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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
schung, wie die Annahme, dass sie sich unserem Klima acommodie-
ren könne.

3) Wickstroemia canescens Meisn. (Passerina Gampi S. & Z.),
Familie der Thymelaeaceen. Die Gampi-Pflanze ist ein kleiner
Strauch, unserm Seidelbast (Daphne Mezereum L.) verwandt. Der-
selbe ist in den Bergwaldungen der mittleren und südlichen Landes-
teile weit verbreitet, doch wenig in die Augen fallend, und entwickelt
hier im Juni seine unscheinbaren rothbraunen Blüthchen an den Spitzen
der Zweige, wie dies der Holzschnitt Tafel XIII. andeutet. Ich fand
ihn gewöhnlich in 300--600 m Seehöhe, so in Mino und in Ise. An-
gepflanzt wird Gampi nicht. Für die Papierbereitung schält man
während des Sommers die Rinde an Ort und Stelle von den schlanken
Aesten ab, trocknet sie und bringt sie in den Handel oder verarbeitet
sie in der Nähe. Im Makidani-mura der Provinz Mino kosteten im
Sommer 1874
3 Guwanme oder 11,193 kg gereinigte Gampi-Rinde 1 yen oder 4 Mk.
2 " " 7,462 " " Kodzo- " 2 " " 8 "

Die Rinde der Papiermaulbeere, die ebenfalls in der Umgegend
gewonnen wurde, war demnach dreimal so theuer, als die der Gampi.*)
Letztere wird sowohl für sich (zu dem Gampi-Papier oder Gampi-shi,
Tafel XIII.), als auch mit Kodzo-Rindenstoff vermischt, zu Papier ver-
arbeitet.**)

4) Morus alba L., Fam. Moreae. Der weisse Maulbeerbaum (s.
pg. 225), jap. Kuwa, liefert eine Rinde, die Kuwa-no-kawa, aus
der man in Ichikawa (Prov. Koshiu) das Kuwa-shi oder Maulbeer-
papier gewinnt. An Stärke steht es dem Broussonetia-Papier wenig
nach, besitzt aber nicht die Feinheit und Gleichmässigkeit des letzte-
ren, eignet sich daher nicht für Zwecke, bei denen diese Eigenschaf-
ten besonders in Betracht kommen; wohl aber bietet es ein vorzügliches
Verpackmaterial.***)

*) Trockne Mitsu-mata-Rinde ist noch billiger als Gampi. In Suruga verkaufte
man im nämlichen Sommer 30 Guwanme oder 111,93 kg (eine gewöhnliche Pferde-
last) derselben für 7,5 yen oder 30 Mk., so dass ihr Preis zu dem der Papier-
maulbeerrinde sich wie 1:4 verhielt.
**) Mehrere der Gampi nahe verwandte Sträucher der Himalayaländer liefern
den Bewohnern ebenfalls Bastpapier. Die Kunst solches daraus zu bereiten soll
von Lhassa aus, wohin Chinesen das Verfahren brachten, sich verbreitet haben.
Aus dem Baste der "Sitabharua" (Daphne canabina Wall.) bereitet u. A. Nepal
ein auch in Hindostan sehr bekanntes Papier, das "Nipalese". Auch Daphne
oleoides Wall. und D. papyracea Wall. dienen dem Zweck.
***) Dass man auch in Europa angefangen hat, die in Distrikten mit Seiden-
zucht leicht und sehr billig zu beschaffende Rinde der weissen Maulbeerpflanze

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
schung, wie die Annahme, dass sie sich unserem Klima acommodie-
ren könne.

3) Wickstroemia canescens Meisn. (Passerina Gampi S. & Z.),
Familie der Thymelaeaceen. Die Gampi-Pflanze ist ein kleiner
Strauch, unserm Seidelbast (Daphne Mezereum L.) verwandt. Der-
selbe ist in den Bergwaldungen der mittleren und südlichen Landes-
teile weit verbreitet, doch wenig in die Augen fallend, und entwickelt
hier im Juni seine unscheinbaren rothbraunen Blüthchen an den Spitzen
der Zweige, wie dies der Holzschnitt Tafel XIII. andeutet. Ich fand
ihn gewöhnlich in 300—600 m Seehöhe, so in Mino und in Ise. An-
gepflanzt wird Gampi nicht. Für die Papierbereitung schält man
während des Sommers die Rinde an Ort und Stelle von den schlanken
Aesten ab, trocknet sie und bringt sie in den Handel oder verarbeitet
sie in der Nähe. Im Makidani-mura der Provinz Mino kosteten im
Sommer 1874
3 Guwanme oder 11,193 kg gereinigte Gampi-Rinde 1 yen oder 4 Mk.
2 » » 7,462 » » Kôdzo- » 2 » » 8 »

Die Rinde der Papiermaulbeere, die ebenfalls in der Umgegend
gewonnen wurde, war demnach dreimal so theuer, als die der Gampi.*)
Letztere wird sowohl für sich (zu dem Gampi-Papier oder Gampi-shi,
Tafel XIII.), als auch mit Kôdzo-Rindenstoff vermischt, zu Papier ver-
arbeitet.**)

