Die feinere Keramik Japans zeigt uns verschiedene höchst inte- ressante Züge. Einmal ist sie nicht gleich der chinesischen auf ein ein- ziges Gebiet beschränkt, sondern hat, der Verbreitung werthvoller und sehr verschiedenartiger Rohmaterialien entsprechend, eine ganze An- zahl Fabrikationscentren, deren jedes durch Eigenthümlichkeiten des Materials und der Erzeugnisse sich auszeichnet. Ferner ist sie in ihren Vorrichtungen und mechanischen Hülfsmitteln wenig und nicht sehr zweckmässig ausgestattet, in ihren Leistungen aber dessenungeachtet erstaunlich entwickelt. Sie liefert ein Eierschalenporzellan von un- übertroffener Feinheit und Reinheit und wiederum Vasen und Blumen- töpfe so gross und stark, dass die grössten europäischen Fabrikate derart wahre Zwerge dagegen sind. In der Steingutfabrikation sind die Leistungen nicht minder gross.
Dennoch kann man wohl im allgemeinen behaupten, dass der japanische Töpfer viel grösseres Gewicht auf die Ausschmückung seiner Waare legt, als auf eine sorgfältige Zubereitung und Gestaltung der Masse. Die Qualität kommt, wie M. Bing mit Recht hervorhebt, erst in zweiter Linie in Betracht. *) Darum wendet der Japaner nicht blos die gewöhnlichen Verzierungsweisen unter und über der Glasur an, sondern hat auch mit Erfolg die Lackmalerei und den Zellenschmelz auf Porzellan und Steingut übertragen. In der polychromen Aus- schmückung seiner Waare zeigt sich vornehmlich seine grössere Leistungs- fähigkeit, ein Sinn für wohlthuende, harmonische Farbenverbindungen, wie er wohl bei keinem andern Volke gleich entwickelt ist. In dieser Beziehung steht sein ehemaliger Lehrmeister, der Chinese, ihm weit nach. Letzterer verfügt in der Porzellanmalerei über glänzendere, lebhaftere Farben; aber er weiss sie heutiges Tags nur selten noch wirksam mit einander zu verbinden. Seine Leistungen sind mit seinem Kunstsinn in den letzten Jahrzehnten, wie auf andern Gebieten, so auch in der Keramik zurückgegangen. Der Japaner dagegen rastete und rostete nicht. Die vielseitige Anregung und Belehrung, welche er während der letzten 15 Jahre auf den internationalen Ausstellungen und durch gebildete Fremde im eigenen Lande empfing, sind auf guten Boden gefallen. Seine Fortschritte, deren schon bei der Metallindustrie ge- dacht wurde, treten uns auch in der Keramik unverkennbar entgegen. Indem ich ihrer gedenke, scheint es mir nicht mehr als billig, auch den Namen Dr. G. Wagener's zu nennen, des Mannes, der als sach- verständiger Rathgeber mehr als irgend ein anderer Fremder in Japan zur Förderung des Kunstgewerbes beitrug. Die Spuren seiner
*) In: L'Art Japonais par L. Gonse. Chapitre IX. La Ceramique Vol. II pg. 242.
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Die feinere Keramik Japans zeigt uns verschiedene höchst inte- ressante Züge. Einmal ist sie nicht gleich der chinesischen auf ein ein- ziges Gebiet beschränkt, sondern hat, der Verbreitung werthvoller und sehr verschiedenartiger Rohmaterialien entsprechend, eine ganze An- zahl Fabrikationscentren, deren jedes durch Eigenthümlichkeiten des Materials und der Erzeugnisse sich auszeichnet. Ferner ist sie in ihren Vorrichtungen und mechanischen Hülfsmitteln wenig und nicht sehr zweckmässig ausgestattet, in ihren Leistungen aber dessenungeachtet erstaunlich entwickelt. Sie liefert ein Eierschalenporzellan von un- übertroffener Feinheit und Reinheit und wiederum Vasen und Blumen- töpfe so gross und stark, dass die grössten europäischen Fabrikate derart wahre Zwerge dagegen sind. In der Steingutfabrikation sind die Leistungen nicht minder gross.
