, deren
weiche gelbliche Färbung zwischen derjenigen alten Elfenbeins und
des Rahms schwankt, ist der geeignete Träger dieses Ornaments,
das in feinen Haarrissen (Craquele) der Glasur selbst, in durch-
brochener und Reliefarbeit der Masse, mit der man oft Flechtwerk
nachahmt, vor allem aber in einer reichen, bewundernswerth weichen
und harmonisch gestimmten polychromen Bemalung besteht. Die Bildung
von Haarrissen, bei unserer Kunsttöpferei das Zeichen eines grossen Miss-
verhältnisses zwischen dem geringen Schwinden des Gegenstandes nach
dem Biscuitbrande und einer rasch und stark sich zusammenziehenden
Glasur, wird bei Chinesen und Japanern absichtlich hervorgerufen und
-- wenn gut geleitet, -- viel bewundert. Satsuma-Kracksteingut und alle
Nachahmungen desselben, wie Awata-yaki, Awaji-yaki, Ota-yaki, hat
ein engmaschiges Netz solcher feinen Haarrisse, während bei ältererem
chinesischen Krackporzellan die Maschen und Risse viel weiter und
derber sind.

Die Japaner nennen die krakelierte Thonwaare Hibi-yaki oder
Hibi-de. Sie wenden zu seiner Darstellung Feldspathglasur mit ausge-
laugter Holzasche an, die sie der Glasurmasse beifügen, um dieselbe
leichter schmelzbar zu machen. Die in Gold, Roth und Grün ausge-
führten Verzierungen stellen vorherrschend Blumen dar. Am besten findet
man Chrysanthemum, Päonien und Ahorne, dann Geflügel, Pfauen und
andere Vögel nachgebildet. Räuchertöpfe, Theetöpfe, Näpfe und Schalen,
in neuerer Zeit aber auch Vasen, Urnen und andere grössere Gegen-
stände sind die vorherrschenden Artikel dieser Industrie.

Die Einführung derselben knüpft ebenfalls bei der Expedition nach
Korea an. Im Jahre 1598 brachte Shimadzu Yoshihisa, Daimio von
Satsuma, bei der Rückkehr in sein Land eine grössere Anzahl korea-
nischer Töpfer und deren Familien mit, gab denselben Samurai-Rang
und siedelte sie in Kagoshima und einigen Ortschaften an. Fünf Jahre

*) Das Lichtdruckbild (Tafel XXI) einer Urne aus rahmweissem Steingut von
Kagoshima zeigt den Charakter der Decoration des Satsuma-yaki an einer der
originellsten Formen, welche Japan China entlehnt hat und häufig auf Räucher-
becken anwendet, in solchem Fall aber in Metall ausführt. Besonders auffällig
sind die beiden Flügelhenkel mit ihrer Schnirkelverzierung. Das Gefäss ruht auf
drei Füssen und endet oben in eine Botanblüthe (Paeonia Moutan) als Deckel-
knopf. Es wurde mit Gold und Muffelfarben bemalt. Die hervorragendsten
Motive des Ornaments: Blätter und Blüthen von Chrysanthemum und Patrinia
(Kiku-no-hana und Omina-meshi pg. 324), treten uns auf dem Bilde deutlich entgegen.

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Scherben, als durch seine Ausschmückung aus. Was nur die Er-
findungsgabe an Formen und Verzierungen ersinnen, Geschmack und
Ausdauer dabei erreichen konnten, findet man bei dieser Waare ver-
sucht und durchgeführt.*) Eine dem Scherben angepasste Glasur, deren
weiche gelbliche Färbung zwischen derjenigen alten Elfenbeins und
des Rahms schwankt, ist der geeignete Träger dieses Ornaments,
das in feinen Haarrissen (Craquelé) der Glasur selbst, in durch-
brochener und Reliefarbeit der Masse, mit der man oft Flechtwerk
nachahmt, vor allem aber in einer reichen, bewundernswerth weichen
und harmonisch gestimmten polychromen Bemalung besteht. Die Bildung
von Haarrissen, bei unserer Kunsttöpferei das Zeichen eines grossen Miss-
verhältnisses zwischen dem geringen Schwinden des Gegenstandes nach
dem Biscuitbrande und einer rasch und stark sich zusammenziehenden
Glasur, wird bei Chinesen und Japanern absichtlich hervorgerufen und
— wenn gut geleitet, — viel bewundert. Satsuma-Kracksteingut und alle
Nachahmungen desselben, wie Awata-yaki, Awaji-yaki, Ôta-yaki, hat
ein engmaschiges Netz solcher feinen Haarrisse, während bei ältererem
chinesischen Krackporzellan die Maschen und Risse viel weiter und
derber sind.

Die Japaner nennen die krakelierte Thonwaare Hibi-yaki oder
Hibi-de. Sie wenden zu seiner Darstellung Feldspathglasur mit ausge-
laugter Holzasche an, die sie der Glasurmasse beifügen, um dieselbe
leichter schmelzbar zu machen. Die in Gold, Roth und Grün ausge-
führten Verzierungen stellen vorherrschend Blumen dar. Am besten findet
man Chrysanthemum, Päonien und Ahorne, dann Geflügel, Pfauen und
andere Vögel nachgebildet. Räuchertöpfe, Theetöpfe, Näpfe und Schalen,
in neuerer Zeit aber auch Vasen, Urnen und andere grössere Gegen-
stände sind die vorherrschenden Artikel dieser Industrie.