4) Morus alba L., Fam. Moreae. Der weisse Maulbeerbaum (s.
pg. 225), jap. Kuwa, liefert eine Rinde, die Kuwa-no-kawa, aus
der man in Ichikawa (Prov. Kôshiu) das Kuwa-shi oder Maulbeer-
papier gewinnt. An Stärke steht es dem Broussonetia-Papier wenig
nach, besitzt aber nicht die Feinheit und Gleichmässigkeit des letzte-
ren, eignet sich daher nicht für Zwecke, bei denen diese Eigenschaf-
ten besonders in Betracht kommen; wohl aber bietet es ein vorzügliches
Verpackmaterial.***)

*) Trockne Mitsu-mata-Rinde ist noch billiger als Gampi. In Suruga verkaufte
man im nämlichen Sommer 30 Guwanme oder 111,93 kg (eine gewöhnliche Pferde-
last) derselben für 7,5 yen oder 30 Mk., so dass ihr Preis zu dem der Papier-
maulbeerrinde sich wie 1:4 verhielt.
**) Mehrere der Gampi nahe verwandte Sträucher der Himalayaländer liefern
den Bewohnern ebenfalls Bastpapier. Die Kunst solches daraus zu bereiten soll
von Lhassa aus, wohin Chinesen das Verfahren brachten, sich verbreitet haben.
Aus dem Baste der »Sitabharua« (Daphne canabina Wall.) bereitet u. A. Nepal
ein auch in Hindostan sehr bekanntes Papier, das »Nipalese«. Auch Daphne
oleoides Wall. und D. papyracea Wall. dienen dem Zweck.
***) Dass man auch in Europa angefangen hat, die in Distrikten mit Seiden-
zucht leicht und sehr billig zu beschaffende Rinde der weissen Maulbeerpflanze
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[472/0512] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. schung, wie die Annahme, dass sie sich unserem Klima acommodie- ren könne. 3) Wickstroemia canescens Meisn. (Passerina Gampi S. & Z.), Familie der Thymelaeaceen. Die Gampi-Pflanze ist ein kleiner Strauch, unserm Seidelbast (Daphne Mezereum L.) verwandt. Der- selbe ist in den Bergwaldungen der mittleren und südlichen Landes- teile weit verbreitet, doch wenig in die Augen fallend, und entwickelt hier im Juni seine unscheinbaren rothbraunen Blüthchen an den Spitzen der Zweige, wie dies der Holzschnitt Tafel XIII. andeutet. Ich fand ihn gewöhnlich in 300—600 m Seehöhe, so in Mino und in Ise. An- gepflanzt wird Gampi nicht. Für die Papierbereitung schält man während des Sommers die Rinde an Ort und Stelle von den schlanken Aesten ab, trocknet sie und bringt sie in den Handel oder verarbeitet sie in der Nähe. Im Makidani-mura der Provinz Mino kosteten im Sommer 1874 3 Guwanme oder 11,193 kg gereinigte Gampi-Rinde 1 yen oder 4 Mk. 2 » » 7,462 » » Kôdzo- » 2 » » 8 » Die Rinde der Papiermaulbeere, die ebenfalls in der Umgegend gewonnen wurde, war demnach dreimal so theuer, als die der Gampi. *) Letztere wird sowohl für sich (zu dem Gampi-Papier oder Gampi-shi, Tafel XIII.), als auch mit Kôdzo-Rindenstoff vermischt, zu Papier ver- arbeitet. **) 4) Morus alba L., Fam. Moreae. Der weisse Maulbeerbaum (s. pg. 225), jap. Kuwa, liefert eine Rinde, die Kuwa-no-kawa, aus der man in Ichikawa (Prov. Kôshiu) das Kuwa-shi oder Maulbeer- papier gewinnt. An Stärke steht es dem Broussonetia-Papier wenig nach, besitzt aber nicht die Feinheit und Gleichmässigkeit des letzte- ren, eignet sich daher nicht für Zwecke, bei denen diese Eigenschaf- ten besonders in Betracht kommen; wohl aber bietet es ein vorzügliches Verpackmaterial. ***) *) Trockne Mitsu-mata-Rinde ist noch billiger als Gampi. In Suruga verkaufte man im nämlichen Sommer 30 Guwanme oder 111,93 kg (eine gewöhnliche Pferde- last) derselben für 7,5 yen oder 30 Mk., so dass ihr Preis zu dem der Papier- maulbeerrinde sich wie 1:4 verhielt. **) Mehrere der Gampi nahe verwandte Sträucher der Himalayaländer liefern den Bewohnern ebenfalls Bastpapier. Die Kunst solches daraus zu bereiten soll von Lhassa aus, wohin Chinesen das Verfahren brachten, sich verbreitet haben. Aus dem Baste der »Sitabharua« (Daphne canabina Wall.) bereitet u. A. Nepal ein auch in Hindostan sehr bekanntes Papier, das »Nipalese«. Auch Daphne oleoides Wall. und D. papyracea Wall. dienen dem Zweck. ***) Dass man auch in Europa angefangen hat, die in Distrikten mit Seiden- zucht leicht und sehr billig zu beschaffende Rinde der weissen Maulbeerpflanze

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/512>, abgerufen am 22.11.2024.