Dennoch kann man wohl im allgemeinen behaupten, dass der japanische Töpfer viel grösseres Gewicht auf die Ausschmückung seiner Waare legt, als auf eine sorgfältige Zubereitung und Gestaltung der Masse. Die Qualität kommt, wie M. Bing mit Recht hervorhebt, erst in zweiter Linie in Betracht. *) Darum wendet der Japaner nicht blos die gewöhnlichen Verzierungsweisen unter und über der Glasur an, sondern hat auch mit Erfolg die Lackmalerei und den Zellenschmelz auf Porzellan und Steingut übertragen. In der polychromen Aus- schmückung seiner Waare zeigt sich vornehmlich seine grössere Leistungs- fähigkeit, ein Sinn für wohlthuende, harmonische Farbenverbindungen, wie er wohl bei keinem andern Volke gleich entwickelt ist. In dieser Beziehung steht sein ehemaliger Lehrmeister, der Chinese, ihm weit nach. Letzterer verfügt in der Porzellanmalerei über glänzendere, lebhaftere Farben; aber er weiss sie heutiges Tags nur selten noch wirksam mit einander zu verbinden. Seine Leistungen sind mit seinem Kunstsinn in den letzten Jahrzehnten, wie auf andern Gebieten, so auch in der Keramik zurückgegangen. Der Japaner dagegen rastete und rostete nicht. Die vielseitige Anregung und Belehrung, welche er während der letzten 15 Jahre auf den internationalen Ausstellungen und durch gebildete Fremde im eigenen Lande empfing, sind auf guten Boden gefallen. Seine Fortschritte, deren schon bei der Metallindustrie ge- dacht wurde, treten uns auch in der Keramik unverkennbar entgegen. Indem ich ihrer gedenke, scheint es mir nicht mehr als billig, auch den Namen Dr. G. Wagener’s zu nennen, des Mannes, der als sach- verständiger Rathgeber mehr als irgend ein anderer Fremder in Japan zur Förderung des Kunstgewerbes beitrug. Die Spuren seiner
*) In: L’Art Japonais par L. Gonse. Chapitre IX. La Céramique Vol. II pg. 242.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0602"n="552"/><fwplace="top"type="header">III. Kunstgewerbe und Verwandtes.</fw><lb/><p>Die feinere Keramik Japans zeigt uns verschiedene höchst inte-<lb/>
ressante Züge. Einmal ist sie nicht gleich der chinesischen auf ein ein-<lb/>
ziges Gebiet beschränkt, sondern hat, der Verbreitung werthvoller und<lb/>
sehr verschiedenartiger Rohmaterialien entsprechend, eine ganze An-<lb/>
zahl Fabrikationscentren, deren jedes durch Eigenthümlichkeiten des<lb/>
Materials und der Erzeugnisse sich auszeichnet. Ferner ist sie in ihren<lb/>
Vorrichtungen und mechanischen Hülfsmitteln wenig und nicht sehr<lb/>
zweckmässig ausgestattet, in ihren Leistungen aber dessenungeachtet<lb/>
erstaunlich entwickelt. Sie liefert ein Eierschalenporzellan von un-<lb/>
übertroffener Feinheit und Reinheit und wiederum Vasen und Blumen-<lb/>
töpfe so gross und stark, dass die grössten europäischen Fabrikate<lb/>
derart wahre Zwerge dagegen sind. In der Steingutfabrikation sind<lb/>
die Leistungen nicht minder gross.</p><lb/><p>Dennoch kann man wohl im allgemeinen behaupten, dass der<lb/>
japanische Töpfer viel grösseres Gewicht auf die Ausschmückung seiner<lb/>
Waare legt, als auf eine sorgfältige Zubereitung und Gestaltung der<lb/>
Masse. Die Qualität kommt, wie M. <hirendition="#g">Bing</hi> mit Recht hervorhebt, erst<lb/>
in zweiter Linie in Betracht. <noteplace="foot"n="*)">In: L’Art Japonais par L. Gonse. Chapitre IX. La Céramique Vol. II pg. 242.</note> Darum wendet der Japaner nicht blos<lb/>
die gewöhnlichen Verzierungsweisen unter und über der Glasur an,<lb/>
sondern hat auch mit Erfolg die Lackmalerei und den Zellenschmelz<lb/>
auf Porzellan und Steingut übertragen. In der polychromen Aus-<lb/>
schmückung seiner Waare zeigt sich vornehmlich seine grössere Leistungs-<lb/>
fähigkeit, ein Sinn für wohlthuende, harmonische Farbenverbindungen,<lb/>
wie er wohl bei keinem andern Volke gleich entwickelt ist. In dieser<lb/>
Beziehung steht sein ehemaliger Lehrmeister, der Chinese, ihm weit nach.<lb/>