Die Einführung derselben knüpft ebenfalls bei der Expedition nach
Korea an. Im Jahre 1598 brachte Shimadzu Yoshihisa, Daimiô von
Satsuma, bei der Rückkehr in sein Land eine grössere Anzahl korea-
nischer Töpfer und deren Familien mit, gab denselben Samurai-Rang
und siedelte sie in Kagoshima und einigen Ortschaften an. Fünf Jahre

*) Das Lichtdruckbild (Tafel XXI) einer Urne aus rahmweissem Steingut von
Kagoshima zeigt den Charakter der Decoration des Satsuma-yaki an einer der
originellsten Formen, welche Japan China entlehnt hat und häufig auf Räucher-
becken anwendet, in solchem Fall aber in Metall ausführt. Besonders auffällig
sind die beiden Flügelhenkel mit ihrer Schnirkelverzierung. Das Gefäss ruht auf
drei Füssen und endet oben in eine Botanblüthe (Paeonia Moutan) als Deckel-
knopf. Es wurde mit Gold und Muffelfarben bemalt. Die hervorragendsten
Motive des Ornaments: Blätter und Blüthen von Chrysanthemum und Patrinia
(Kiku-no-hana und Omina-meshi pg. 324), treten uns auf dem Bilde deutlich entgegen.
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[566/0620] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. Scherben, als durch seine Ausschmückung aus. Was nur die Er- findungsgabe an Formen und Verzierungen ersinnen, Geschmack und Ausdauer dabei erreichen konnten, findet man bei dieser Waare ver- sucht und durchgeführt. *) Eine dem Scherben angepasste Glasur, deren weiche gelbliche Färbung zwischen derjenigen alten Elfenbeins und des Rahms schwankt, ist der geeignete Träger dieses Ornaments, das in feinen Haarrissen (Craquelé) der Glasur selbst, in durch- brochener und Reliefarbeit der Masse, mit der man oft Flechtwerk nachahmt, vor allem aber in einer reichen, bewundernswerth weichen und harmonisch gestimmten polychromen Bemalung besteht. Die Bildung von Haarrissen, bei unserer Kunsttöpferei das Zeichen eines grossen Miss- verhältnisses zwischen dem geringen Schwinden des Gegenstandes nach dem Biscuitbrande und einer rasch und stark sich zusammenziehenden Glasur, wird bei Chinesen und Japanern absichtlich hervorgerufen und — wenn gut geleitet, — viel bewundert. Satsuma-Kracksteingut und alle Nachahmungen desselben, wie Awata-yaki, Awaji-yaki, Ôta-yaki, hat ein engmaschiges Netz solcher feinen Haarrisse, während bei ältererem chinesischen Krackporzellan die Maschen und Risse viel weiter und derber sind. Die Japaner nennen die krakelierte Thonwaare Hibi-yaki oder Hibi-de. Sie wenden zu seiner Darstellung Feldspathglasur mit ausge- laugter Holzasche an, die sie der Glasurmasse beifügen, um dieselbe leichter schmelzbar zu machen. Die in Gold, Roth und Grün ausge- führten Verzierungen stellen vorherrschend Blumen dar. Am besten findet man Chrysanthemum, Päonien und Ahorne, dann Geflügel, Pfauen und andere Vögel nachgebildet. Räuchertöpfe, Theetöpfe, Näpfe und Schalen, in neuerer Zeit aber auch Vasen, Urnen und andere grössere Gegen- stände sind die vorherrschenden Artikel dieser Industrie. Die Einführung derselben knüpft ebenfalls bei der Expedition nach Korea an. Im Jahre 1598 brachte Shimadzu Yoshihisa, Daimiô von Satsuma, bei der Rückkehr in sein Land eine grössere Anzahl korea- nischer Töpfer und deren Familien mit, gab denselben Samurai-Rang und siedelte sie in Kagoshima und einigen Ortschaften an. Fünf Jahre *) Das Lichtdruckbild (Tafel XXI) einer Urne aus rahmweissem Steingut von Kagoshima zeigt den Charakter der Decoration des Satsuma-yaki an einer der originellsten Formen, welche Japan China entlehnt hat und häufig auf Räucher- becken anwendet, in solchem Fall aber in Metall ausführt. Besonders auffällig sind die beiden Flügelhenkel mit ihrer Schnirkelverzierung. Das Gefäss ruht auf drei Füssen und endet oben in eine Botanblüthe (Paeonia Moutan) als Deckel- knopf. Es wurde mit Gold und Muffelfarben bemalt. Die hervorragendsten Motive des Ornaments: Blätter und Blüthen von Chrysanthemum und Patrinia (Kiku-no-hana und Omina-meshi pg. 324), treten uns auf dem Bilde deutlich entgegen.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/620>, abgerufen am 24.11.2024.