Letzterer verfügt in der Porzellanmalerei über glänzendere, lebhaftere<lb/>
Farben; aber er weiss sie heutiges Tags nur selten noch wirksam mit<lb/>
einander zu verbinden. Seine Leistungen sind mit seinem Kunstsinn in<lb/>
den letzten Jahrzehnten, wie auf andern Gebieten, so auch in der<lb/>
Keramik zurückgegangen. Der Japaner dagegen rastete und rostete<lb/>
nicht. Die vielseitige Anregung und Belehrung, welche er während<lb/>
der letzten 15 Jahre auf den internationalen Ausstellungen und durch<lb/>
gebildete Fremde im eigenen Lande empfing, sind auf guten Boden<lb/>
gefallen. Seine Fortschritte, deren schon bei der Metallindustrie ge-<lb/>
dacht wurde, treten uns auch in der Keramik unverkennbar entgegen.<lb/>
Indem ich ihrer gedenke, scheint es mir nicht mehr als billig, auch<lb/>
den Namen Dr. G. <hirendition="#g">Wagener’s</hi> zu nennen, des Mannes, der als sach-<lb/>
verständiger Rathgeber mehr als irgend ein anderer Fremder in<lb/>
Japan zur Förderung des Kunstgewerbes beitrug. Die Spuren seiner<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[552/0602]
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Die feinere Keramik Japans zeigt uns verschiedene höchst inte-
ressante Züge. Einmal ist sie nicht gleich der chinesischen auf ein ein-
ziges Gebiet beschränkt, sondern hat, der Verbreitung werthvoller und
sehr verschiedenartiger Rohmaterialien entsprechend, eine ganze An-
zahl Fabrikationscentren, deren jedes durch Eigenthümlichkeiten des
Materials und der Erzeugnisse sich auszeichnet. Ferner ist sie in ihren
Vorrichtungen und mechanischen Hülfsmitteln wenig und nicht sehr
zweckmässig ausgestattet, in ihren Leistungen aber dessenungeachtet
erstaunlich entwickelt. Sie liefert ein Eierschalenporzellan von un-
übertroffener Feinheit und Reinheit und wiederum Vasen und Blumen-
töpfe so gross und stark, dass die grössten europäischen Fabrikate
derart wahre Zwerge dagegen sind. In der Steingutfabrikation sind
die Leistungen nicht minder gross.
Dennoch kann man wohl im allgemeinen behaupten, dass der
japanische Töpfer viel grösseres Gewicht auf die Ausschmückung seiner
Waare legt, als auf eine sorgfältige Zubereitung und Gestaltung der
Masse. Die Qualität kommt, wie M. Bing mit Recht hervorhebt, erst
in zweiter Linie in Betracht. *) Darum wendet der Japaner nicht blos
die gewöhnlichen Verzierungsweisen unter und über der Glasur an,
sondern hat auch mit Erfolg die Lackmalerei und den Zellenschmelz
auf Porzellan und Steingut übertragen. In der polychromen Aus-
schmückung seiner Waare zeigt sich vornehmlich seine grössere Leistungs-
fähigkeit, ein Sinn für wohlthuende, harmonische Farbenverbindungen,
wie er wohl bei keinem andern Volke gleich entwickelt ist. In dieser
Beziehung steht sein ehemaliger Lehrmeister, der Chinese, ihm weit nach.
Letzterer verfügt in der Porzellanmalerei über glänzendere, lebhaftere
Farben; aber er weiss sie heutiges Tags nur selten noch wirksam mit
einander zu verbinden. Seine Leistungen sind mit seinem Kunstsinn in
den letzten Jahrzehnten, wie auf andern Gebieten, so auch in der
Keramik zurückgegangen. Der Japaner dagegen rastete und rostete
nicht. Die vielseitige Anregung und Belehrung, welche er während
der letzten 15 Jahre auf den internationalen Ausstellungen und durch
gebildete Fremde im eigenen Lande empfing, sind auf guten Boden
gefallen. Seine Fortschritte, deren schon bei der Metallindustrie ge-
dacht wurde, treten uns auch in der Keramik unverkennbar entgegen.
Indem ich ihrer gedenke, scheint es mir nicht mehr als billig, auch
den Namen Dr. G. Wagener’s zu nennen, des Mannes, der als sach-
verständiger Rathgeber mehr als irgend ein anderer Fremder in
Japan zur Förderung des Kunstgewerbes beitrug. Die Spuren seiner
*) In: L’Art Japonais par L. Gonse. Chapitre IX. La Céramique Vol. II pg. 242.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/602>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.